Lebendiges Brauchtum für einen guten Zweck

Lebendiges Brauchtum für einen guten Zweck

  • Sie geben vollen Ein­satz für eine lebendi­ge Tra­di­tion: Jahr für Jahr ziehen die Sternsinger durch die Strassen, verkün­den die befreiende Wei­h­nachts­botschaft und seg­nen Haus und Men­schen.
  • Die Mäd­chen und Buben fördern als Sternsinger auch die weltweite Sol­i­dar­ität unter Kindern und sam­meln Spenden für ein Hil­f­spro­jekt.
  • Hor­i­zonte hat die Sternsinger­gruppe aus Seon auf ihrer segen­sre­ichen Tour begleit­et.

Rund um das Dreikönigs­fest am 6. Jan­u­ar ziehen junge Sternsin­gerin­nen und Sternsinger durch die Strassen. So auch in Seon, wo sich kurz vor 16 Uhr rund zehn Sternsingerkinder in der Pfar­rei St. There­sia tre­f­fen. «Die Leute wer­den euch fra­gen, ob wir die Sachen geseg­net haben, welche wir mit­brin­gen», erk­lärt Kat­e­chetin Lydia Fur­rer ihren inter­essierten Schülern. Geseg­net wer­den deshalb als erstes Krei­de, Myrrhe, Weihrauch, Wass­er mit Salz und natür­lich die Stick­er, welche später über den Ein­gangstüren aufgek­lebt wer­den.

Aktion Sternsingen

In der Schweiz machen sich jedes Jahr über 10’000 Sternsingerkinder und mehrere tausend erwach­sene Ehre­namtliche in den Tagen um Wei­h­nacht­en und Neu­jahr auf den Weg zu den Men­schen und seg­nen die Häuser mit der Inschrift 20 * C + M + B + 23. Das Sternsin­gen beruht auf der Erzäh­lung von den Weisen aus dem Osten im Matthäu­se­van­geli­um. Schon im Mit­te­lal­ter ver­bre­it­eten so genan­nte Mys­te­rien­spiele die Geschichte. In der heuti­gen Gestalt gibt es das Sternsin­gen aber erst seit 32 Jahren, als Mis­sio den Brauch schweizweit zu koor­dinieren begann. Mis­sio ist der schweiz­erische Zweig des gle­ich­nami­gen inter­na­tionalen Mis­sion­swerkes, das in über 120 Län­dern tätig ist. Mis­sio hat das Sternsin­gen mit dem Sol­i­dar­itäts­gedanken angere­ichert. Sei­ther brin­gen die Sternsinger nicht nur Gottes Segen zu den Men­schen, son­dern sam­meln Spenden für Pro­jek­te in den Bere­ichen Bil­dung, Gesund­heit, Frieden­sar­beit und Ernährung von Kindern und Jugendlichen weltweit. Jedes Jahr ste­ht ein Gast­land exem­plar­isch im Vorder­grund. Unter dem diesjähri­gen Mot­to «Kinder stärken, Kinder schützen — in Indone­sien und weltweit» stellt die Aktion Sternsin­gen 2023 den Kinder­schutz in den Fokus. In den ver­gan­genen Jahren haben die Sternsinger in der Schweiz jew­eils zwis­chen 1,2 und 1,5 Mil­lio­nen Franken gesam­melt.

Nach dem gemein­samen «Amen», geht’s dann ans Anziehen. Aus Ilar­ia, Simon und Joaquin wer­den für einen Abend Cas­par, Mel­chior und Balthasar. «Die neuen Gewän­der kom­men frisch ab der Näh­mas­chine. Das Let­zte steckt qua­si noch unter der Nadel fest», sagt Lydia Fur­rer, welche die Klei­der für Könige, Stern­träger und Sternsinger alle selb­st genäht hat, und lacht. «Jet­zt geht es dann endlich los», sagt Dami­an während er auf seine Sternsinger-Kol­le­gen wartet und meint zufrieden: «Ich freue mich schon so lange und kon­nte es kaum noch erwarten. Es macht Spass bei den Leuten zu Hause zu klin­geln und ein­fach zu sin­gen.» Und Ilar­ia ruft: «Es ist erst noch für einen guten Zweck! Wir sam­meln näm­lich für Arme Kinder in Indone­sien. Die wohnen an gefährlichen Stellen ganz nahe bei den Eisen­bahn­lin­ien. Für diese Kinder sam­meln wir heute Abend viel Geld.»

Die Aktion Sternsin­gen 2023 soll der Stiftung «ALIT» zugutekom­men. Sie unter­stützt seit mehr als 20 Jahren Kinder, welche aus unter­schiedlichen Grün­den gefährdet sind oder Opfer von Gewalt wur­den.

Die alte Tradition hat unter Corona gelitten

«Wir sind die Sternsinger und ziehen heute von Haus zu Haus», sin­gen die Kinder vor der Ein­gangstüre bei Fam­i­lie Ster­nad, dem ersten Besuch an diesem Abend. Rund zwanzig Adressen ste­hen während für die näch­sten bei­den Abende auf dem Pro­gramm. Das sind einige weniger als noch vor Coro­n­azeit­en. «Während der Pan­demie hat­ten viele Angst und wün­scht­en keinen frem­den Kon­takt mehr. Deshalb wur­den auch wir Sternsinger nicht mehr ein­ge­laden. Jet­zt, wo Coro­na fast vor­bei ist, sind wir wohl etwas in Vergessen­heit ger­at­en», erk­lärt Lydia Fur­rer nach­den­klich. Die Kat­e­chetin begleit­et die Seon­er Sternsinger schon seit mehr als 20 Jahren.

20 * C + M + B + 23

«Gott, begleite alle, die durch diese Türe ein- und aus­ge­hen mit deinem Segen. Halte deine schützende Hand über dieses Haus.» Im Chor seg­nen die Sternsinger am Dreikönigsabend jedes einzelne Haus, das sie besuchen. Und bevor sie dann wieder von dan­nen ziehen, schmück­en sie die Ein­gangstüre mit einem Stick­er oder der Krei­deauf­schrift: «20 * C + M + B + 23».

Doch was bedeuten eigentlich diese Zahlen und Buch­staben? «Coro­na Maske Bitte», scherzt sofort ein klein­er Sternsinger und ein weit­er­er kon­tert: «Oder Cerve­lat, Most und Brot». Dami­an, welch­er die Auf­schrift mit sein­er geseg­neten Krei­de über die Tür­rah­men schreibt, meint: «Cas­par, Mel­chior und Balthasar. So kann ich mir die Buch­staben jeden­falls merken.» Die tat­säch­liche Bedeu­tung der Buch­staben C, M und B stammt ver­mut­lich jedoch aus den 1950er-Jahren und wird als Abkürzung der lateinis­chen Worte «Chris­tus man­sionem bened­i­cat» gedeutet. Was so viel heisst wie «Chris­tus seg­ne dieses Haus». Die Inschrift soll also den Segen Gottes auf das Haus und seine Bewohn­er herabrufen und sie vor Unglück schützen.

Herzliche Gastfreundschaft

Entsprechend freuen sich die Gast­ge­ber natür­lich über den Besuch der Sternsinger und ihr neu geseg­netes Haus. «Einige geben uns Süs­sigkeit­en mit auf den Weg, andere machen im Garten extra ein Feuer für uns und zün­den Kerzen vor dem Hau­sein­gang an», freut sich eine Sternsin­gerin und Lydia Fur­rer schmun­zelt: «Beim let­zten Haus dür­fen wir immer noch einkehren und bekom­men ein kleines Znacht. Das ist in den let­zten Jahren schon fast Tra­di­tion gewor­den. Dieses Jahr hat­ten wir jedoch gle­ich drei Fam­i­lien, die uns dazu ein­laden woll­ten. Das wäre dann doch etwas zu viel für unsere kleinen Magen.»

Auch wenn es durch Coro­na also etwas weniger Anmel­dun­gen gab als auch schon – beliebt sind die Sternsinger in Seon und Umge­bung weit­er­hin. Deshalb wer­den sie auch näch­stes Jahr rund um den Dreikönigstag wieder durch die Strassen ziehen. Allen voran die Stern­trägerin, welche den sin­gen­den Kam­er­aden den Weg von Haus zu Haus durch die dun­kle Ster­nen­nacht leuchtet.    

Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben