Renata Asal-Steger: «Zuhören allein reicht nicht aus»

Renata Asal-Steger: «Zuhören allein reicht nicht aus»

  • Die Präsi­dentin der Römisch-Katholis­chen Zen­tralkon­ferenz nahm als Online-Delegierte an der Prager Syn­ode teil.
  • Sie set­zt sich ein für eine Dezen­tral­isierung der römisch-katholis­chen Kirche mit der Schweiz als Vor­bild.
  • Mehr zur Kon­ti­nen­tal­syn­ode in Prag lesen Sie im Tage­buch von Tat­jana Dis­teli sowie im Bericht über die Online-Del­e­ga­tion in Wis­likofen.

Wie lief der Aus­tausch in den inter­na­tionalen Online-Arbeits­grup­pen in den ver­gan­genen zwei Tagen?
Rena­ta Asal-Ste­ger: Wir sind eine Gruppe von zehn Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmern aus ver­schiede­nen deutschsprachi­gen Län­dern. Am zweit­en Tag war in den Diskus­sio­nen bere­its eine gewisse Ver­trautheit spür­bar. Von Anfang an habe ich in der Gruppe eine grosse Offen­heit wahrgenom­men.

Denken die Teil­nehmerin­nen und Teil­nehmer Ihrer Aus­tauschgruppe ähn­lich?
In unser­er Gruppe tanzt nie­mand vol­lkom­men aus der Rei­he. Die Zusam­menset­zung ist vielfältig, und ich erlebe einen inten­siv­en, ermuti­gen­den Aus­tausch über die Lan­des­gren­zen hin­weg. Das stärkt. Bischof Kohlgraf aus Mainz hat beteuert, wie wichtig ihm die Begeg­nun­gen mit Men­schen gewor­den sind, mit denen er nicht ohne weit­eres ins Gespräch kom­men würde. Dabei lerne er viel.

Ich fände es gut, wenn sich die Bischof­skon­feren­zen mehr ver­net­zen, sich gegen­seit­ig unter­stützen und – wo möglich und sin­nvoll – einen gemein­samen Weg gehen wür­den. Ein solch­es Miteinan­der ver­misse ich.

Welchen Auf­trag haben die Aus­tauschgrup­pen?
Heute sprachen wir über die Span­nun­gen und Diver­gen­zen in den ver­schiede­nen Län­der­bericht­en. Dort wur­den die unter­schiedlichen Auf­fas­sun­gen von Syn­odal­ität sehr deut­lich.

In der Arbeits­gruppe waren wir uns einig, dass die mor­gendlichen Gottes­di­en­ste, welche in Prag stat­tfind­en und live über­tra­gen wer­den, kaum etwas mit Syn­odal­ität zu tun haben. Da sitzen die Klerik­er jew­eils in den ersten Rei­hen, die übri­gen Delegierten hin­ten. Mich per­sön­lich schmerzt ein solch­es Bild. Und ich stelle mir dann die Frage, wie ernst Syn­odal­ität gemeint ist.

Wir alle haben uns über die Infor­ma­tion gewun­dert, dass es ein zweites Abschluss­doku­ment geben soll, das auss­chliesslich von den Bis­chöfen ver­fasst wird. Das scheint vorher nie­mand gewusst zu haben. Das irri­tiert. Ein solch­es Vorge­hen ste­ht meines Eracht­ens im Wider­spruch zu einem syn­odalen Vorge­hen.

Aber jede Kon­ti­nen­tal­syn­ode organ­isiert sich selb­ständig. So soll Europa die einzige Syn­ode sein, bei welch­er die Bis­chöfe die let­zten zwei Tage alleine unter sich berat­en.

Einan­der zuhören – das wurde in den Voten immer wieder gefordert – was sagen Sie dazu?
Ich höre viele Voten, die in blu­mi­gen Worten vor­ge­tra­gen wer­den. Und eben­so höre ich viele the­ol­o­gis­che Begriffe und Konzepte.

Einan­der Zuhören ist ein zen­traler Aspekt im syn­odalen Prozess und gar nicht ein­fach. Aber Zuhören allein reicht nicht aus. Es müssen Tat­en fol­gen. Die Zeit drängt.

Was macht das Zuhören in dieser Syn­ode mit Ihnen?
Das Arbeitspa­pi­er «Mach den Raum deines Zeltes weit» hat mir Zuver­sicht gegeben. Es wird deut­lich, dass die Men­schen weltweit die gle­ichen Fra­gen stellen, die gle­ichen Her­aus­forderun­gen sehen. In der Kon­ti­nen­tal­syn­ode höre ich viel Gemein­sames neben all der Ver­schieden­heit, die zum Aus­druck kommt.

Es stellt sich die Frage, ob weltweit alles gle­ich sein muss oder ob die Ver­schieden­heit in unser­er Kirche nicht auch ein Reich­tum ist? Ich spreche mich für eine Dezen­tral­isierung aus. Damit haben wir in der Schweiz­er Kirche ja schon viele pos­i­tive Erfahrun­gen gemacht.

Was war im Aus­tausch für Sie bish­er am über­raschend­sten?
Mich über­raschen die immer wieder deut­lich spür- und hör­baren unter­schiedlichen Ver­ständ­nisse von Syn­odal­ität. Diese Fest­stel­lung irri­tiert mich und lässt mich rat­los zurück. Gle­ichzeit­ig gibt es drän­gende Fra­gen, die wir als katholis­che Kirche ange­hen müssen. Nur so haben wir die Chance, eine lebendi­ge Gemein­schaft zu sein und zu bleiben.

Was kann die Kirche bieten?
Die katholis­che Kirche, aber auch andere Kirchen, tra­gen zur Gemein­schafts­bil­dung bei. Das ist umso wichtiger in ein­er Zeit, in der wir eine zunehmende Polar­isierung beobacht­en kön­nen.

Was muss die Kirche jet­zt anpack­en?
Als sehr zen­tral erachte ich, dass die Kirche nicht über die Men­schen son­dern mit ihnen spricht.  Aber die Kirche muss dafür eine Sprache sprechen, die die Men­schen ver­ste­hen. Für sehr viele Men­schen ist sie fremd gewor­den.

Wir alle wis­sen, dass unsere Kirche in ein­er tiefen Glaub­würdigkeit­skrise steckt, Viele Men­schen sind zutief­st ver­let­zt wor­den und wer­den noch immer ver­let­zt. Ich denke beispiel­sweise an die weltweit­en Miss­brauchsskan­dale.

Welch­es Gefühl haben Sie mit Blick auf die Syn­ode?
Für mich ist die katholis­che Kirche meine religiöse Heimat und sie liegt mir am Herzen. Ich bin überzeugt, dass sie für den Zusam­men­halt der Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt.

 Ich schwanke momen­tan zwis­chen Hoff­nung, Zuver­sicht und Rat­losigkeit. Das syn­odale Vorge­hen, das Miteinan­der-Unter­wegs­sein braucht Zeit – gle­ichzeit­ig wis­sen wir, dass die Zeit drängt und den Worten Tat­en fol­gen müssen- und das nicht erst über­mor­gen.

Eva Meienberg
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