Weihwasser – mehr als eine chemische Verbindung
- WassÂer ist die GrundÂlage des Lebens und hat seit jeher auch die FanÂtasie beflügelt.
- In verÂschiedeÂnen religiösen oder spirÂituellen ZusamÂmenÂhänÂgen spielt WassÂer eine grosse Rolle.
- In den meisÂten katholisÂchen Kirchen kann man WeiÂhÂwassÂer für den Heim-Gebrauch abfüllen. Doch soll man WeiÂhÂwassÂer samÂmeln?
In einem AusÂläufer des FrickÂtals lebt ein Mann, auf den das Wort kauzig passt. Im besten Sinne. Er sagt selÂber, dass er ein eigenÂwilliger CharakÂter sei. Fotografiert will er nicht werÂden, auch sein Name soll nicht erscheinen. Der Mann samÂmelt. Ganz verÂschiedene Dinge. Ordentlich sysÂtemÂaÂtisiert füllen die SammÂlunÂgen sein Haus bis unters Dach. Unter den ObjekÂten sind, wenn auch zum grossen Teil verÂpackt, gegen 850 unterÂschiedlich gestalÂtete WeiÂhÂwasserÂbeckÂen; solche, die früher oft neben der SchlafzÂimÂmertür hinÂgen. AusserÂdem, ebenÂfalls in Schachteln, 495 Flaschen und KonÂfitüregläsÂer voller WassÂer. Doch es ist kein norÂmales WassÂer, es ist WeiÂhÂwassÂer, jedes abgeÂfüllt in einÂer anderen Kirche in der Schweiz, in DeutschÂland, ItalÂien, Irland, FrankreÂich, GriechenÂland oder RusÂsÂland.
Stoff des Lebens
WassÂer. Es kühlt oder gart, plätschert oder tost, es löscht Durst oder erstickt. Als Regen nervt es, doch ohne es wächst auf den Feldern nichts. Aus 70 Prozent WassÂer besteÂht unser KörÂpÂer. Wo WassÂer ist, so sagen WisÂsenschaftler, ist Leben möglich; das Leben ist – so der heutige ErkenÂntÂnisÂstand – im WassÂer entÂstanden. Nicht umsonÂst werÂden HinÂweise auf WassÂer auf anderen HimÂmelÂskörÂpern, wie unlängst auf einen unterirdisÂchen See auf dem Mars, in den MediÂen pubÂliziert.WassÂer ist der einzige Stoff auf der Erde, der in drei ZustänÂden existiert: fest, flüsÂsig und gasÂförÂmig. Um WassÂer wird gerunÂgen. Die WassÂer-PoliÂtik des LebensÂmitÂtelkonzÂerns
Nestlé sorgt regelmäsÂsig für Schlagezeilen, denn nur ein verÂschwindend kleinÂer Anteil des Wassers auf der Erde ist TrinkwassÂer. 2010 erkÂlärte eine Mehrheit von LänÂdern in der UN-VolÂlverÂsammÂlung den Zugang zu sauberem TrinkwassÂer zum MenÂschenÂrecht. WassÂer ist uns so selbÂstverÂständlich, dass wir vor allem durch sein Fehlen auf es aufmerkÂsam werÂden.
Von Gottheiten bewohnt
Die BedeuÂtung des Wassers schlug sich früh in der PhilosoÂphie und in den ReliÂgioÂnen nieder. Es galt als UreÂleÂment. Das Leben entsteigt in vieÂlen VorstelÂlunÂgen von SchöpÂfung dem WassÂer. Als Naturkraft wurÂden sowohl seine schöpferischen wie zerÂstörerischen AspekÂte in MytholoÂgien eingeÂbunÂden. In verÂschiedeÂnen KulÂturen wurÂden WassÂer- oder RegenÂgotÂtheitÂen durch Kult verehrt und gnädig gesÂtimmt. Quellen, Flüssen oder Seen wurde ebenÂfalls Macht zugeÂsprochen, es herrschte die VorstelÂlung vor, dass GewässÂer durch WasserÂgotÂtheitÂen bewohnt waren.In den etablierten ReliÂgioÂnen spielte und spielt WassÂer meist im ZusamÂmenÂhang mit dem TheÂma ReiniÂgung eine Rolle. EinÂerÂseits unterziehen sich die AngeÂhöriÂgen verÂschiedenÂer ReliÂgioÂnen ihren jewÂeils vorgeschriebeÂnen ReiniÂgungsritualen. AnderÂerÂseits wird mit der SintÂflutÂgeschichte im sogeÂnanÂnten Alten TesÂtaÂment eine ReiniÂgungsakÂtion im grossen Stil erzählt: Gott will seine SchöpÂfung sauber waschen vom Bösen, allein Noah, seine FamÂiÂlie und ausÂgewählte Tiere sollen überÂleben. WassÂer ist aus den ReliÂgioÂnen nicht wegzuÂdenken.
Neu geboren in der Taufe
Im ChrisÂtenÂtum beginÂnt das Leben als Christin oder Christ mit WassÂer, mit der Taufe. Dafür wird aus etwas ProÂfanem etwas BesonÂderes. Andreas Wieland, Diakon, verdeutÂlicht: «Ich bitte meine TaufÂfamÂiÂlien, sie sollen gewöhnÂlichÂes WassÂer in einem Fläschchen von zu Hause mitÂbrinÂgen zur TaufÂfeier ihres Kindes. Wir machen es dann zum TaufwassÂer. Mit diesem WassÂer kommt die FamÂiÂlie täglich in irgenÂdeinÂer Form in Berührung. Nach der Taufe gebe ich der TaufÂfamÂiÂlie das gesegÂnete WassÂer in der Flasche zurück, damit es bei ihnen zu Hause weitÂerÂhin benutzt werÂden kann als WeiÂhÂwassÂer. So stellt die TaufÂfamÂiÂlie gleÂichzeitÂig einen Bezug zu diesem WassÂer her, da es ihr eigenes WassÂer ist».Doch nicht nur im ZusamÂmenÂhang mit der Taufe spielt WassÂer im ChrisÂtenÂtum eine Rolle. ZahlreÂiche liturÂgisÂche HandÂlunÂgen beinÂhalÂten die VerÂwenÂdung von WeiÂhÂwassÂer. Das WassÂer wird unter Zugabe von etwas Salz – das hat mit der HaltÂbarkeit des Wassers zu tun – das und einem SegensÂgeÂbet zu WeiÂhÂwassÂer. Mit ihm werÂden MenÂschen, Tiere, Häuser oder GegenÂstände gesegÂnet. In manchen GottesÂdiÂenÂsten wird die Gemeinde mit dem geweiÂhtÂen WassÂer besprengt und sinnhaft in das liturÂgisÂche Geschehen einÂbeÂzoÂgen.
Weihwasser «to go»
In jedÂer katholisÂchen Kirche gibt es im EinÂgangsÂbereÂich WeiÂhÂwasserÂbeckÂen. Beim EinÂtreten oder VerÂlassen des GotteÂshausÂes bekreuziÂgen sich die GläuÂbiÂgen mit dem WassÂer und erinÂnern sich damit an ihre Taufe. In prakÂtisch jedÂer katholisÂchen Kirche besteÂht zudem die Möglichkeit, WeiÂhÂwassÂer abzufüllen, um es mit heimzunehmen. «In unseren PfarÂreien im SeelÂsorgeÂverÂband Homberg benötiÂgen wir pro Jahr zwisÂchen 6 und 14 Liter WeiÂhÂwassÂer. Es wird bei uns kein ungeweiÂhtÂes WassÂer dem geweiÂhtÂen WassÂer dazugegeben. Wenn der WeiÂhÂwasserÂbeÂhälÂter leer ist, wird er mit frischem WassÂer aufgeÂfüllt und das WassÂer wird neu gesegÂnet», erkÂlärt Andreas Wieland.Doch (Weih)Wasser samÂmeln? Andreas Wieland hat eine klare MeiÂnÂung dazu: «Das kommt auf die jewÂeilige SitÂuÂaÂtion an, in der man perÂsönÂlich und familÂiär drinÂsteÂht. GrundÂsätÂzlich bin ich der MeiÂnÂung, WeiÂhÂwassÂer soll benutzt werÂden». Ungenutztes WeiÂhÂwassÂer werde, so der Diakon, auf jeden Fall nicht einÂfach in den AusÂguss geschütÂtet, sonÂdern der SchöpÂfung zurückÂgegeben.
Sammler wünscht sich Kapelle
Und die WeiÂhÂwasserÂsammÂlung des FrickÂtalers? Ein befreÂunÂdeÂter BenedikÂtinÂerÂpaÂter aus EinÂsiedeln gab ihm den Rat, das WeiÂhÂwassÂer an einem geweiÂhtÂen Ort, einem FriedÂhof beispielÂsweise, auszugiessen. WeiÂhÂwassÂer sei kein SamÂmelobÂjekt. Doch AussÂchütÂten kommt für den SammÂler nicht infrage, es hängt ein Teil seinÂer Biografie an den Gläsern. Er ist nicht mehr der JüngÂste und würde seine WeiÂhÂwasserÂsammÂlung gerne zu LebzeitÂen gut verÂsorgt wisÂsen. Das DilemÂma: Er wünÂscht sich, dass sie als Ganzes erhalÂten bleibt, die GläsÂer in Harassen in einÂer offeÂnen Kapelle, in einÂer Art Häuschen aufgestellt werÂden könÂnten. Der Mann sagt selÂber, dass die ErfülÂlung des WunÂsches wohl eher unwahrscheinÂlich ist. Doch er gibt die HoffÂnung nicht auf und meint ganz zum Schluss, er müsse die Schilder auf den Gläsern mal neu schreiben.