Römisches Schweigen und schweizerisches Warten
Schweizergarde im Einsatz auf dem Platz vor St. Peter in Rom
© wikimedia

Römisches Schweigen und schweizerisches Warten

Fünf Mitgliedern der Schweizer Bischofskonferenz wird Vertuschung vorgeworfen. Warum die Schweizer Kirche mit Bangen nach Rom schaut und das Urteil bis Ende Jahr vorliegen muss, erfahren Sie im Artikel von Annalena Müller, Chefredaktorin des «pfarrblatt» Bern.

Die Vor­würfe waren mas­siv. Fünf Mit­glieder der Schweiz­er Bischof­skon­ferenz (SBK) sollen Miss­brauchs­fälle ver­tuscht haben. Dem Abt von St. Mau­rice, der sich aktuell im Aus­stand befind­et, wird selb­st Miss­brauch vorge­wor­fen. Erhoben hat sie Nico­las Bet­tich­er in einem Schreiben an Nun­tius Mar­tin Krebs im Mai 2023. Bet­tich­er, heute Pfar­rer der Bern­er Pfar­rei Brud­er Klaus, war früher Gen­er­alvikar des Bis­tums Lau­sanne, Genf und Freiburg.

Unter den Augen der Öffentlichkeit

Nach Erhalt des Briefs schal­tet Nun­tius Krebs den Vatikan ein, der wiederum im Juni den Chur­er Bischof Joseph Maria Bon­nemain mit der Unter­suchung der Vor­würfe beauf­tragt. In den Fol­ge­monat­en befragt Bischof Bon­nemain die Beschuldigten und hört Zeu­gen an.

Nor­maler­weise bekommt die Öffentlichkeit von solchen Unter­suchun­gen nichts mit. Die römis­che Kom­mu­nika­tion­spoli­tik ist tra­di­tionell restrik­tiv. Oder, präzis­er gesagt, nicht vorhan­den. Dass der Schweiz­er Fall anders ist, liegt daran, dass der Brief von Nico­las Bet­tich­er dem «Son­ntags­Blick» in die Hände fiel – und dieser aus­giebig daraus zitierte.

Auf­grund des fol­gen­den öffentlichen Auf­schreis schal­tete sich die Römisch katholis­che Zen­tralkon­ferenz (RKZ) ein. Der Dachver­band der Lan­deskirchen stellte Bischof Bon­nemain einen Juris­ten und eine Juristin an die Seite, welche die Unter­suchung gemein­sam mit dem Bischof führten. So sollte ein­er möglichen Befan­gen­heit des Chur­er Bischofs vorge­beugt und Ver­trauen gewon­nen wer­den.

Warten auf Rom

Im Jan­u­ar 2024 reist der Bischof per­sön­lich nach Rom, wo er den gut 1800 Seit­en umfassenden Unter­suchungs­bericht den zuständi­gen Behör­den übergibt. Sei­ther wartet die Schweiz auf das Urteil des Vatikans.

Die Mühlen der römis­chen Kirchen­jus­tiz mahlen langsam. Das zuständi­ge Dikas­teri­um ist notorisch über­lastet, schliesslich lan­den Unter­suchungs­berichte aus der ganzen Welt in der vatikanis­chen Zen­trale, wo sie studiert und nach dem Kirchen­recht aus­gew­ertet wer­den müssen. Es ist daher gut möglich, dass noch kein Urteil vor­liegt.

Im Bis­tum Chur rech­net man nicht mit einem Update. Bis­tumssprecherin Nicole Büchel schreibt auf Anfrage des Bern­er «pfar­rblatt», Bischof Bon­nemain «erwartet wed­er eine Infor­ma­tion über den aktuellen Stand, noch einen Auf­trag, das Ergeb­nis zu kom­mu­nizieren. Ansprech­per­son wäre in diesem Fall Nun­tius Mar­tin Krebs.»

Dass auch der Nun­tiatur noch kein Urteil vor­liegt, geht aus der Antwort von Marin Krebs her­vor: «Ich darf Sie ver­sich­ern, dass die Ver­ant­wortlichen sich inten­siv mit den Schlussfol­gerun­gen beschäfti­gen, die aus der Vorun­ter­suchung zu ziehen sind. Der Hl. Stuhl wird in dieser Angele­gen­heit zu gegeben­er Zeit und aus eigen­er Ini­tia­tive her­aus kom­mu­nizieren und nicht als Antwort auf Medi­en­an­fra­gen.»

Wie genau eine solche Kom­mu­nika­tion ausse­hen wird – und ob sie direkt von der Nun­tiatur erfol­gen oder von dieser an die SBK delegiert wird, war nicht in Erfahrung zu brin­gen. Eine entsprechende Anfrage an die Kom­mu­nika­tions­beauf­tragte der Bischof­skon­ferenz blieb unbeant­wortet.

SBK braucht dringend Antwort

So bleibt der Schweiz­er Kirche auch mehr als ein Jahr nach Bekan­ntwer­den der Vor­würfe nur das Warten auf Rom und das Hof­fen auf eine proak­tive Kom­mu­nika­tion. Übri­gens dürfte man auch in Fri­bourg mit einiger Ungeduld nach Rom schauen. Ende Jahr ste­ht dort die Neuwahl des SBK-Prä­sid­i­ums an.

Nach zwei Amt­szeit­en muss der amtierende Präsi­dent, Felix Gmür, im Jan­u­ar 2025 eigentlich abtreten. Das Prob­lem: drei sein­er möglichen Nach­fol­ger – näm­lich Jean-Marie Lovey, Charles Morerod und Alain de Rae­my – waren Gegen­stand von Bon­nemains Ermit­tlun­gen.

Es ist anzunehmen, dass die SBK nur Kan­di­dat­en erwä­gen wird, gegen die keine Vor­würfe im Raum ste­hen. Und dafür braucht die SBK bis Ende Jahr entwed­er ein römis­ches Urteil oder schnell eine Nach­folge auf dem St. Galler Bischof­s­sitz.

Annalena Müller
mehr zum Autor
nach
soben