Sommerserie «Kirche backstage», Teil 3: Nicole Zimmermann, Sakristanin

Sommerserie «Kirche backstage», Teil 3: Nicole Zimmermann, Sakristanin

  • Wer macht eigentlich die Arbeit hin­ter den Kulis­sen der Kirche?
  • Die «Horizonte»-Sommerserie geht «back­stage» und stellt Men­schen vor, die ihre Auf­gabe im Hin­ter­grund erfüllen.
  • Zum Beispiel die Sakris­tanin Nicole Zim­mer­mann, die sich um den beliebtesten Marien­wall­fahrt­sort im Aar­gau küm­mert.

Sakris­ta­ne­nar­beit ist Arbeit im Hin­ter­grund. Kerzen platzieren und anzün­den, Blu­men­schmuck zusam­men­stellen, staub­saugen, wis­chen und Glock­en­läuten gehören zu den Auf­gaben, die vor und nach den Feiern in ein­er Kirche erledigt wer­den müssen.

Noch bess­er ver­steckt als die meis­ten Beruf­skol­legin­nen geht Nicole Zim­mer­mann ihrer Arbeit nach. Ihr Ein­sat­zort, die Kapelle Jonen­tal, ste­ht abseits des Dorfs Jonen, in einem Tal auf ein­er Waldlich­tung am Ufer des Jonen­bachs. Jeden Mor­gen fährt Nicole Zim­mer­mann mit dem Velo von Jonen durch den Wald bis zur Kapelle und schliesst die Türe auf. In den Som­mer­monat­en ist die Kapelle ab mor­gens um 6 Uhr geöffnet für Wan­der­er, Wall­fahrerin­nen und andere Men­schen, die nach Ruhe suchen und Kraft tanken wollen.

Die Leute tragen ihre Sorgen hierher

Die idyl­lisch gele­gene Kapelle am Ufer des Jonen­bachs gehört zu den wichtig­sten Marien­wall­fahrt­sorten im Aar­gau. Eine Mariener­schei­n­ung führte zum Bau der Kapelle, deren Anfänge im 14. Jahrhun­dert liegen. Der heutige Bau ent­stand im 18. Jahrhun­dert. «Viele Men­schen tra­gen ihre Sor­gen hier­her», sagt Nicole Zim­mer­mann. Die Ein­träge im Für­bit­ten­buch zeu­gen davon. Manche Leute beze­ich­nen die Kapelle im Jonen­tal als «Kraftort». «Ich sel­ber bin nicht so ‘gspürig’», sagt Nicole Zim­mer­mann, «doch der Ort hat etwas Beson­deres, son­st kämen nicht so viele Men­schen hier­her.» Nicole Zim­mer­manns «Strichliliste» im Putzschrank ver­rät, dass in der Kapelle pro Monat etwa 300 bis 400 Kerzen angezün­det wer­den.

3 Fragen an Nicole Zimmermann

Was würde passieren, wenn Sie Ihren Job nicht machen wür­den?
Der Pfar­rer käme ins Schleud­ern. Irgend­wann wäre die Kirche staubig, die Kerzen gin­gen aus, die Blu­men ver­welk­ten. Früher oder später gäbe es eine Rekla­ma­tion ans Pfar­ramt.

Was motiviert Sie für diese Arbeit?
Die Dankbarkeit der Men­schen, ihre Offen­heit. Die Flex­bil­ität mein­er Arbeit, ich muss nicht, ich darf.

Woran glauben Sie?
Ich glaube daran, dass jedem Men­schen der Zeit­punkt bes­timmt ist, wann er gehen muss. Ich bin überzeugt, dass jede und jed­er an etwas glaubt, son­st würde es diesen Ort nicht geben.

«Die Dankbarkeit und das Ver­trauen der Men­schen, die hier­herkom­men, gefall­en mir an mein­er Arbeit am besten», sagt die Sakris­tanin. «Wenn ich Arbeit­en rund um die Kapelle ver­richte, passiert es oft, dass mich Leute ansprechen und mir von sich und ihren Sor­gen erzählen.»

Nicole Zim­mer­manns Mann stammt aus Jonen, das Ehep­aar hat in der Kapelle Jonen­tal geheiratet. Die Verbindung der Zim­mer­manns zur Kapelle war also schon länger gegeben. Umso gröss­er war die Freude, als vor rund zwei Jahren der Wun­sch in Erfül­lung ging, ein­mal an diesem schö­nen Ort zu arbeit­en.

Orchideen für Maria

Die gel­ernte Bäck­er-Kon­di­torin und dreifache Mut­ter schätzt es, dass sie ihre Arbeit weit­ge­hend frei ein­teilen kann. Im 30 Prozent-Pen­sum ist sie für den Unter­halt der Kapelle und der Umge­bung zuständig. Genü­gend Opfer­k­er­zli bere­itzustellen, gehört eben­so zu ihren Auf­gaben wie das Pfle­gen der litur­gis­chen Gefässe und Gewän­der, die Ent­ge­gen­nahme von Reser­va­tio­nen und das Arrang­ieren des Blu­men­schmucks. Nicole Zim­mer­mann achtet darauf, dass die Sträusse und Gestecke möglichst saison­al sind und lange hal­ten. Regelmäs­sig find­et die Sakris­tanin Orchideen, die offen­bar von Pil­gerin­nen und Pil­gern ander­er Reli­gion­szuge­hörigkeit – im Hin­duis­mus ist die Orchidee eine begehrte Opfer­gabe – als Gabe für Maria deponiert wer­den: «Diese Orchideen inte­griere ich in den Blu­men­schmuck.»

Das Rasen­mähen und weit­ere Unter­halt­sar­beit­en rund ums Gebäude übern­immt ihr Mann. Die Zufahrt für Trans­porte ist über die Wald­strasse möglich. Manch­mal erledigt Mar­tin Zim­mer­mann solche Fahrten mit dem Trak­tor – und hat damit einen Sym­pa­thiebonus, wie Nicole Zim­mer­mann weiss: «Kommst du mit dem Auto, ern­test du böse Blicke. Kommst du jedoch mit dem Trak­tor, haben die Fuss­gänger Freude und winken dir.»

Den Rhythmus gefunden

Als Sakris­tanin ist Nicole Zim­mer­mann bei jedem Gottes­di­enst dabei, seit einiger Zeit ist sie zudem als Lek­torin tätig. Eben­falls zu ihren Auf­gaben gehört das Glock­en­läuten zum Gottes­di­enst. Vor dem Altar­raum hängt dafür ein Seil von der Decke. «Ein­fach läuten», lautete die Anweisung, die Nicole Zim­mer­mann zu Beginn ihrer Tätigkeit bekam. «Ich hat­te keine Ahnung, in welchem Abstand und wie lange», erin­nert sie sich. Inzwis­chen hat sie ihren Rhyth­mus gefun­den: «Ich ziehe 60-mal am Seil, das Läuten dauert dann etwa eine Minute.»

Maria Himmelfahrt in der Kapelle Jonental

Jeden zweit­en und vierten Sam­stag­mor­gen im Monat find­et in der Kapelle Jonen­tal ein Gottes­di­enst statt. Im Marien­monat Mai herrscht im Jonen­tal Hochbe­trieb: Jeden Son­ntag um 14.30 Uhr find­et eine Marien­an­dacht statt, die jew­eils viele Leute anzieht. Auch im Okto­ber find­en jew­eils am Son­ntag um 14 Uhr Rosenkranzge­bete statt. Ein weit­er­er Höhep­unkt ist der Gottes­di­enst zu Maria Him­melfahrt, der dieses Jahr am Dien­stag, 15. August, um 10 Uhr stat­tfind­et. Dank Nicole Zim­mer­manns Arbeit hin­ter den Kulis­sen wird die Glocke dann 60-mal durchs Tal tönen und zur Feier in der blu­mengeschmück­ten Kirche rufen.

Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben