Schritt für Schritt zu einer neuen Kirche

Schritt für Schritt zu einer neuen Kirche

  • Das Gebet «Schritt für Schritt» bit­tet um Verän­derung in der Kirche,  für Gle­ich­berech­ti­gung und gegen Diskri­m­inierung.
  • Bere­its wird das Gebet in rund 30 Pfar­reien und Gemein­schaften im In- und Aus­land regelmäs­sig gebetet.
  • Die Gebets-Ini­tia­tive ging von vier The­ologin­nen aus, darunter die Pri­or­in des Klosters Fahr, Irene Gassmann.
  • Ver­gan­genen Don­ner­stag besuchte die Aar­gauer Lan­deskirche mit Inter­essierten die Kom­plet im Kloster Fahr, wo die Gebetsini­tia­tive im Feb­ru­ar ihren Anfang genom­men hat­te.
 Der Weg zu Verän­derung in der Kirche führt über die Auto­bahn. «Rich­tung Zürich, Aus­fahrt Urdorf Nord», kündigt der Chaf­feur an und startet den Motor. Ein gutes Dutzend Frauen und Män­ner sitzt in seinem Bus, der vom Bahn­hof Brugg ins Kloster Fahr fährt.

Initiantinnen um Priorin Irene

Seit dem 14. Feb­ru­ar beten die Benedik­tiner­in­nen im Kloster Fahr jeden Don­ner­stag das Gebet «Schritt für Schritt». Pri­or­in Irene Gassmann sowie die The­ologin­nen Dorothee Beck­er, Anne Burgmer und Jea­nine Kosch hat­ten gemein­sam die Ini­tia­tive zum Gebet ergrif­f­en. Es lädt die Men­schen ein, wöchentlich um Verän­derung in der Kirche und um Mut und Zuver­sicht für den eige­nen Weg mit der Kirche zu beten.

Gemeinsame Busfahrt

Die römisch-katholis­che Kirche im Aar­gau ste­ht überzeugt hin­ter den Gebet­san­liegen. Kirchen­rat­spräsi­dent Luc Hum­bel habe die gemein­same Fahrt ins Fahr angeregt – um Unter­stützung zu zeigen, aber auch, damit sich die Mitreisenden inspiri­eren lassen und vielle­icht in der eige­nen Pfar­rei das Don­ner­stags­ge­bet ein­führen, erk­lärt Esther Kuster, Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortliche der Lan­deskirche.

Nicht bloss klagen

Die Män­ner und Frauen im Bus kom­men aus ver­schiede­nen Pfar­reien im Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch. Roland Nach­baur aus Lup­fig, Syn­oden­mit­glied, fährt mit «weil man nicht nur über den Zus­tand der Kirche kla­gen, son­dern ver­suchen sollte, etwas zu ändern.» Chris­tine Huber aus Geben­storf betet «Schritt für Schritt» wöchentlich in der Med­i­ta­tion in ihrer Pfar­rei. Sie freut sich, das Gebet nun dort zu erleben, wo es seinen Anfang nahm.

Bewegende Feier, klare Worte

Die Kom­plet im Kloster Fahr bewegt. In fünf Abschnit­ten find­et der Text «Schritt für Schritt» klare Worte für den Macht­miss­brauch, die fehlende Gle­ich­berech­ti­gung der Frauen und die Diskri­m­inierung Homo­sex­ueller inner­halb der Kirche. Zur Sprache kommt auch das hart­näck­ige Ver­har­ren im Ist-Zus­tand, welch­es viele Gläu­bige an ihrer Kirche verzweifeln lässt. «Gott, du unser Vater und unsere Mut­ter, wir alle wis­sen, wie es um unsere Kirche ste­ht. Unrecht geschah und geschieht, Macht wurde und wird miss­braucht». Zwei Schwest­ern beten die Abschnitte im Wech­sel. Dazwis­chen erklingt das «Kyrie elei­son» und Weihrauch steigt zur Kirchen­decke.

«Wenn nichts mehr hilft…»

Die Idee, Verän­derun­gen Schritt für Schritt auf kon­tem­pla­tivem Weg zu erre­ichen, war auf­grund ver­schieden­er Denkanstösse gereift. So hat­te eine Besucherin im Kloster Fahr im Gespräch über die Ohn­macht angesichts der skan­daler­schüt­terten Kirche gemeint: «Wie war das denn sein­erzeit mit diesen Mon­tags­ge­beten in der DDR?» Später habe Bischof Felix Gmür bei der Vernissage des Buch­es über das Pro­jekt «Für eine Kirche mit* den Frauen» angeregt, es nicht bei ein­ma­li­gen Aktio­nen zu belassen, son­dern das The­ma Gle­ich­stel­lung auch kon­tem­pla­tiv weit­erzu­ver­fol­gen. Den Entschluss der Ini­tiantinnen, auf das Gebet zu set­zen, hat­te Pri­or­in Irene Gassmann gegenüber kath.ch unter anderem begrün­det mit: «Wenn alles nichts mehr nützt, bleibt das Gebet.»

Aus dem Herz der Kirche

Markus Wentink, seit Anfang Jahr Mitar­beit­er der Fach­stelle Bil­dung und Prop­stei, begleit­ete die Fahrt ins Fahr. Er attestiert der Gebetsini­tia­tive eine grosse Strahlkraft: «Pri­or­in Irene Gassmann ist glaub­würdig und wirkt aus dem Herz der Kirche her­aus.» Bere­its wird das Gebet in rund 20 Schweiz­er sowie zehn deutschen Kirchen und Klöstern gebetet. Das Kloster Ein­siedeln aber, das mit dem Fahr ein Dop­pelk­loster bildet, betet «Schritt für Schritt» nicht. «Wir nehmen das Anliegen des Klosters Fahr mit dem ‚Gebet am Don­ner­stag’ jew­eils in den Für­bit­ten der Ves­per am Don­ner­stag auf, sodass wir auf diese Weise mit dieser entste­hen­den Gebets­ge­mein­schaft ver­bun­den sind», erk­lärt der Infor­ma­tions­beauf­tragte des Klosters Ein­siedeln, Pater Lorenz Moser, auf Anfrage. Das mache Ein­siedeln auch mit anderen Anliegen so, die an die Gemein­schaft herange­tra­gen wür­den. Das Kloster Ein­siedeln ver­passt damit die Gele­gen­heit, ein entsch­iedenes Zeichen der Sol­i­dar­ität mit dem Schwest­erk­loster zu set­zen.

Das Gebet breitet sich aus

Obwohl Pri­or­in Irene aus ihrer Ent­täuschung kein Geheim­nis macht, freut sie sich lieber über die pos­i­tive Res­o­nanz, die das Gebet aus­gelöst hat. Die bre­ite Unter­stützung stärke sie und ihre Mitschwest­ern, sagt sie beim Apéro. Zu Beginn der Feier hat­te sie wiederum die Namen von drei Pfar­reien ver­lesen kön­nen, die neu eben­falls mit­beten.

«Genau das hört jetzt auf»

Bei den Gästen aus dem Pas­toral­raum Region Brugg-Windisch stösst das Gebet «Schritt für Schritt» auf Anklang. «Stark, dass so deut­liche Worte gewählt wur­den», find­et eine junge Frau. Deut­liche Worte wählten die Ini­tiantinnen auch angesichts der – über­wiegend männlichen – Ver­suche, das Gebet inhaltlich und for­mal zu kri­tisieren. In ein­er Bestandesauf­nahme nach den ersten zwei Monat­en hal­ten sie auf der offiziellen Web­seite fest: «Wir haben das Gebet bewusst so und nicht anders for­muliert. Es entspricht dem, was wir aus unseren jew­eili­gen Erfahrun­gen und Posi­tio­nen her­aus vor Gott leg­en wollen […]. Uns Frauen wurde in der katholis­chen Kirche lange genug gesagt, wie es richtig geht und genau das hört jet­zt auf.» Näch­ste Fahrt am 23. Mai 2019Jeden Don­ner­stag um 19.30 Uhr beten die Schwest­ern im Kloster Fahr in der Kom­plet um Verän­derung in der Kirche. Bere­its hat sich das Gebet «Schritt für Schritt» an rund 30 Orten in der Schweiz, in Deutsch­land und Lux­em­burg ver­bre­it­et, auch drei Aar­gauer Pfar­reien beten schon mit. Weit­ere Pfar­reien im Kan­ton pla­nen, das Gebet einzuführen. Eine laufend aktu­al­isierte Liste aller Gebet­sorte find­en Sie auf der offiziellen Web­seite. Am Don­ner­stag, 23. Mai, um 18.30 Uhr bietet die röm.-kath. Kirche im Aar­gau Inter­essierten noch ein­mal die Möglichkeit, mit dem Bus von Brugg ins Kloster Fahr zum Gebet «Schritt für Schritt» zu fahren. Anmel­dung an:www.gebet-am-donnerstag.ch
Marie-Christine Andres Schürch
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