Träu­me sind Schäu­me! Oder doch mehr?

Träu­me sind Schäu­me! Oder doch mehr?

Dani­el 7,2a.13b–14Ich, Dani­el, hat­te wäh­rend der Nacht eine Visi­on: Da kam mit den Wol­ken des Him­mels einer wie ein Men­schen­sohn. Er gelang­te bis zu dem Hoch­be­tag­ten und wur­de vor ihn geführt. Ihm wur­den Herr­schaft, Wür­de und König­tum gege­ben. Alle Völ­ker, Natio­nen und Spra­chen müs­sen ihm die­nen. Sei­ne Herr­schaft ist eine ewi­ge, unver­gäng­li­che Herr­schaft. Sein Reich geht nie­mals unter.Ein­heits­über­set­zung 

Träu­me sind Schäu­me! Oder doch mehr?

Im letz­ten Jahr hat­te ich seit Lan­gem mal wie­der einen Traum, der mich – viel zu früh am Mor­gen – wach wer­den liess. Das pas­siert mir in der Regel sehr sel­ten. Ich träum­te, dass ich in einem Restau­rant sass und gemüt­lich einen Kaf­fee trank. Plötz­lich ent­deck­te ich, dass sich mir unter dem Tisch eine gros­se Schlan­ge näher­te und mich angrei­fen woll­te. Ich ent­ging ihrem Angriff und fiel mit dem Stuhl rück­wärts zu Boden, was mich dann wach wer­den liess.Mei­ne Frau wur­de eben­falls wach, und ich erzähl­te ihr ziem­lich ver­wirrt von mei­nem Traum. Lei­der erging es mir nicht so wie Dani­el, dass ich die­sen Traum sogleich irgend­wie deu­ten konn­te. Viel­mehr erin­ner­te ich mich an den Aus­spruch mei­ner Gross­tan­te, wenn ich ihr als Kind von mei­nen Alb­träu­men erzähl­te: Träu­me sind Schäu­me! Und ich ver­gass den Traum wie­der.Ein paar Mona­te spä­ter war ich in eine Situa­ti­on hin­ein­ge­ra­ten, bei der mich ein Kol­le­ge auf eine ziem­lich hin­ter­häl­ti­ge Art und Wei­se in einen Kon­flikt mit hin­ein­zog. Anfäng­lich hat­te ich sei­ne Intri­ge nicht durch­schaut, doch genau zu die­sem Zeit­punkt erin­ner­te ich mich vage dar­an, dass ich Mona­te davor bei ihm zu Besuch war und in der Nacht dar­auf wegen eines Traums auf­wach­te. Nach und nach kamen die Traum­fet­zen im Gespräch mit mei­ner Frau wie­der zum Vor­schein und ich begann mich mit der Bedeu­tung die­ses Traums aus­ein­an­der­zu­set­zen. So bekam für mich der Traum mit der Schlan­ge eine beson­de­re Bedeu­tung, und ich war beson­ders auf der Hut, wenn ich mit die­sem Kol­le­gen zusam­men war. Dies war gut, denn nur dadurch konn­te ich ver­hin­dern, dass ich per­sön­lich in die intri­gan­ten Machen­schaf­ten hin­ein­ge­zo­gen wur­de. Träu­me sind dann doch nicht ein­fach nur Schäu­me, son­dern wol­len uns manch­mal auf etwas vor­be­rei­ten, wovon wir im Inner­sten mög­li­cher­wei­se schon eine Vor­ah­nung haben. Im Guten oder im Schlech­ten, sei mal dahin­ge­stellt.Im Zusam­men­hang mit die­sem Traum­the­ma muss ich unwei­ger­lich an Mar­tin Luther King den­ken und an sei­ne legen­dä­ren Wor­te «I had a dream!». Ich fra­ge mich, war­um er nicht wie Dani­el das Wort Visi­on benutzt hat. Viel­leicht war es ihm zu stark? Denn bei einer Visi­on steht, noch viel stär­ker als beim Traum, die Erwar­tung im Vor­der­grund, dass sich die dar­in geschil­der­ten Ereig­nis­se tat­säch­lich ereig­nen sol­len.Träu­men und Visio­nen wohnt eine eige­ne Kraft inne. Ähn­lich wie bei mei­nem Traum kön­nen sie im rich­ti­gen Moment unser Leben beein­flus­sen oder gar ver­än­dern. Des­halb fin­de ich es wich­tig, dass wir Träu­me und Visio­nen haben, auch im über­tra­ge­nen Sinn. Sie bele­ben unser Leben und sind, gera­de in schwie­ri­gen und tur­bu­len­ten Zei­ten, eine Berei­che­rung des All­tags.Als Kind und als Jugend­li­cher war ich jemand, der viel vor sich her träum­te. Ich träum­te davon, Bau­er zu wer­den, habe dann aber, wie sich spä­ter her­aus­stell­te, zunächst den Traum­be­ruf mei­nes Vaters erlernt. Han­dör­ge­li woll­te ich ler­nen, es war dann, auf gutes Zure­den mei­ner Eltern, Kla­vier, da schon eines im Haus stand. Als Jugend­li­cher war ich stun­den­lang mit mei­ner Foto­ka­me­ra unter­wegs und träum­te davon, wie mein Vor­bild in New York Foto­graf zu wer­den. Ein­mal woll­te ich als Selbst­ver­sor­ger mein Leben mei­stern, jetzt sind es immer­hin 20 Qua­drat­me­ter Gar­ten, die mei­ne Frau und ich «bewirt­schaf­ten».Es geht in mei­nen Augen nicht pri­mär dar­um, dass sich Träu­me und Visio­nen immer bewahr­hei­ten und ver­wirk­li­chen müs­sen. Gar oft gibt es Ent­täu­schun­gen, da die Rea­li­tät dann doch anders aus­sieht. Trotz­dem fin­de ich wich­tig, dass wir Träu­me und Visio­nen haben. Denn die­se brin­gen unser Leben nach vor­ne und sind eine Art «krea­ti­ves Büro», in wel­chem wir die Mög­lich­keit haben, unse­rem Leben uner­war­te­te Rich­tungs­wech­sel zu geben und neue Erfah­run­gen zu ent­locken.Mathi­as Jäg­gi, Theo­lo­ge und Sozi­al­ar­bei­ter, arbei­tet als Berufs­schul­leh­rer und Fachhochschuldozent
Redaktion Lichtblick
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