Von Sterndeutern zu Königen: Die Karriere dreier Figuren

Von Sterndeutern zu Königen: Die Karriere dreier Figuren

  • Ihre Pop­u­lar­ität ste­ht mit Königskuchen und Sternsin­gen in krassem Gegen­satz zum Raum, den die heili­gen drei Könige in der Wei­h­nacht­serzäh­lung ein­nehmen. Nur ger­ade im zweit­en Kapi­tel des Matthäus-Evan­geli­um kom­men sie vor.
  • Im Laufe der Zeit avancierten die Stern­deuter aus dem Mor­gen­land zu regel­recht­en Pop­stars der Wei­h­nacht­serzäh­lung. Doch die Unter­schiede in Bezug auf deren Darstel­lung kön­nten gröss­er nicht sein. Hor­i­zonte hat genauer hingeschaut.
 In der soge­nan­nten Ein­heit­süber­set­zung der Bibel wer­den sie als «Stern­deuter aus dem Osten» einge­führt, die bei König Herodes nach dem «neuge­bore­nen König der Juden» fra­gen. «Wir haben seinen Stern aufge­hen sehen und sind gekom­men, um ihm zu huldigen». Herodes ver­mag keine Auskun­ft zu geben, erschrickt aber, weil er seine Herrschaft bedro­ht glaubt. « Und siehe, der Stern, den sie hat­ten aufge­hen sehen, zog vor ihnen her bis zu dem Ort, wo das Kind war; dort blieb er ste­hen.» Dann schildert der Bibel­text, wie die Weisen aus dem Mor­gen­land das Kind anbeteten und ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe schenken. Die Erzäh­lung endet mit dem Satz: «Weil ihnen aber im Traum geboten wurde, nicht zu Herodes zurück­zukehren, zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.»

Auf die Könige wurde landesübliche Tradition projiziert

Im 3. Jahrhun­dert löste sich die Leg­en­den­bil­dung vom bib­lis­chen Text und fand ihren Abschluss zur Zeit der Renais­sance in der Meta­mor­phose der weisen Magi­er und Stern­deuter zu Köni­gen. Auf diese Art und Weise kam zum Aus­druck: Da ist etwas Wichtiges passiert — auch die Reichen und Mächti­gen huldigen dem Kind in der Krippe. Wohl nicht zulet­zt war das auch der öffentlichen Lehrmei­n­ung recht, weil die Kirche Magie und Stern­deu­tung im Dun­stkreis des ver­pön­ten Okkul­tismus ansiedelte.Welche Bedeu­tung die Könige im kollek­tiv­en Bewusst­sein erlangten, lässt sich nicht nur an der Pop­u­lar­ität des Sternsin­gens und des Dreikönigskuchens able­sen, son­dern auch an deren Darstel­lung in der Krippe. Im einzi­gen Schweiz­er Krip­pen­mu­se­um in Stein am Rhein find­et man 600 Exponate aus 80 Län­dern (siehe Begleit­text). Rasch fällt auf, dass die Könige im Ver­gle­ich zu anderem Fig­uren­per­son­al sehr stark Anpas­sun­gen an lan­desübliche Umstände erfahren haben. Klas­sis­che Darstel­lun­gen von Cas­par, Mel­chior und Balthasar, wie man sie im deutschsprachi­gen Raum und beispiel­sweise Ital­ien ken­nt, sucht man beispiel­sweise in Südameri­ka verge­blich.

Mit Lamas anstelle von Kamelen zur Krippe

«In Südameri­ka gab es keine Könige nach unserem Ver­ständ­nis», erk­lärt Alfred Hartl, der die von seinem Urgross­vater begrün­dete Samm­lung zusam­men mit Moni­ka und Josef Amrein im Schaffhauser Krip­pen­mu­se­um weit­er­führt. «In Lateinameri­ka erscheinen die drei Könige in den Krip­pen als Vertreter unter­schiedlich­er Eth­nien: der Gau­chos, der Indios aus den Hochan­den und der Ship­i­bo – der Indi­ge­nen am Ober­lauf des Ama­zonas. Und anstelle von Kame­len find­et man sie in Begleitung von Lamas. «Gezeigt wird, dass von über­all aus der bekan­nten Welt die Men­schen kom­men um dem Jesuskind zu huldigen». so Alfred Hartl.Längst nicht in allen Darstel­lun­gen find­et sich unter den drei Weisen der Mohr Bal­tasar. Dieser ver­dankt seine dun­kle Haupt­farbe ohne­hin einem Über­set­zungs­fehler. Von einem dun­klen Bart war in der Bibel die Rede, was sich dann auf die Haut­farbe übertrug – um zu zeigen, dass bei der Verehrung des frisch gebore­nen Erlösers alle bekan­nten Kon­ti­nente anwe­send waren. Dort, wo in Afri­ka das Chris­ten­tum Fuss fassen kon­nte, wer­den die Könige naturgegeben alle­samt mit dun­kler Haut­farbe gezeigt. In Anlehnung an die dort bekan­nten Könige und Stammes­fürsten sind die Erken­nungsmerk­male jedoch nicht die bei uns üblichen Kro­nen, son­dern die für die Mächti­gen des Lan­des dort üblichen Kopf­be­deck­un­gen.

Kokablätter statt Weihrauch

In bes­timmten Län­dern find­et man in den Krip­pen die drei Könige auss­chliesslich mit weiss­er Haut­farbe. Wer dahinge­hend einen ras­sis­tis­chen Hin­ter­grund ver­mutet, liegt nicht ganz falsch, erk­lärt Alfred Hartl. «Noch heute lehnen in den USA evan­ge­likale Kirchen die Darstel­lung Christi mit schwarz­er Haut­farbe strikt ab.» Insofern habe in weit­en Teilen der USA die Tra­di­tion auch «weisse Könige» über­liefert. «Weil das so weit zurück­ge­ht, wird es in der Gegen­wart gar nicht mehr hin­ter­fragt.»Ein Blick auf die Gaben der Könige offen­bart weit­ere span­nende Unter­schiede: Europäis­che Krip­pen­fig­uren zeigen die aus der Schrift über­liefer­ten Geschenke Weihrauch, Gold und Myrrhe. «In Südameri­ka gab es wed­er Weihrauch noch Myrrhe», erk­lärt Alfred Hartl. «Aus diesem Grund reichen die Könige Kok­ablät­ter, Tabak und Maiskörn­er – also Dinge, die für die südamerikanis­chen Hochland­bauern von Bedeu­tung waren.» Auch bei den Gaben hat sich die Inter­pre­ta­tion somit vielfach vom vorgegebe­nen schriftlichen Kon­text gelöst

Osteuropa: Herodes in der Hauptrolle

In Osteu­ropa hat das Nar­ra­tiv zu den heili­gen drei Köni­gen im 20. Jahrhun­dert zudem eine poli­tis­che Aus­prä­gung erhal­ten. «Herodes, der ja von den Weisen aus dem Mor­gen­land als erstes aufge­sucht wird, ist in der Krip­pen­darstel­lung viel wichtiger», weiss Alfred Hartl. «Herodes stand als Sym­bol für den Kom­mu­nis­mus». Genau wie dieser die Geburt Christi wed­er ver­hin­dern, noch den neuge­bore­nen Knaben habe töten lassen kön­nen, so hätte es auch der Kom­mu­nis­mus nicht geschafft, das Chris­ten­tum in Osteu­ropa auszurot­ten. «In Polen entwick­elte sich gar der Brauch, vor der Krippe Spot­tlieder auf Herodes zu sin­gen, der häu­fig zusam­men mit dem Teufel und dem Tod dargestellt wurde. Im eigentlichen Sinne richtete sich der Spott aber gegen die kom­mu­nis­tis­che Partei und deren Despoten.»
Andreas C. Müller
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