Pigroni auf dem Zeltplatz und Gender auf Lehramtskatholisch

Pigroni auf dem Zeltplatz und Gender auf Lehramtskatholisch

Pigroni auf dem Zeltplatz und Gender auf Lehramtskatholisch

Kritische Anmerkungen der Theologin Béatrice Bowald zum Gender-Dokument der römischen Bildungskongregation

Pigroni ist nicht der Name eines weit­eren Krim­ikom­mis­sars, son­dern meine wenig schme­ichel­hafte Beze­ich­nung für die Gruppe Män­ner auf einem ital­ienis­chen Zelt­platz, von denen mir eine Bekan­nte erzählt hat. Als ihr Ehep­art­ner am Geschirrwaschen war, kam eine Gruppe ital­ienis­ch­er Män­ner und hiess ihn, sofort das Feld zu räu­men. Sie fra­gen sich, weshalb? – Damit ihre Frauen nicht auf die Idee kämen, sie von nun an zum Geschirrwaschen zu schick­en. Schlaue Faulpelze (auf Ital­ienisch: pigroni) – oder gut Lehramt­skatholisch: Geschlechterord­nung muss sein! 

«Natürliche Ordnung» der Familie

Im Juni dieses Jahres hat die katholis­che Bil­dungskon­gre­ga­tion fol­gen­des Schreiben veröf­fentlicht: «‹Männlich und weib­lich erschuf er sie› – auf einen Weg des Dialogs über die Frage der Gen­der-The­o­rie in der Bil­dung». Anlass dafür ist nach ihren Angaben eine Krise im Erziehungs- und Bil­dungswe­sen, welche haupt­säch­lich den Bere­ich der Affek­tiv­ität (das heisst des Gefühlshaushalts) und der Sex­u­al­ität betr­e­ffe. Konkret sieht die Bil­dungskon­gre­ga­tion eine falsche Ori­en­tierung in Bezug auf die Anthro­polo­gie (die Lehre vom Men­schen) am Werk, die zu ein­er De­stabilisierung der Insti­tu­tion Fam­i­lie geführt ­habe. Anthro­pol­o­gis­che und Gen­derthe­o­rien hät­ten zum Ver­ständ­nis ein­er frei wählbaren Sex­u­al­ität geführt und damit ver­bun­den zu entsprechen­den Entwick­lun­gen in der Sex­u­alpäd­a­gogik und der Geset­zge­bung (ohne dass sie es beim Namen nen­nen, ist ins­beson­dere an «Ehe für alle» zu denken).Dem set­zt die Bil­dungskon­gre­ga­tion eine christliche Sicht der Anthro­polo­gie ent­ge­gen, die von ein­er in der Natur angelegten Dif­ferenz von Mann und Frau aus­ge­ht, die auf Gegen­seit­igkeit und Kom­ple­men­tar­ität (das heisst die bei­den Geschlechter ergänzen sich) angelegt ist. Dazu gehört die Vorstel­lung ein­er natür­lichen Ord­nung der Fam­i­lie, die als Struk­tur und Zielbes­tim­mung unab­hängig von per­sön­lichen Präferen­zen der Ehe­gat­ten existiert.Kom­men­tar: Passt gut zu den Pigroni auf dem Zelt­platz. Darum ja nichts an der Kom­ple­men­tar­ität ändern, son­st ist es mit der Bequem­lichkeit dahin. Ob sie es aber denkerisch ein­sichtig fän­den, dass sie als Paar eine natür­liche Ord­nung vol­lziehen bzw. vol­lziehen müssen (andern­falls wür­den sie nach vatikanis­ch­er Lesart ihrem Men­sch­sein nicht gerecht)? 

Zwei Geschlechter, sonst nichts

Die Bil­dungskon­gre­ga­tion ste­ht Phänome­nen wie gle­ichgeschlechtliche Nei­gung und Trans­gen­der-Men­schen kri­tisch gegenüber und führt sie auf die Gen­derthe­o­rie zurück, welche zwis­chen Sex und Gen­der unter­schei­de und dabei Gen­der als den bes­tim­menden Teil betra­chte. In der Kon­se­quenz würde Sex­u­al­ität zur freien Wahl, los­gelöst vom eige­nen männlichen oder weib­lichen Geschlecht. Dementsprechend lehnt die Kon­gre­ga­tion Konzepte wie Trans­gen­der oder drittes Geschlecht ab und spricht sich für eine medi­zinis­che Kor­rek­tur in Fällen von Inter­sex­u­al­ität aus.Kom­men­tar: Kein Wort darüber, dass Let­zteres hoch prob­lema­tisch ist und deswe­gen seit Län­gerem disku­tiert wird. Haupt­sache, ihre Vorstel­lung von Zweigeschlechtlichkeit bleibt gewahrt. 

Feste Vorstellung von «weiblichen Werten»

Pos­i­tiv hinge­gen beurteilt die Bil­dungskon­gre­ga­tion bei Erziehung­spro­gram­men das Anliegen, Diskri­m­inierun­gen zu bekämpfen und den Respekt Men­schen gegenüber ungeachtet jeglich­er Dif­ferenz zu fördern. Dies rel­a­tiviert sie aber gle­ich wieder mit ihrer Kri­tik an den Hin­ter­grun­dan­nah­men zur Sex­u­al­ität und den geset­zlichen Entwick­lun­gen.Eben­falls pos­i­tiv wertet die Kon­gre­ga­tion ein anthro­pol­o­gis­ches Ver­ständ­nis, das weib­liche Werte her­vorhebt. Als Beispiel dafür nen­nt sie die Fähigkeit der Frauen, auf die Mit­men­schen einzuge­hen, was men­schliche Beziehun­gen und spir­ituelle Werte bere­ichere. Frauen hät­ten auch eine einzi­gar­tige Fähigkeit, mit der Real­ität umzuge­hen, weshalb sie widrig­ste Umstände aushal­ten, das Leben aufrechter­hal­ten und den Blick in die Zukun­ft richt­en kön­nten.Kom­men­tar: Das mit den weib­lichen Werten würde den Pigroni gefall­en. Dumm nur, dass eine solche Argu­men­ta­tion zum Him­mel stinkt. Denn hier wie im gesamten Schreiben wird wie eh und je in vatikanis­chen Schreiben nur auf päp­stliche Lehrschreiben, Schreiben von Kon­gre­ga­tio­nen und andere vatikanis­che Ver­laut­barun­gen Bezug genom­men. Sich ohne richtige Argu­men­ta­tion zu wieder­holen macht aber eine Sache nicht richtiger. Dass die zöli­batären Ver­ant­wor­tungsträger ihre Vorstel­lun­gen über die geschlecht­styp­is­che Aus­prä­gung des Men­sch­seins dauernd anhand des weib­lichen Geschlechts aus­fal­ten, ist ent­lar­vend. 

Belehrende Haltung zur Sexualität

Die Bil­dungskon­gre­ga­tion unter­mauert ihre Sicht mit ver­schiede­nen Argu­menten. So stützt sie sich unter anderem auf griechis­che und römis­che philosophis­che Tra­di­tio­nen, die von einem Wesen des Men­schen sprechen. Sie zieht auch die Überzeu­gung her­an, dass das Ich am Du wird, oder ver­weist auf die phys­i­ol­o­gis­che Kom­ple­men­tar­ität der Geschlechter, die Voraus­set­zung für die Fortpflanzung sei. The­ol­o­gisch bezieht sie sich auf die Schöp­fungs­berichte.Kom­men­tar: Die von der Bil­dungskon­gre­ga­tion aufge­führten Argu­mente entsprechen ein­mal mehr nicht dem aktuellen Stand der Diskus­sion. So lassen sich der Rück­griff auf ein Wesens­denken und ihre Inter­pre­ta­tion der Schöp­fungs­berichte nicht hal­ten, was hier aber nicht aus­ge­führt wer­den kann. Dass das Ich am Du wird, ist anerkan­nt, set­zt hinge­gen keine Kom­ple­men­tar­ität der Geschlechter voraus.Statt sich mit Erken­nt­nis­sen aus den Human­wis­senschaften zur sex­uellen Entwick­lung auseinan­derzuset­zen, beisst sich die Bil­dungskon­gre­ga­tion an einem Feind­bild von Gen­derthe­o­rie fest und legt ein­mal mehr eine belehrende Hal­tung in Sachen Sex­u­al­ität an den Tag. Nach all den Miss­brauchs­geschicht­en und den dadurch angestosse­nen Diskus­sio­nen ist das unver­ständlich und spätestens 2019 völ­lig deplatziert. Ein­mal mehr eine ver­passte Chance, Men­schen in ihrer Sit­u­a­tion lebens­di­en­lich zu begleit­en.Daher bleibt den Her­ren der Schöp­fung, ob auf dem Zelt­platz oder im Vatikan, nur eines: an die Arbeit!Béa­trice Bowald 
Redaktion Lichtblick
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