Pastoralräume: Nicht überall Pflichtprogramm

Pastoralräume: Nicht überall Pflichtprogramm

Das Bis­tum Basel tut sich schw­er mit der Errich­tung sein­er Pas­toral­räume. Ein Blick über die Bis­tums­gren­zen hin­aus zeigt: In der Diözese St. Gallen sowie im Bis­tum Chur hat man deut­lich weniger Prob­leme. Auss­chlaggebend sind im Wesentlichen drei Gründe: Gute Kom­mu­nika­tion, das Fes­thal­ten an den Pfar­reileitun­gen und Mut, Einzelp­far­reien zuzu­lassen.Erst acht von 24 Pas­toral­räu­men hat das Bis­tum Basel im Aar­gau errichtet. Dies, nach­dem bere­its im Jahre 2006 noch unter dem dama­li­gen Bischof Kurt Koch die Idee lanciert wurde, mit­tels Bil­dung von grösseren Gebi­et­sein­heit­en seel­sorg­erische Dien­stleis­tun­gen zu bün­deln – qua­si als Antwort auf die abnehmende Zahl von Gläu­bi­gen und den grassieren­den Priester­man­gel.

«Information funktioniert nicht, indem man Papiere schreibt»

Erst 54 von 104 Pas­toral­räu­men im gesamten Bis­tums­ge­bi­et hat das Bis­tum Basel inner­halb von 12 Jahren errichtet – also etwas mehr als die Hälfte. Das Bis­tum St. Gallen hinge­gen hat im gle­ichen Zeitraum alle seine Pfar­reien in soge­nan­nten «Seel­sorgeein­heit­en» unterge­bracht.Vor zwei Jahren wurde im Bis­tum St. Gallen die let­zte von ins­ge­samt 33 Seel­sorgeein­heit­en errichtet. Wie erk­lärt man sich diesen Erfolg? «Bei uns war die Umset­zung viel ein­fach­er, weil wir viel klein­räu­miger sind», glaubt die Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortliche Sabine Rüthe­mann. Zum Ver­gle­ich: Während das Bis­tum Basel etwa 1,1 Mil­lio­nen Gläu­bige in 511 Pfar­reien umfasst, find­en sich in der Diözese St. Gallen lediglich 263 000 Gläu­bige in 142 Pfar­reien.«Das Ganze ste­ht und fällt mit guter Infor­ma­tion. Eine solche funk­tion­iert nicht, indem man Papiere schreibt, son­dern indem man mit den Leuten redet.» Und natür­lich sei nicht immer alles nur in Minne abge­laufen. «Die grösste Schwierigkeit bestand darin, den Leuten zu erk­lären, was das alles soll», erin­nert sich Sabine Rüthe­mann. Man habe ver­schiede­nen Äng­sten begeg­nen müssen: «Dass die Pfar­reien ver­schwinden, die Grossen die Kleinen „fressen“. Und viele Pfar­reiver­ant­wortliche hat­ten auch Angst vor Kom­pe­ten­zver­lust.»

Basler Bischof übt Druck aus

Im Laufe der Umset­zung hät­ten die Leute jedoch sehen kön­nen, dass die Äng­ste unbe­grün­det waren. «Die Pfar­reien sind immer noch da und kön­nen neb­st den Ange­boten für die ganze Seel­sorgeein­heit ihre Tra­di­tio­nen weit­er pfle­gen», erk­lärt Sabine Rüthe­mann. Es gebe Seel­sorgeein­heit­en, in denen die Zusam­me­nar­beit bere­its sehr gut funk­tion­iere. Und die Men­schen prof­i­tierten von ver­schiede­nen Vorteilen. «Die Gläu­bige kön­nen sich den­jeni­gen Seel­sorg­er als Ansprech­per­son auswählen, zu dem sie den besten Draht haben. Frauen kön­nen auch gezielt zu ein­er Frau gehen.» Das habe man früher weniger und mit mehr Zurück­hal­tung gemacht. «Und für das Seel­sorgeper­son­al eröff­nen sich neue Möglichkeit­en bei Vertre­tun­gen, bei der Auf­gaben­verteilung nach jew­eili­gen Tal­en­ten – zum Beispiel bei der Jugen­dar­beit, der Diakonie – sowie auch bei regionalen Pro­jek­ten.»Im Bis­tum Basel set­zt man zunehmend auf Druck: Beispiel­sweise erk­lärte Bischof Felix Gmür 2014 in einem Brief an die Seel­sor­gen­den, dass ER bis Ende des Jahres die Struk­tur der Pas­toral­räume in jenen Regio­nen fes­tle­gen werde, wo dies nicht von selb­st erfolge (Hor­i­zonte berichtete). Und per August 2018 wer­den die Dekanate aufgelöst – unter anderem auch, um Pfar­reien, die noch nicht zu einem Pas­toral­raum gehören, direkt dem regionalen Bischofsvikari­at zu unter­stellen. Ein weit­er­er Ver­such, Druck auszuüben, wie das Basler Pfar­rblatt «Kirche heute» dem Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortlichen Han­srue­di Huber ent­lock­en mochte. Gegenüber Hor­i­zonte präzisiert Gen­er­alvikar Markus Thürig: «Mit der Über­tra­gung der Dekanats- auf die Pas­toral­raum­struk­turen ab August 2018 kann psy­chol­o­gis­ch­er Druck entste­hen – wer möchte schon der Let­zte im Prozess der Pas­toral­raumer­rich­tun­gen sein?»

Kirchgemeinden verweigern Gefolgschaft

Es zeigt indessen, dass alle Ver­suche, den Prozess im Sinne des Bis­tums zu beschle­u­ni­gen, bis anhin kaum Früchte getra­gen haben. Ver­schiedentlich leg­en sich die Kirchge­mein­den quer, so unter anderem in Kaiser­augst-Aris­dorf-Giebe­nach. Laut einem Bericht der Aar­gauer Zeitung hat die Kirchge­meinde ihrem Gemein­deleit­er, Diakon Stephan Kochinky, sog­ar unter­sagt, an einem Pas­toral­raum mitzuar­beit­en. Man halte dies für den falschen Weg. Auch das grösste Pro­jekt im Aar­gau, der «Pas­toral­raum Aar­gauer Lim­mat­tal», scheit­erte vor­erst am Wider­stand der Kirchge­mein­den. Wann und ob die geplante Mega-Seel­sorgeein­heit in der ursprünglich vorge­se­henen Form über­haupt kommt, ist zum gegen­wär­ti­gen Zeit­punkt ungewiss.Der Grund für die Verzögerun­gen sind vielfältig: Ein­er­seits gelingt es offen­bar nicht, das Vorhaben der Basis zu ver­mit­teln, ander­er­seits hat die angedachte Struk­tur der Seel­sorgeein­heit­en Fol­gen für das Per­son­al. Bere­its 2014 erk­lärte das Bis­tum im bere­its erwäh­n­ten Brief, dass bei der Pas­toral­raum­bil­dung ver­schiedene Seel­sor­gende ihre lei­t­ende Funk­tion ver­lieren wür­den. Mit der Errich­tung der meis­ten Pas­toral­räume wer­den näm­lich die Gemein­deleitun­gen aufge­hoben. Es existiert her­nach nur noch ein Pas­toral­raum­leitung­steam unter Führung ein­er Per­son.

Bistum St. Gallen tastet Gemeindeleitungen nicht an

Im Dekanat Zurzach wird am 27. Okto­ber 2017 der Pas­toral­raum «Surb­tal-Würen­lin­gen errichtet. 2019 soll der «AG 26» im Gebi­et Leib­stadt-Döt­tin­gen fol­gen. Laut Angaben von Dekanat­sleit­er Ste­fan Essig ist allerd­ings der Pas­toral­raum für Bad Zurzach-Stu­den­land «noch in ein­er Warteschlaufe». Vorge­se­hen ist auch hier ein soge­nan­nter «Typ B‑Pastoralraum» mit ein­er Leitung. Das hätte zur Folge, dass Ursu­la Schmidt-Met­zger, die Gemein­delei­t­erin von Schneisin­gen, ihre Stelle ver­lieren würde. Auf die Frage, ob man das denn in Kauf nehmen kön­nte, erk­lärte die Wis­likofer Kirchenpflegepräsi­dentin Alice Fis­ch­er unlängst: «Nein, natür­lich nicht, aber es kommt darauf an, wer die Leitung für das Pas­toral­raumpro­jekt hat.» Seit dem Weg­gang von Raimund Obrist vor knapp einem Jahr hat man sich offen­bar gescheut, das heisse Eisen weit­er zu schmieden.Jedoch gibt es im Bis­tum Basel auch einige wenige grössere Seel­sorgeein­heit­en, inner­halb der­er die Gemein­deleitun­gen erhal­ten bleiben (soge­nan­nte «Typ A‑Pastoralräume»). So beispiel­sweise im Pas­toral­raum «Region Aarau», wo nach wie vor allen angeschlosse­nen Pfar­reien Leitungsper­so­n­en vorste­hen. Wie seit­ens des Bis­tums jedoch bere­its ver­schiedentlich erk­lärt wurde, soll diese Leitungs­form die Aus­nahme bleiben. Dem noch zu bilden­den Pas­toral­raum «AG 20» im Gross­raum Frick-Homberg-Thier­stein wird sie hinge­gen zuge­s­tanden. Uneins ist man sich jedoch in der Frage der Leitung­sein­heit­en: Das Bis­tum tendiert auf drei Leitung­sein­heit­en, die Seel­sor­gen­den wollen vier.Anders im Bis­tum St. Gallen: «Jed­er Ort behält seine Pfar­reibeauf­tragten (Anmerkung der Redak­tion: das entspricht in etwa der Gemein­deleitung)», erk­lärt die Kom­mu­nika­tionsver­ant­wortliche Sabine Rüthe­mann. «Alle Mitar­bei­t­en­den mit bis­chöflich­er Mis­sio bilden gemein­sam das Pas­toral­team mit einem Teamko­or­di­na­tor, beziehungsweise ein­er Teamko­or­di­na­torin.»

Kein diözesaner Masterplan im Bistum Chur

Auch im Bis­tum Chur, mit 280 Pfar­reien und knapp 700 000 Gläu­bi­gen das zweit­grösste Deutschschweiz­er Bis­tum, existieren soge­nan­nte «Seel­sorg­eräume». Zu genauen Zahlen befragt, meint Bis­tumssprech­er Giuseppe Gra­cia: «Es gibt keine Liste. Wir haben 17 Seel­sorg­eräume.» Recherchen von Hor­i­zonte zeigen, dass allein in den Kan­to­nen Zürich/Glarus acht solche Seel­sorg­eräume errichtet wur­den und man in diesem Gebi­et ins­ge­samt 56 der­ar­tige Seel­sorge-Ein­heit­en anstrebt. Total 15 Pfar­reien sollen jedoch «Einzelp­far­reien» bleiben.Für die Errich­tung der Seel­sorg­eräume im Bis­tum Chur gibt es «keinen diöze­sa­nen Mas­ter­plan. Wir haben nur ein Doku­ment, das die Struk­tur von Seel­sorg­eräu­men definiert», erk­lärt Bis­tumssprech­er Giuseppe Gra­cia. Konkret heisst das: Im Gegen­satz zu den Bistümern St. Gallen und Basel gibt es zwar Vor­gaben, wie ein Pas­toral­raum, beziehungsweise ein Seel­sorg­er­aum aufge­baut sein muss, jedoch set­zt das Bis­tum Chur bei der Bil­dung dieser Räume auf die Entwick­lung von unten. Die Ini­tia­tive muss von der Basis aus­ge­hen, das Bis­tum will keinen Druck machen. Denn: «Nicht über­all ist der Wille bei den Gläu­bi­gen da, einen Seel­sorg­er­aum einzuricht­en», anerken­nt Giuseppe Gra­cia. «Es wer­den Pas­toral­räume ein­gerichtet, allerd­ings eher spär­lich. Die Schaf­fung neuer Seel­sorg­eräume stag­niert».

Nur Priester dürfen leiten

Ein Blick in die «Rah­menord­nung für Seel­sorg­eräume» des Bis­tums Chur offen­bart noch einen weit­eren Unter­schied zu den bei­den anderen Deutschschweiz­er Bistümern: Die Leitung über einen Seel­sorg­er­aum kann nur von einem Geistlichen, dem soge­nan­nten «Seel­sorg­er­aump­far­rer» aus­geübt wer­den. Die weit­eren Vor­gaben für die Struk­tur der Seel­sorg­eräume erin­nert an das Bis­tum Basel: Die Gemein­deleitun­gen ver­schwinden – es gibt lediglich noch Ansprech­per­so­n­en vor Ort. «Wo die Umstände es erfordern, kann die Seel­sorge allerd­ings zugle­ich mehreren Priestern sol­i­darisch über­tra­gen wer­den, jedoch mit der Maß­gabe, dass ein­er von ihnen Leit­er des seel­sor­glichen Wirkens sein muss», erk­lärt Giuseppe Gra­cia. «Dieser Priester muss die Zusam­me­nar­beit leit­en und dem Bischof gegenüber ver­ant­worten».Im Bis­tum Chur beurteilt man die Bil­dung von grösseren Seel­sorgeein­heit­en offen­bar kri­tis­ch­er als im Bis­tum Basel. Gewiss, es gebe gelun­gene Beispiele, erk­lärt Giuseppe Gra­cia. Der Bis­tumssprech­er räumt jedoch ein, dass «grössere Teams immer die Gefahr von Kon­flik­ten bergen – ein­fach weil mehr Leute involviert sind. Es zeigt sich auch, dass es gar nicht so ein­fach ist, Leitungsper­son­al zu find­en, das geeignet und wil­lens ist, grösseren Ein­heit­en vorzuste­hen.»Wegen «Über­grösse», so der Chur­er Bis­tumssprech­er, habe man auch den Seel­sorg­er­aum Dietikon-Schlieren «wieder auseinan­dergenom­men». Das Gen­er­alvikari­at für die Kan­tone Zürich und Glarus sowie die katholis­chen Kirchge­mein­den Schlieren und Dietikon erk­lärten im Jan­u­ar 2016 die Auflö­sung. Just zu der Zeit, als das Bis­tum Basel in unmit­tel­bar­er Nach­barschaft das Grosspro­jekt «Pas­toral­raum Aar­gauer Lim­mat­tal» lancierte, welch­es gut anderthalb Jahre später von den Kirchge­mein­de­v­er­samm­lun­gen zum Marschhalt gezwun­gen wurde (Hor­i­zonte berichtete).
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben