Weil du es mir wert bist

Weil du es mir wert bist

Soziale Net­zw­erke wie Face­book, Twit­ter und andere sind heutzu­tage omnipräsent. Wohl noch nie haben sich Men­schen so gestresst und unter Druck gefühlt angesichts der Fülle und Dichte von Infor­ma­tio­nen wie heute. Das über­grosse Ange­bot, welch­es auf den ersten Blick nach enormer Frei­heit aussieht, ist jedoch trügerisch. Durch das andauernde «Abge­lenkt wer­den» und die Fülle der Optio­nen für mögliche Bedürfnis­be­friedi­gun­gen kön­nen wir das Wichtige immer schlechter vom Unwichti­gen unter­schei­den. Hinzu kommt, dass aus Angst vor einem ver­meintlichen sozialen Tod per­ma­nent «con­nect­ed» wer­den muss: Ich «con­necte,» also bin ich. Das starke «im aktuellen Moment Sein» ist so dom­i­nant gewor­den, dass Ver­gan­gen­heit und Zukun­ft an Bedeu­tung ver­lieren. Fra­gen wie «Wie bin ich der gewor­den, der ich bin?» oder «Was gibt meinem Leben Sinn?» brauchen für Ihre Beant­wor­tung Zeit, und Zeit gilt als Luxus in unser­er schnel­llebi­gen Gegen­wart. Für eine lebendi­ge Part­ner­schaft kön­nen die allzeit vorhan­den Ver­führun­gen zur Ablenkung fatal sein. Eben­so der Druck, sich in den sozialen Medi­en ständig mit­teilen zu müssen. Eine Part­ner­schaft braucht Zeit, um sorgsam aufeinan­der zuzuge­hen, sich aufeinan­der einzu­lassen und um ein «Wir-Gefühl» zu erzeu­gen. Dat­ing-Sites im Inter­net sug­gerieren zudem, dass irgend­wo ein per­fek­ter Part­ner auf mich wartet. Treten nun Unstim­migkeit­en in der Part­ner­schaft auf, was sich in kein­er Part­ner­schaft ver­hin­dern lässt, wer­den diese dahinge­hend inter­pretiert, dass der opti­male Part­ner noch nicht gefun­den wurde, und es kommt mitunter zur Tren­nung. Nicht Zer­rüt­tung son­dern Ent­frem­dung Liebe mag eine Part­ner­schaft begrün­den, sie kann jedoch nicht alles alleine tra­gen. Liebe ist kein Garant für Beziehungssta­bil­ität und –qual­ität. Wohl jedes Paar sagt sich an der Hochzeit, dass es sich innig liebt, und trotz­dem wird jede zweite Ehe geschieden. Soll eine Part­ner­schaft langfristig beste­hen, so muss darin investiert wer­den. Nach Guy Boden­mann, einem Schweiz­er Paarther­a­peuten der Uni­ver­sität Zürich, gehen Ehen heutzu­tage viel weniger wegen Zer­rüt­tung auseinan­der, son­dern wegen Ent­frem­dung, weil sich die Paare zu wenig Zeit füreinan­der nehmen. Gespräche kön­nen nicht in die Tiefe gehen und es find­et keine emo­tionale Selb­stöff­nung statt, was zur Entwick­lung von Nähe unab­d­ing­bar ist. Dadurch ver­lieren sich Paare aus den Augen, und so wird einem der eigene Part­ner fremd. Guy Boden­mann ver­tritt die Hal­tung, dass es für jede Part­ner­schaft wichtig ist, sich regelmäs­sig emo­tion­al auszu­tauschen, er nen­nt dies «emo­tionales Updat­en» – auch das ein Begriff aus der schnel­llebi­gen Infor­ma­tion­stech­nolo­gie.Stärk­endes «Wir-Gefühl» Zusam­men­fassend kann also gesagt wer­den, dass heutzu­tage ver­schiedenar­tige Her­aus­forderun­gen an uns her­antreten. Auf der einen Seite erleben wir eine enorme Beschle­u­ni­gung im All­t­ag, sowohl beru­flich, als auch im pri­vat­en Fre­un­deskreis hin­sichtlich Erre­ich­barkeit, virtueller Mei­n­ungsäusserung oder bei der Suche nach dem grösst­möglichen Unter­hal­tungswert. Auf der anderen Seite ste­ht der Wun­sch nach ein­er glück­lichen Part­ner­schaft, welche ganz anderen Geset­zmäs­sigkeit­en unter­wor­fen ist. Hier braucht es Zeit mit dem Part­ner, um Tiefe und ein die Part­ner­schaft sta­bil­isieren­des und stärk­endes «Wir-Gefühl» zu erre­ichen. Hier umschal­ten zu kön­nen ist eine grosse Her­aus­forderung der heuti­gen Zeit. Wenn diese Entschle­u­ni­gung gelingt, wer­den wir mit mehr «Zen­tri­ertheit» und let­zten Endes mehr Ruhe, Zufrieden­heit und Sinnhaftigkeit im Leben belohnt.Heinz Berneg­ger
Redaktion Lichtblick
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