War­um fin­det der Tag des Juden­tums kei­ne Beachtung?

  • Am dies­jäh­ri­gen zwei­ten Fasten­sonn­tag gibt es einen Stau im Lit­ur­gi­schen Kalender.
  • Der Tag des Juden­tums fin­det in den Aar­gau­er Pfar­rei­en kei­ne Beachtung.
  • Die Lit­ur­gi­ke­rin Gun­da Brüs­ke fin­det die Durch­füh­rung des Tages des Juden­tums wich­tig ange­sichts des zuneh­men­den Antisemitismus’.

Am kom­men­den Sonn­tag hat der lit­ur­gi­sche Kalen­der drei Ein­trä­ge. Neben dem zwei­ten Fasten­sonn­tag wird sowohl der Tag der Kran­ken als auch der Tag des Juden­tums began­gen. «Eine lit­ur­gi­sche Zumu­tung» sei das, sagt die Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­le­rin Gun­da Brüs­ke. Aus pasto­ra­ler Sicht ver­ste­he sie, dass man sich am kom­men­den Sonn­tag auf den Tag der Kran­ken konzentriere.

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Die­ser Ent­scheid bil­det sich in den Agen­den der Aar­gau­er Pfar­rei­en ab. Da fin­den sich vie­le Ein­trä­ge zum Tag der Kran­ken, aber kein ein­zi­ger Ein­trag zum Tag des Juden­tums. Seit der Ein­füh­rung habe es nie einen Hype um den Gedenk­tag gege­ben, sagt Gun­da Brüs­ke. Die Durch­füh­rung sei wohl davon abhän­gig, ob die Ver­ant­wort­li­chen sich im jüdisch-christ­li­chen Dia­log enga­gier­ten. Sie selbst bedau­ert das Schat­ten­da­sein des Gedenk­ta­ges. «Gera­de jetzt, wo wie­der ver­mehrt anti­se­mi­ti­sche Über­grif­fe bekannt wer­den, wäre es um so wich­ti­ger, sich der gemein­sa­men Wur­zeln des Juden­tums und des Chri­sten­tums bewusst zu wer­den», sagt die Theologin.

Jüdisch-christ­li­cher Dia­log in der römisch-katho­li­schen Kir­che in der Schweiz

In der Schweiz wird der Tag des Juden­tums seit 2011 am zwei­ten Fasten­sonn­tag began­gen. Dies geht auf das Enga­ge­ment der Jüdi­sch/­Rö­misch-katho­li­schen Gesprächs­kom­mis­si­on (JRGK) zurück, die seit 1990 für die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz (SBK) und den Schwei­ze­ri­schen Israe­li­ti­schen Gemein­de­bund (SIG) für den jüdisch-christ­li­chen Dia­log arbeitet.

Weg­wei­send für die­sen Dia­log in der Römisch-katho­li­schen Kir­che war die päpst­li­che Enzy­kli­ka Nost­ra aet­a­te, die wäh­rend des Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zils ent­stand. Nach der mensch­li­chen Kata­stro­phe der Sho­ah muss­te sich auch die Römisch-katho­li­sche Kir­che mit ihrem Ver­hält­nis zum Juden­tum auseinandersetzen.

Eine neue Theo­lo­gie im Ver­hält­nis zum Judentum

Mit Nost­ra aet­a­te sei der Grund­stein gelegt wor­den, das Ver­hält­nis zum Juden­tum in der Zukunft posi­tiv zu bestim­men, schreibt der Jesu­it und Juda­ist Chri­sti­an Rutis­hau­ser, der Mit­glied des JRGK ist, in der Weg­lei­tung zum Tag des Juden­tums. Mit der Enzy­kli­ka sei eine fast zwei­tau­send­jäh­ri­ge Theo­lo­gie ver­ab­schie­det wor­den, in der sich die Kir­che als Verus Isra­el, als wah­res Isra­el, an die Stel­le des Juden­tums gesetzt hat­te. Daher hät­ten die Juden stets nega­tiv beur­teilt und poli­tisch ver­drängt wer­den müssen.

Ein augen­fäl­li­ges Bei­spiel dafür war die Für­bit­te, in der an Kar­frei­tag für die «treu­lo­sen Juden» gebe­tet wur­de, dass auch sie «Jesus Chri­stus erken­nen». Papst Johan­nes XXIII. strich das «treu­los» 1959 aus der Für­bit­te. 1976 wur­de die neue Für­bit­te appro­biert. Seit­her beten Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken an Kar­frei­tag: «für die Juden, zu denen Gott, unser Herr, zuerst gespro­chen hat. Er bewah­re sie in der Treue zu sei­nem Bund und in der Lie­be zu sei­nem Namen, damit sie das Ziel errei­chen, zu dem sein Rat­schluss sie füh­ren will».

Neue Ideen für den Tag des Judentums

Gun­da Brüs­ke fragt sich, ob der Tag des Juden­tums ange­sichts zuneh­men­den Anti­se­mi­tis­mus’ nicht mehr Beach­tung fin­den soll­te. Eine Hil­fe wären neue lit­ur­gi­sche Hand­rei­chun­gen. Viel­leicht wäre es mög­lich, den Tag wie in Öster­reich auf den 17. Janu­ar zu legen. Das wür­de einer­seits die Ver­viel­fa­chung von Anläs­sen an einem ein­zel­nen Sonn­tag ver­mei­den und ande­rer­seits ermög­li­chen, Hand­rei­chun­gen von dort zu nut­zen, sagt die Liturgikerin.

Wäh­rend der Tag des Juden­tums ver­mut­lich nicht nur im Aar­gau ein Mau­er­blüm­chen-Dasein fri­stet, kom­men säku­la­re­re Pro­jek­te zum Flie­gen. Der JRGK hat Mit­te Febru­ar bestä­tigt, dass das Pro­jekt Dop­pel­tür in Len­gnau rea­li­siert wer­den kön­ne. Die gleich­na­mi­ge Stif­tung konn­te ein jüdi­sches Dop­pel-Tür-Haus und eine Mik­we, die für die ritu­el­len Bäder gebraucht wur­de, kau­fen. Neben dem Kul­tur­weg zwi­schen Len­gnau und Endin­gen soll es also in Zukunft auch ein Begeg­nungs­zen­trum geben, in dem die Geschich­te des jüdisch-christ­li­chen Zusam­men­le­bens in der Schweiz ver­mit­telt wird.

Eva Meienberg
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