Schutz vor Diskriminierung spaltet die Christen

Schutz vor Diskriminierung spaltet die Christen

  • Am 9. Feb­ru­ar entschei­den die Schweiz­er Stimm­berechtigten, ob die Anti-Ras­sis­mus-Strafnorm um die sex­uelle Ori­en­tierung erweit­ert wer­den soll.
  • Die Vor­lage entzweit die Chris­ten in der Schweiz, die Gräben ziehen sich quer durch das katholis­che und das reformierte Lager.
  • Die Aar­gauer Kirchen­rat­spräsi­den­ten beziehen pointiert Stel­lung für den Schutz vor Diskri­m­inierung.
 Wird die Vor­lage «Ver­bot der Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung» am 9. Feb­ru­ar 2020 angenom­men, wird for­t­an nicht nur die «Diskri­m­inierung und der Hass wegen Rasse, Eth­nie oder Reli­gion» strafrechtlich ver­fol­gt wer­den, son­dern auch die Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung.

Für Bischöfe ist Positionsbezug heikel

An ihrer Vol­lver­samm­lung von Anfang Dezem­ber beschlossen die Schweiz­er Bis­chöfe, keine Empfehlung abzugeben. Dies mit gutem Grund, wie Erwin Tan­ner, Gen­er­alsekretär der Schweiz­erischen Bischof­skon­ferenz, an der Medienori­en­tierung erk­lärte: «Spricht sie (die Kirche, Red.) sich für die Recht­snormer­weiterung aus, wird nach dem Ver­hal­ten im eige­nen Kreis gefragt. Spricht sie sich dage­gen aus, wird sie als homo­phob hingestellt.»

Reicht die Kraft der Zivilgesellschaft

Das Insti­tut für Sozialethik «Ethik22» bietet zu nationalen Vor­la­gen jew­eils eine Über­sicht und eine sozialethis­che Ori­en­tierung an. Zur aktuellen Vor­lage schreibt der Insti­tut­sleit­er Thomas Wal­li­mann: «Aus ethis­ch­er Sicht ist der Sachver­halt klar. Wer sich an der Men­schen­würde als Fun­da­ment der Ethik ori­en­tiert, kann keine Diskri­m­inierung von Men­schen tolerieren.» Die für die Abstim­mung entschei­dende Frage laute darum viel mehr, «ob und wie dies im Recht fest­geschrieben wer­den soll.»Thomas Wal­li­mann betont, dass Zivil­courage und zivilge­sellschaftlich­es Engage­ment von Einzelper­so­n­en und Grup­pen uner­lässlich seien, um moralis­che Hal­tun­gen ein­er Gesellschaft zu stärken: «Das Recht kann den Bürg­ern diese Ver­ant­wor­tung nicht abnehmen.» Bezo­gen auf die vor­liegende Strafnormer­weiterung stelle sich die Frage, ob die Kraft der Zivilge­sellschaft aus­re­iche, um Diskri­m­inierung einzuschränken, oder «ob das Gesetz ein­sprin­gen und die bish­erige ‚rote Lin­ie’ zu diesem Tatbe­stand weit­erziehen muss.

Aargauer Kirchenratspräsidenten stehen für Schutz ein

Die Römisch-Katholis­che Kirche im Aar­gau äussert sich nicht zur nationalen Abstim­mung. Auf Anfrage weist Kirchen­rat­spräsi­dent Luc Hum­bel darauf hin, dass er Ende let­zten Jahres als Noch-Präsi­dent der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz per­sön­lich Stel­lung bezo­gen habe: Auf der Web­seite des Komi­tees «Ja zum Schutz vor Hass» ste­ht sein State­ment: «Beden­klich ist, dass es dieses Gesetz im 21. Jahrhun­dert noch braucht. Weil dem aber so ist, sage ich überzeugt ja!»Auf der gle­ichen Web­seite spricht sich auch der Kirchen­rat­spräsi­dent der Reformierten Lan­deskirche Aar­gau, Christoph Weber-Berg, für den Schutz aus: «Gle­ichgeschlechtlich liebende und lebende Men­schen sind auch in unserem Land heute noch von Diskri­m­inierung, Het­ze und Her­ab­set­zung betrof­fen, vom Gesetz aber kaum dage­gen geschützt. Hier braucht es ein klares Zeichen des Geset­zge­bers: Diskri­m­inierung, Het­ze und Her­ab­set­zung von Men­schen auf­grund ihrer sex­uellen Ori­en­tierung muss expliz­it ver­boten sein.» Eine offizielle Stel­lung­nahme gibt die Reformierte Lan­deskirche Aar­gau nicht ab. Die Evan­ge­lisch-reformierte Kirche Schweiz befür­wortet die Erweiterung (siehe weit­er unten).

Churer Weihbischof befürchtet Gerichtsurteile

Auf der Web­seite der Stiftung Zukun­ft CH sprach sich der Chur­er Wei­h­bischof Mar­i­an Ele­gan­ti gegen das rev­i­dierte Gesetz aus. «Jet­zt sollen wir auf­grund von Antidiskri­m­inierungs­ge­set­zen auch noch durch Gericht­surteile zum Schweigen gebracht – und bestraft wer­den», schrieb er.

Evangelisch-reformierte Kirche sagt JA – Evangelikale NEIN

Ges­pal­ten ist auch das protes­tantis­che Lager. «Ja zum erweit­erten Schutz vor Diskri­m­inierung» titelte die Evan­ge­lisch-reformierte Kirche Schweiz (EKS) in ihrer Mit­teilung vom 7. Jan­u­ar. Sie ver­tritt die Mehrheit der evan­ge­lisch-reformierten Kirchge­mein­den und Lan­deskirchen sowie die Methodis­tis­chen Kirchen der Schweiz. «Wer­den Men­schen gezielt her­abge­set­zt und diskri­m­iniert, ver­let­zt dies ihre Würde als Geschöpfe Gottes», erk­lärt die EKS.

Ehe von Mann und Frau privilegieren

Die Nein-Parole beschlossen hat hinge­gen der Vor­stand der Schweiz­erischen Evan­ge­lis­chen Allianz (SEA), der evan­ge­lisch-freikirch­liche und evan­ge­lisch-reformierte Gemein­den und Organ­i­sa­tio­nen ange­hören. Die erweit­erte Anti-Ras­sis­mus-Strafnorm sei «prob­lema­tisch und über­flüs­sig». Die SEA betont in der Mit­teilung, sie verurteile jegliche Form von Hass und Gewalt gegenüber Men­schen jeglich­er sex­ueller Ori­en­tierung. Es müsse aber weit­er­hin bedenken­los möglich sein, gemäss dem Ver­ständ­nis der Bibel, eine kri­tis­che Hal­tung zu gewis­sen Lebensstilen zu vertreten und für die Priv­i­legierung der Ehe von Mann und Frau gegenüber anderen Part­ner­schafts­for­men einzutreten.

Schwule Seelsorger sind für die Erweiterung

Für eine Erweiterung des Anti-Ras­sis­mus-Geset­zes ist der Vere­in Adamim — Schwule Seel­sorg­er Schweiz. «Im Umfeld unser­er seel­sorg­er­lichen Erfahrung tre­f­fen wir in let­zter Zeit immer wieder homo­sex­uelle Opfer von ver­balen oder kör­per­lichen Über­grif­f­en an.»Das bestätigt Susanne Andrea Birke aus Zürich. Die «frauen*liebende» The­olo­gin befind­et sich momen­tan in ein­er län­geren Auszeit. Sie ken­nt Beispiele von Diskri­m­inierung aus ihrem nahen Umfeld: «Sich als gle­ichgeschlechtlich­es Paar öffentlich zu zeigen, kann auch in der Schweiz gefährlich sein.» In kirch­lichen Kreisen seien ihr wieder­holt Kon­ver­sion­s­ther­a­pi­en, welche Homo­sex­uelle «umpolen» wollen, begeg­net. «Vor ein paar Jahren rief mein dama­liger Chur­er Bischof – ich lebe in Zürich – in einem Hirten­brief Homo­sex­uelle dazu auf, nicht an der Eucharistie teilzunehmen, son­dern sich seg­nen zu lassen.»

Übergriffe: vom Gebet bis zur Porno-Website

Diskri­m­inierung erlebte Susanne Andrea Birke auch per­sön­lich: «Mir wurde von einem Arbeit­skol­le­gen schon gesagt, dass Schwule und Les­ben nicht nor­mal seien oder mir wurde nahe gelegt, dass ich mich doch behan­deln lassen solle. Es gab Men­schen, die unge­fragt dafür beteten, dass ich auf den ihrer Mei­n­ung nach richti­gen Weg finde», berichtet sie. Let­zten Som­mer wurde sie durch eine ‚Google­bombe’ attack­iert: «Wer mich googelte, fand zuerst ein­mal eine ganze Rei­he pornografis­ch­er Seit­en, in denen meine drei Namen in Les­ben­pornos einge­baut waren.»

Die christliche Botschaft spricht gegen Hass und Hetze

Bar­bara Kück­el­mann ist Pas­toralver­ant­wortliche des Bis­tums Basel und Ansprech­per­so­n­en für den «Arbeit­skreis Regen­bo­gen­pas­toral».  Mit der Grün­dung im Jahr 2016 set­zte das Bis­tum Basel ein Zeichen gegen die Diskri­m­inierung auf­grund der sex­uellen Ori­en­tierung.Vom Arbeit­skreis Regen­bo­gen­pas­toral gibt es keine offizielle Erk­lärung zur nationalen Abstim­mung, wie Bar­bara Kück­el­mann sagt. In ihrer Funk­tion als Pas­toralver­ant­wortliche nimmt sie jedoch Stel­lung zum The­ma. Mit dem Anti-Ras­sis­mus-Gesetz sei die Aus­sage der Schweiz­er Stimm­bevölkerung ver­bun­den «Wir wollen nicht ras­sis­tisch sein», erk­lärt sie. Die Ausweitung auf die sex­uelle Ori­en­tierung würde nun den Schritt hin zu der Aus­sage bedeuten: «Wir möcht­en die Lebenssi­t­u­a­tion homo- oder bisex­ueller Men­schen so gewicht­en, dass wir sie nicht diskri­m­inieren. Und ja: wir wollen Het­ze unter Strafe stellen.» Die christliche Botschaft spreche sich gegen jegliche Form von Hass und Diskri­m­inierung aus: «Die Stimm­berechtigten kön­nen Abstim­mungs­fra­gen nach diesem Massstab abwä­gen.»
Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben