Traumatherapie als Chance — Das Netzwerk Psy4Asyl

Traumatherapie als Chance — Das Netzwerk Psy4Asyl

  • Seit 2016 engagiert sich das Neztwerk aus Psy­chologin­nen und Psy­cholo­gen meist unent­geldlich in der ther­a­peutis­chen Begleitung von Men­schen mit Fluchter­leb­nis­sen.
  • Im Gespräch mit Hor­i­zonte erk­lärt Sara Micha­lik-Imfeld, wie das Net­zw­erk durch seine Arbeit zur Reduk­tion von medi­zinis­chen Fol­gekosten beitra­gen kann
 In Aarau, in der Nähe des Rathaus­es, oben im Dachgeschoss eines der hüb­schen alten Stadthäuser, hat Sara Micha­lik-Imfeld ihre Prax­is. In einem der Räume ste­hen viele Holztiere auf einem Regal, welch­es vollgestopft ist mit Spiel­sachen. Es gibt einen hochge­bock­ten Sand­kas­ten und aller­lei Kisten mit weit­erem Spielzeug. Sara Micha­lik-Imfeld ist Fach­psy­cholo­gin für Psy­chother­a­pie und Kinder- und Jugendpsy­cholo­gin.

Reaktion auf Therapienotstand

Die 43-Jährige begleit­et ther­a­peutisch Men­schen jeden Alters mit Fluchthin­ter­grund aus Syrien, Afghanistan und Eritrea: Diese Men­schen erzählen von Erleb­nis­sen, die nie­mand sel­ber erleben möchte. «Es sind schreck­liche Geschicht­en, die wir im Net­zw­erk Psy4Asyl hören. Weil wir gese­hen haben, wie unzure­ichend die ther­a­peutis­che Ver­sorgung im Asyl­bere­ich, grade bei den UMAs, den unbe­gleit­eten min­der­jähri­gen Asyl­be­wer­bern war, haben wir – das sind einige Kol­legin­nen und Kol­le­gen aus dem Ver­band der Aar­gauer Psy­chologin­nen und Psy­cholo­gen – im März 2016 dieses Net­zw­erk grün­det», erzählt Sara Micha­lik-Imfeld. Jet­zt im Juni 2018 seien es knapp 30 Fach­leute aus unter­schiedlichen Bere­ichen, die sich bei Psy4Asyl engagieren. Unent­geltlich.

Das Trauma erkennen

Viele der Men­schen, die das Net­zw­erk begleit­et, seien schw­er trau­ma­tisiert und bräucht­en Einzelther­a­pie, erzählt Sara Micha­lik-Imfeld. Manch­mal seien es aber bere­its kleien Dinge, die die trau­ma­tisierten Men­schen ent­las­ten. «Jemand, der ihnen zuhört und ihnen erk­lärt, dass es ganz nor­mal ist, nach einem schlim­men Erleb­nis schlecht zu schlafen und sich nicht konzen­tri­eren zu kön­nen. Wir zeigen, was hil­ft sich zu beruhi­gen, von den schlim­men Erin­nerun­gen abzu­lenken und sich zu entspran­nen», präzisiert Sara Micha­lik-Imfeld. Also malt die Ther­a­peutin einen Men­schen und erk­lärt, wie Denken, Kör­per­reak­tion und Ver­hal­ten zusam­men­wirken. Mit ein­fachen Sym­bol­en könne dann gezeigt wer­den wo etwas schmerzt oder warum schlimme Erin­nerun­gen im Kopf kreisen. Eine ein­fache Meth­ode, denn sie kommt mit wenig gesproch­en­em Wort aus und Kopfweh oder Schmerzen im Bauch ken­nen keine Nation­al­ität­sun­ter­schiede.

Chance zur Kostenreduktion

Eine grosse Prob­lematik sei, so die Psy­cholo­gin, dass die kör­per­lichen Symp­tome oft nicht dem trau­ma­tis­chen Erleb­nis, ein­er Verge­wal­ti­gung oder ein­er Kriegser­fahrung zuge­ord­net wür­den. Deshalb wür­den die Men­schen erst­mal zum Arzt geschickt oder gin­gen selb­st auf den Not­fall, wenn die Schmerzen nicht aufhörten. «Das ist natür­lich ver­ständlich, aber man kann die Psy­che und den Kör­p­er nicht los­gelöst voneinan­der betra­cht­en. Auf lange Sicht kön­nten medi­zinis­che Kosten und weit­ere Fol­gekosten reduziert wer­den, wenn eine Fach­stelle bei den Flüchtlin­gen eine Abklärung macht und so einord­nen kann, wie es der Per­son geht und ob ein erlebtes Trau­ma für das kör­per­liche Unwohl­sein ver­ant­wortlich ist», zeigt sich Sara Micha­lik-Imfeld überzeugt. Aufk­lärung über Trau­ma­ta und ihre Fol­gen ist also ein wichtiger Bere­ich neben der Einzel- und Grup­penther­a­pie mit den Geflüchteten, denn anders als in Bern, Zürich oder Win­terthur gibt es im Aar­gau keine aus­gewiesene Fach­stelle mit Kom­pe­tenz für Kriegs- und Folteropfer. Das Net­zw­erk Psy4Asyl hat sich mit sein­er Arbeit der­weil aber über die Kan­ton­s­gren­zen hin­weg einen Namen gemacht. «Mit unser­er Grün­dung 2016 waren wir sehr früh mit unserem Angbeot für trau­ma­tisierte Flüchtlinge. Entsprechend gross ist mit­tler­weile unsere Erfahrung und das Inter­esse an dieser Erfahrung», erk­lärt Sara Micha­lik-Imfeld.

Finanziert dank Spenden

Im Aar­gau beste­ht der­weil ein guter Kon­takt mit den Psy­chi­a­trischen Dien­sten Aar­gau und es bieten auch Prax­is­ge­mein­schaften Zeit und Ressourcen an. Zu der direk­ten ther­a­peutis­chen Arbeit und Unter­stützung von Frei­willi­gen, sowie der Aufk­lärungsar­beit gesellt sich immer mehr bürokratis­che Arbeit, denn es ste­ht immer wieder die Frage nach der Finanzierung im Raum. «Ich ver­suche Stiftun­gen davon zu überzeu­gen, das Net­zw­erk zu unter­stützen. Ein gross­es Prob­lem sind die Dol­metscherkosten, denn für eine ther­a­peutis­che Arbeit ist eine gute Ver­ständi­gung sehr zen­tral. Notwendig wäre eigentlich, dass es ein kan­ton­al finanziertes Abklärungs- und Ther­a­pieange­bot geben würde. Doch dafür bräuchte es einen poli­tis­chen Entscheid», sagt Sara Micha­lik-Imfeld und fährt fort: «Bis Ende 2018 kön­nen wir Dank Lot­terie­fonds­geldern und Spenden wenig­stens die Dol­metsch­er bezahlen, doch ich sel­ber arbeite sich­er 20 Prozent ehre­namtlich für das Net­zw­erk und auch andere Kol­legin­nen und Kol­le­gen arbeit­en ohne Bezahlung. Zusät­zlich zur nor­malen Arbeit. Wie es nach 2018 weit­erge­ht ist noch unklar».Später wird sie es noch genau aus­rech­nen: über 700 Arbeitsstun­den im Wert von zir­ka 100‘000 Franken wur­den im Jahr 2017 geleis­tet. Würde jed­er Ein­wohn­er des Kan­tons Aar­gau 15 Rap­pen für eine Trau­maopfer-Fach­stelle spenden, wäre diese für ein Jahr finanziert. Die Energie das alles bei unsicher­er Finanzierung zu stem­men, nährt sich bei Sara Micha­lik-Imfeld aus der Überzeu­gung, dass Men­schen mit Trau­mafolgeströrun­gen geholfen wer­den kann und muss. Nur so könne deren Inte­gra­tion gelin­gen und Fol­gekosten ver­mieden wer­den. Und es kann gelin­gen: Sara Micha­lik-Imfeld erzählt neben schlim­men Geschicht­en auch von jun­gen Flüchtlin­gen, die nach ihrer Ther­a­pie sta­bil sind und Lehr und Arbeitsstellen antreten kon­nten.Mehr Infor­ma­tio­nen über das Net­zw­erk Psy4Asyl. Ver­anstal­tung­sh­in­weis: Kan­tonaler Anlass in BruggAm Sam­stag, 16 Juni 2018, wird in Brugg der zen­trale Anlass zum Kan­tonalen Flüchtlingstag im Aar­gau durchge­führt. Ab 10 Uhr wird an ver­schiede­nen Orten, am Neu­markt, am Platz vor der Neuen Aar­gauer Kan­ton­al­bank, dem Eisi­park und später im Vin­donis­sa-Muse­um ein buntes Pro­gramm präsen­tiert. Dabei ist von Musik, über eine mod­erierte Inter­viewrei­he, eine Velo-Werk­statt und einen Stadtrundgang aus der Aktion «Unten durch» für viele Inter­essierte etwas dabei. Ein gemein­samer öku­menis­ch­er Gottes­di­enst in der katholis­chen Kirche St. Niko­laus beschliesst um 18 Uhr den Tag. Über die Home­page zum Flüchtlingstag Aar­gau find­en Sie nicht nur das aus­führliche Pro­gramm in Brugg, son­dern auch weit­ere Anlässe in anderen Orten.www.fluechtlingstage-aargau.ch
Anne Burgmer
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