Mit über 60 Jahren noch einmal aktiv werden
«Ihr seid Vorbilder und Botschafterinnen für unser Projekt», sagt Beatrice Koller Bichsel, die Präsidentin der Luise-Thut-Stiftung, zu den versammelten aktiven und ehemaligen Freiwilligen des Hospiz Aargau.
Bild: © Roger Wehrli

Mit über 60 Jahren noch einmal aktiv werden

Das Projekt der Luise-Thut-Stiftung ermutigt über 60-Jährige, noch einmal etwas anzupacken

Im Stapferhaus Lenzburg trafen sich Weggefährtinnen ​und Weggefährten der Hospiz-Pionierin Luise Thut ​zum 30-Jahr-Jubiläum von Hospiz Aargau und zum ­Auftakt des Projekts «erinnern ermutigt».


Ein Saal mit schwarz gestrich­enen Wän­den. In dun­klen Far­ben gehal­tene Tis­che und Stüh­le auf braunem Holz­bo­den. Das Ambi­ente nimmt sich vornehm zurück, damit die Haupt­per­so­n­en im Raum umso bess­er zur Gel­tung kom­men. Far­ben­froh gek­lei­dete Män­ner und Frauen, einige mit leuch­t­end weis­sem Haar, begrüssen sich und set­zen sich plaud­ernd an die Tis­che. Es sind alles ehe­ma­lige Wegge­fährtin­nen und Wegge­fährten von Luise Thut, der Pio­nierin der Hos­piz-Idee im Aar­gau. Sie haben sich ver­sam­melt, um das 30-jährige Beste­hen von Hos­piz Aar­gau zu feiern, dessen Grün­derin zu gedenken und das Pro­jekt «erin­nern ermutigt» zu lancieren.

Sterben in Würde braucht Zuwendung und Zeit

Ans Red­ner­pult tritt Beat­rice Koller Bich­sel. Die Präsi­dentin der Luise-Thut-Stiftung zün­det eine Kerze an. «Heute vor 97 Jahren, am 28. Feb­ru­ar 1928, ist Luise Thut in München geboren wor­den», erk­lärt Koller Bich­sel. Im Som­mer 2023 starb Thut im Alter von 95 Jahren. Ihr Lebenswerk, das Hos­piz Aar­gau mit seinen drei Stand­beinen – Hos­piz sta­tionär, Hos­piz ambu­lant und Trauertr­e­ffs – wird dieses Jahr 30 Jahre alt. Es ste­ht auf soli­den Beinen und geniesst wei­therum einen guten Ruf. Herzstück der Hos­pizarbeit sind die Frei­willi­gen, die unbezahlbare Stun­den mit den schw­er kranken und ster­ben­den Men­schen ver­brin­gen. «Ster­ben in Würde erfordert Zuwen­dung und Zeit», zitiert Beat­rice Koller Bich­sel die Hos­piz-Grün­derin Luise Thut.

Ein­er der Zwecke der Luise-Thut-Stiftung ist, die Erin­nerung an die Pio­nierin wachzuhal­ten. Das mehrjährige Pro­jekt «erin­nern ermutigt» will darüber hin­aus Men­schen Mut ­machen, in reifem Alter noch ein­mal etwas anzu­pack­en, eine Vision zu ver­wirk­lichen und sich für andere Men­schen und die Gesellschaft zu engagieren.

Schlüsselerlebnis in den USA

Das Beispiel der Hos­piz-Pio­nierin Luise Thut soll dazu inspiri­eren. Denn Thut pack­te ihr Herzen­spro­jekt erst im Alter von 60 Jahren an. Das Schlüs­sel­er­leb­nis hat­te sie im Jahr 1989, als eine Fre­undin in den USA an Krebs starb, liebevoll umsorgt in einem Hos­piz. Zu jen­er Zeit war die Pal­lia­tivpflege in der Schweiz kaum bekan­nt und Luise Thut real­isierte: «Das ist ein The­ma, für das ich mich engagieren möchte.» So wird sie im Buch « ein Haus fürs Leben» zititert.

Von diesem Erleb­nis bis zur Eröff­nung des ersten sta­tionären Hos­pizes im Aar­gau vergin­gen 16 Jahre. In dieser Zeit ver­fol­gte Thut ihre Vision ziel­stre­big. Sie bildete sich in den USA zur Hos­pi­zlei­t­erin aus und suchte den Kon­takt zu Pio­nierin­nen der Hos­pizbe­we­gung im Aus­land. In den 1990er-Jahren baute Thut im Aar­gau mit Frei­willi­gen das Ange­bot der ambu­lanten Ster­be­be­gleitung auf.

Ein Herzensprojekt anpacken

Im Saal sitzen einige Frauen, die vor 30 Jahren zu den ersten Frei­willi­gen des Hos­piz’ gehörten. «Ihr wisst, wie viel Energie und Mut es brauchte, um das Hos­piz aufzubauen», sagt Beat­rice Koller Bich­sel. Das bestätigt die allererste Frei­willige, Maria Piat­ti. Sie erin­nert sich: «Es waren nicht nur Steine, die Luise Thut in den Weg gelegt wur­den. Es waren riesige Brock­en. Weil kaum jemand Ster­be­be­gleitung kan­nte, wurde das Hos­piz mit der aktiv­en Ster­be­hil­fe gle­ichgestellt. Das sorgte für Missver­ständ­nisse und Anfein­dun­gen.»

Das Pro­jekt «erin­nern ermutigt» umfasst ­ver­schiedene Anlässe in den näch­sten Jahren. Die Pro­jek­tlei­t­erin Car­men Frei betreut die Web­site www.luise-thut-stiftung.ch. Die Bilder und Texte von Luise Thut und ihren Mit­stre­i­t­erin­nen machen Mut, Wider­stände zu über­winden und aktiv zu wer­den.

erin­nern ermutigt

«erin­nern ermutigt» ist ein mehrjähriges Pro­jekt der Luise-Thut-Stiftung

Luise Thut (28.2.1928 – 17.7.2023) war eine Pio­nierin der pal­lia­tiv­en Pflege in der Schweiz und Grün­derin von Hos­piz Aar­gau. Im Erin­nern an ihre beispiel­hafte Tatkraft will die Luise-Thut-Stiftung Men­schen ab 60 Jahren zum vielfälti­gen gemein­nützi­gen ­Wirken ­ermuti­gen. Das mehrjährige Pro­jekt «erin­nern ermutigt» gibt mit ver­schiede­nen ­Anlässen in den kom­menden Monat­en und Jahren Impulse, sich zu engagieren. Der frische Inter­ne­tauftritt der Stiftung mit der Web­site www.luise-thut-stiftung.ch macht Lust, sich an Luise Thut ein Beispiel zu nehmen.

30 Jahre Hos­piz Aar­gau

Ausstel­lung Leben­shalt

Seit 30 Jahren begleit­et Hos­piz Aar­gau Men­schen auf ihrem let­zten Lebensweg. Zur Feier des Jubiläums find­en eine Ausstel­lung und eine Ver­anstal­tungsrei­he unter dem Titel «Leben­shalt» statt. Die Ausstel­lung von Kura­torin Bet­ti­na Rohr (im Bild) gastiert vom 16. bis 29. März in der Galerie Rah­me­nate­lier in Zofin­gen und vom 24. April bis 1. Mai in der Galerie Immag­i­nazione in Brugg. Alle Ver­anstal­tun­gen find­en Sie auf der Web­site www.hospiz-lebenshalt.ch

Mit über 60 Jahren noch einmal aktiv werden - Lichtblick Römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz 7
Hände im Gross­for­mat und ver­schiedene Antworten auf die Frage: «Was hat dir das Leben gegeben?» erwarten die Besucherin­nen und Besuch­er der Ausstel­lung «Leben­shalt» in Zofin­gen und Brugg.

Marie-Christine Andres Schürch
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