
Nur Nichtstun ist schlimmer
- In den KlimÂageÂsprächen von FasÂteÂnakÂtion und Heks lerÂnen die TeilÂnehmenden ihren ökolÂoÂgisÂchen FussÂabÂdruck zu verkleinÂern.
- Die GesprächsmethÂode, die in der Deutschschweiz seit 2019 angewenÂdet wird, ist wirkÂsam gemäss einÂer Studie der Uni Bern.
- Viele MenÂschen machen sich SorÂgen um das KliÂma und tun doch nichts. Nicht so die neue GesprächsÂgruppe in Aarau. Ein AugenÂschein.
«Wer bist du und warum bist du da?», fragt der ModÂerÂaÂtor in die elfköpÂfige Runde. Ein bissÂchen erinÂnert die SitÂuÂaÂtion an eine SelbÂsthilÂfeÂgruppe – aber hier geht es nicht um AlkoÂhol oder Gewalt, sonÂdern ums KliÂma. An vier AbenÂden werÂden diese TeilÂnehmerinÂnen und TeilÂnehmer über das KliÂma und ihr VerÂhalÂten sprechen. Die KlimÂageÂspräche im BullingerÂhaus Aarau werÂden modÂeriert von Markus von AllÂmen und Stephan Degen Balmer.
Verschiedene Beweggründe
Die Mehrheit in dieser Runde ist älter als 50 Jahre. Als Boomer würÂden jugendliche KlimabeÂwegte sie bezeÂichÂnen, und damit MenÂschen meinen, die sich nicht um den KliÂmawanÂdel scheren. Weit gefehlt. MarÂiÂanÂna etwa hat neulich während eines SkirenÂnens am FernseÂhen realÂisiert, dass der GletschÂer ihrer KindÂheit weggeschmolzen ist. Der Schock sitzt tief. JetÂzt muss sie etwas tun. GerÂtraud, die ein sehr bewusstes Leben führt, ihr Brot selbÂst bäckt und sich auch beruÂflich um BioÂdiÂverÂsität kümÂmert, will hier lerÂnen, mit MenÂschen zu sprechen, die ohne SkruÂpel in den Flieger steigen, um Ferien auf den MaleÂdiÂvÂen zu machen.
Peter sieht eine düstere ZukunÂft für komÂmende GenÂerÂaÂtioÂnen. Sein Leben lang hat er sich für NachÂhaltigkeit eingeÂsetÂzt. In der EntwickÂlungÂshilÂfe in SüdameriÂka und AfriÂka, aber auch als MaschiÂnenÂschlossÂer beim Bau des Kernkraftwerkes GösÂgen. Darauf sei er stolz, denn dank Kernkraft habe die Schweiz UnmenÂgen an Kohle gesÂpart.
Auch Karl hat sein Leben in der IndusÂtrie verÂbracht, als ElekÂtromonÂteur sieht er viel PotenÂzial für das KliÂma bei der ElekÂtrizÂität. Denkt er über die ZukunÂft nach, sieht er sie nicht rosig. Weil er aber seinem kleinen Enkel etwas Gutes mit auf den Weg geben will, sitzt er hier in der Runde für das KlimÂageÂspräch.
Grosse Sorgen ums Klima
Viele MenÂschen machen sich grosse SorÂgen um das KliÂma. DenÂnoch sind sie nicht bereÂit, ihr VerÂhalÂten zu ändern. Das ist paraÂdox und menÂschlich. Unser Gehirn verÂsuche, unanÂgenehme InforÂmaÂtioÂnen zu verÂdränÂgen, heisst es im BegleiÂtheft zu den KlimÂageÂsprächen. «Was nützt es, wenn ich PlasÂtikÂsäckÂli mehrmals brauche, wenn in ZukunÂft in ChiÂna alle ein Auto fahren werÂden?» Diese rhetorische Frage ist eines von vieÂlen BeispieÂlen für solche VerÂdränÂgungsmechÂaÂnisÂmen.
Klimagespräche
Die KlimÂageÂspräche werÂden in der Deutschschweiz seit 2019 von den HilÂfÂswerken FasÂteÂnakÂtion und HEKS organÂisiert. Die GesprächsmethÂode wurde in EngÂland entwickÂelt und findÂet interÂnaÂtionÂal AnwenÂdung. An vier AbenÂden beschäftiÂgen sich sechs bis zehn PerÂsoÂnÂen mit dem eigeÂnen Lebensstil in Bezug auf MobilÂität, Ernährung, KonÂsum und die AuswirkunÂgen auf das KliÂma. Sie suchen gemeinÂsam konkrete VerbesserungsmöglichkeitÂen und üben das konÂstrukÂtive Gespräch mit MenÂschen, die sich den KliÂma-FraÂgen nicht stellen wollen. Die Gespräche werÂden geleitÂet von zwei ausÂgeÂbildete ModÂerÂaÂtoren. Hier findÂen Sie TerÂmine für weitÂere Gespräche.
WisÂsen allein bringt keine VeränÂderung. Das haben die EntwickÂlerinÂnen der MethÂode der KlimÂageÂspräche erkanÂnt. Es braucht UnterÂstützung für einen perÂsönÂlichen VeränÂderungÂsprozess, in dem sich die EinzelÂnen mit ihren GewohnÂheitÂen und BequemÂlichkeitÂen auseinanÂderÂsetÂzen müssen. Dass dieser Prozess ambivaÂlente GefühÂle ausÂlöst, wird auch an diesem Abend klar.
Etwas bewirken können
LähÂmend wirken dabei etwa PoliÂtikÂerinÂnen und PoliÂtikÂer, die den KliÂmawanÂdel leugÂnen, ParkÂplätze vollgestellt mit grossen Autos, ignoÂrante Jugendliche, die ihre KipÂpen unbeÂdacht auf die Strasse schnipÂpen. Die TeilÂnehmenden machen ihrer Wut Luft. Aber danach geht es in der GesprächÂsrunde um die ErfahrunÂgen, die stärken: BegegÂnunÂgen mit MenÂschen, die vorÂbildlich sind, Streifzüge durch die Natur, ErinÂnerunÂgen an das bescheiÂdene Leben der Eltern und schliesslich um die Erfahrung, etwas bewirken zu könÂnen.
Als VorÂbereÂitung haben alle ihren CO2-FussÂabÂdruck berechÂnet. Nun geht es darum, diesen Wert konÂtinuierÂlich zu verbessern. Dazu setÂzen sich die TeilÂnehmenden smarte Ziele. Will heisÂsen: spezÂiÂfisch, messÂbar, attrakÂtiv, realÂisÂtisch und terÂminiert. Als erste HausaufÂgabe überÂprüfen sie das eigene MobilÂitätsverÂhalÂten. Dazu gibt es im KliÂma-TageÂbuch ein JourÂnal. Die TeilÂnehmenden notieren während zwei Wochen ihre zurückÂgelegten KiloÂmeÂter.
Klimagespräche wirken
Eine Studie der UniÂverÂsität Bern am ZenÂtrum für NachÂhaltige EntwickÂlung und Umwelt CDE hat die AuswirkunÂgen der KlimÂageÂspräche unterÂsucht. TatÂsächÂlich schafften es die TeilÂnehmenden, ihren ökolÂoÂgisÂchen FussÂabÂdruck sigÂnifikant zu verkleinÂern, was vor allem auf den Verzicht auf FluÂgreisen zurückÂzuführen ist. EbenÂso engagierten sich die TeilÂnehmenden stärkÂer für den poliÂtisÂchen KliÂmaschutz und ihr AllÂtÂagsverÂhalÂten war umweltÂfreÂundlichÂer. Der UnterÂsuchungszeitraum der Studie betrug allerdÂings nur fünf Monate und basierte auf den SelbÂstausÂsagen der TeilÂnehmenden. Wie nachÂhaltig die VerÂhalÂtensänÂderunÂgen waren ist nicht bekanÂnt.
Der Abend endet nach einÂer Schlussrunde pünkÂtlich um 21 Uhr. Den einen gings zu schnell, die anderen sind dankbar, in einÂer Gruppe von GleÂichÂgesinÂnten zu sein. Alle sind froh, etwas tun zu könÂnen. Simon äussert einen offenÂsichtlich von der CoroÂna-PanÂdemie geprägten WunÂsch, den wohl alle unterÂstützen würÂden: «Wir müssen mit unserem VerÂhalÂten ansteckÂender sein.»