Der grassierende Mangel an Seelsorgenden bringt Veränderungen in der Gestaltung des Glaubenslebens. Diesen Herausforderungen begegnet das Bistum Basel mit dem Pastoralen Entwicklungsplan (PEP) und grösseren Seelsorge-Einheiten. Im Interview mit Horizonte nehmen Christoph Sterkman und Gabriele Tietze vom Bischofsvikariat der Bistumsregion St. Urs (Aargau und beide Basel) Stellung zu dieser Entwicklung.Im Kanton Aargau befremden die teils ungleich grossen Seelsorge-Einheiten. Während im Raum Baden ein Pastoralraum mit über 20 000 Tausend Gläubigen entsteht, wird sich in unmittelbarerer Nachbarschaft mit Turgi, Birmenstorf und Gebenstorf eine Seelsorge-Einheit (AG 8) finden, welche gegen 4 000 Gläubige beheimatet. Wieso diese Unterschiede, Herr Sterkman? Der Pastoralraum «AG 8» fällt ja in ihre Zuständigkeit.
Christoph Sterkman: Wir dürfen nicht vergessen, dass das zwei unterschiedlich organisierte Räume sind. In Baden haben wir einen Raum vom Leitungstyp A, in welchem drei gleichberechtigte Seelsorge-Teams agieren. In Turgi, Gebenstorf und Birmenstorf haben wir die Struktur Typ B für kleinere Gebiete, also einen Raum mit einem Seelsorgeteam. Es ist richtig, dass dem «AG 8« ursprünglich drei Leitungspersonen zugestanden worden sind. Doch es zeigte sich, dass sich dies in Anbetracht der Grössenverhältnisse nicht rechtfertigen liess.Kritiker sagen nun, das Bistum habe mitten im Spiel die Regeln geändert.
Christoph Sterkman: Ich verstehe diese Kritik. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Planung der Pastoralräume bereits vor etlichen Jahren erfolgte und es doch nur normal ist, dass im Laufe eines Prozesses Anpassungen erfolgen. Früher hat man eher zu kleinräumig konzipiert, was in Einzelfällen zu Anpassungen geführt hat.
Gabriele Tietze: Der Kontrast zu Baden ist natürlich augenfällig, wobei wir auch in Baden einen Spezialfall haben. Das war eine politische Geschichte. Es sah ja einmal so aus, als würde Neuenhof von Baden eingemeindet werden, was dann doch nicht geschehen ist. Daraufhin wurde der Richtplan überprüft und angepasst.In seinem jüngsten Rundschreiben an die mit einer «Missio canonica» beauftragten Seelsorgenden im Bistum Basel hat Bischof Felix Gmür erklärt, er werde die Struktur der Pastoralräume in jenen Regionen festlegen, wo dies nicht bis Ende Jahr von selbst erfolgt.
Christoph Sterkman: Das bezieht sich nur auf die strukturelle Festlegung.
Gabriele Tietze: Nicht aufs PersonalIm Brief heisst es aber auch klar, dass bei der Pastoralraumbildung verschiedene Seelsorgende ihre leitende Funktion verlieren werden.
Christoph Sterkman: Das ist richtig. Der Brief weist darauf hin, dass es durch die strukturellen Anpassungen in den geplanten Räumen nicht mehr gleich viele Leitungsstellen geben wird.Mancherorts wird befürchtet, dass in diesem Zusammenhang kritische, nicht unbedingt «linientreue» Seelsorger übergangen werden.
Christoph Sterkman: Es ist ja nicht so, dass wir einen Überfluss an Seelsorgenden mit Leitungskompetenz haben. Das heisst: Wer jetzt schon Leitungskompetenz hat, muss sich nicht unbedingt Sorgen machen.
Gabriele Tietze: Bei der Vergabe der Stellen wird klar auf Leitungskompetenz und Leitungserfahrung geschaut. Kritische Seelsorgeteams können durchaus lebendig sein.
Christoph Sterkman: Sie können manchmal auch veränderungsresistent sein.Nach welchen Kriterien wird denn überhaupt entschieden, ob es einen «A‑Raum» mit mehreren oder einen «B‑Raum» mit nur einem Seelsorgeteam gibt?
Christoph Sterkman: Das versucht man im Dialog zu klären.Oder dann entscheidet der Bischof. Wo könnte das denn im Aargau der Fall sein?
Christoph Sterkman: Das ist schwer abzuschätzen.Für Gesprächsstoff sorgen immer wieder auch die Folgen der Pastoralraumbildung. Konkret geht es um die Sakramentenspendung, die Taufe beispielsweise. Seitens des Bistums heisst es klar, man wolle künftig in Richtung Gemeinschaftstaufen gehen. Dies gefährde jedoch den Aufbau einer örtlich gebundenen Familienpastoral, heisst es immer wieder von Seelsorgenden.
Christoph Sterkman: Ich glaube vielmehr, dass die Gemeinschaftstaufen eine Chance für den Aufbau einer guten Familienpastoral sind. Beispielsweise mit gemeinsamen Vorbereitungstreffen in den jeweiligen Gemeinden. Da gibt es Vernetzungsmöglichkeiten für die Tauffamilien.Und wie sieht es in Zukunft mit der Krankensalbung aus? Wenn es pro Pastoralraum beispielsweise nur noch einen Priester gibt, und nicht einmal mehr das mit Sicherheit garantiert werden soll, dann dürfte es wohl kaum noch Krankensalbungen geben. Und das zu einer Zeit, in der immer mehr Gläubige im fortgeschrittenen Alter leben.
Christoph Sterkman: Das könnte auch eine Chance sein, das Sakrament der Krankensalbung nach seinem eigentlichen Sinn als stärkendes Sakrament für die Krankheit und nicht als «letzte Ölung» zu praktizieren, indem dieses Sakrament frühzeitig in der Gemeinschaftsfeier vollzogen wird.Und wie sieht es bei der Beichte aus?
Christoph Sterkman: Was die traditionelle Einzelbeichte betrifft, so haben wir in unserem Kulturkreis seit den 1970er-Jahren einen starken Rückgang erlebt.
Gabriele Tietze: Was das Beichtangebot angeht, haben auch die Klöster eine wichtige Funktion schon seit längerem, wenn sich das Beichtangebot vor Ort ausdünnt. Heute ist es eher so, dass beispielsweise die Leute im Raum Basel zum Beichten nach Mariastein fahren, als dies beispielsweise in der eigenen Pfarrei zu tun.