Kränze zur Erstkommunion: Haltbar oder vergänglich
- Während manche Pfarreien bereits am vergangenen «Weissen Sonntag» Erstkommunion feierten, begehen viele Aargauer Pfarreien das Fest am kommenden Wochenende. Traditionell gehört dazu der Kranz als Kopfschmuck der Mädchen.
- Wie pflegen Aargauer Pfarreien diesen Brauch? Welche Kränze sind beliebt? Und wo im Aargau lagert die umfangreichste Kollektion? Horizonte begab sich auf die Spur der Erstkommunion-Kränze.
Übermütig hüpft Lina ihrem Götti entgegen. Das weisse Gewand flattert ihr um die Beine, auf dem fliegenden Haar wippt das Kränzlein. Aus feinen Blüten, blau-weiss, filigran – und frisch aus dem Kühlschrank. «Damit die Blüten frisch bleiben, mussten wir den Blumenkranz über Nacht ins Gemüsefach legen», erklärt die Erstkommunikantin. Ihre Kollegin Alessandra hatte es einfacher, denn für ihren Kranz aus blasslila Tüllrosen reichte eine Kartonschachtel. Doch ob künstlich oder echt: Der Kranz als Kopfschmuck der Mädchen gehört traditionell zur Erstkommunion.
Der Kranz steht für Reinheit und Jungfräulichkeit
Der Historiker Linus Hüsser vermutet, dass der Kranz als Zeichen für die Reinheit, Unschuld und Jungfräulichkeit der Person steht, die erstmals mit Gott über die heilige Kommunion in Verbindung tritt. «Die christlichen Mystiker des Mittelalters verglichen die gegenüber Gott aufnahmebereite Seele mit einer Jungfrau», erklärt er. Darin liege wahrscheinlich der Hintergrund der Tradition.
Die Eltern werden auf die Tradition aufmerksam gemacht
In vielen Pfarreien machen die Katechetinnen bei der Vorbereitung zur Erstkommunion die Eltern auf diese Tradition aufmerksam. «Ich weise jeweils darauf hin, dass die Mädchen einen Blumenkranz tragen können, wenn sie wollen», sagt Yvonne Zimmermann. Die Katechetin begleitet die Kinder in Leibstadt, Schneisingen und Bad Zurzach auf dem Weg zur Erstkommunion. Weil sie als vierfache Mutter die Erstkommunionvorbereitung auch aus Elternperspektive kennt, gibt sie jeweils auch Empfehlungen ab, wo die Kränze am besten besorgt werden können.
Entscheidend: Was tragen die Kolleginnen?
Ihr fällt auf, dass zwar nicht alle, aber doch die meisten Mädchen einen Kopfschmuck tragen, dieser aber nicht zwingend ein Kranz sein müsse. Auch Perlen, Haarspangen mit Blumen oder Bänder im Haar werden oft getragen. Yvonne Zimmermann hat die Erfahrung gemacht, dass die Tradition der Erstkommunionkränze nicht mehr allen Eltern bekannt ist. «Damit die Tradition nicht vergessen geht, weise ich jeweils explizit darauf hin.»Die Mädchen besprechen sich mit ihren Eltern, aber auch untereinander. «Was die Kolleginnen tragen, beeinflusst den Entscheid der Mädchen für einen bestimmten Kranz natürlich auch», weiss Yvonne Zimmermann.
Den Kranz der Mutter: «Aus Tradition und mit Stolz»
Dass je länger, je weniger Kränze getragen würden, beobachtet Béatrice Demuth. Sie arbeitet als Sekretärin des Pastoralraums Region Lenzburg. Aus der Pfarrei Lenzburg berichtet sie, dass Mädchen oft die Kränzli tragen, die ihre Mütter schon zu ihrer Erstkommunion getragen haben: «Dies aus Tradition und mit Stolz.» Diese vererbten Kränzli sind aus Draht und Stoffblumen gefertigt. Wer einen Kranz aus echten Blumen trage, stelle diesen selber her, «ähnlich wie beim Jugendfest.»
In Wettingen können Kränze geliehen werden
Die Pfarrei St. Sebastian in Wettingen hält die Tradition der Erstkommunionkränze ebenfalls hoch. Als weitherum einzige Pfarrei gibt sie bei Bedarf kostenlos ein Kränzli zusammen mit dem Erstkommunionskleid ab. Hilfssakristanin Ottilie Brühlmeier ist für den Unterhalt und die Verteilung der Kleider und Kränzli zuständig. Sie erinnert sich: «Mitte der 1980er-Jahre haben wir zusammen mit dem Einheitsgewand auch die Kränzli angeschafft.» Vor einigen Jahren mussten die ursprünglichen Kränze durch neue ersetzt werden. «Manche Leute tragen zu wenig Sorge zu den geliehenen Kränzen», bedauert Ottilie Brühlmeier. Die neuen Kränze mit den weissen Stoffrosen stammen aus Olten, von der Buchhandlung am Klosterplatz. Bei einer Bestellung von 30 Stück kostete ein Kranz 60 Franken. «Für die Erstkommunion dieses Wochenende habe ich 25 Kränze herausgegeben», sagt Ottilie Brühlmeier. Der Kranz-Verleih wird demnach rege genutzt, von den insgesamt 62 Erstkommunikanten ist etwa die Hälfte Mädchen.
Ein Kranz aus Frischblumen kostet 50 Franken
Der Anteil an echten Blumenkränzen ist in der Pfarrei St. Sebastian etwas geringer. Manuela Bruggisser, Mitinhaberin des Blumengeschäfts Toscanini in Wettingen, sagt: «Aktuell haben wir sieben Bestellungen.» Für die Kränze verwende sie vor allem Schleierkraut und Vergissmeinnicht, so dass ein feiner Kranz entstehe. Je nach Material kostet der frische Kranz etwa einen Franken pro Zentimeter, im ganzen etwa 50 bis 60 Franken. Ein geübter Florist braucht für die Herstellung etwa eine halbe Stunde, ein Lehrling etwa eine Stunde.
Künstlich oder echt ist auch kulturelle Frage
Hans-Peter Stierli, Pastoralassistent in der Pfarrei Hägglingen, nimmt wahr, dass die Wahl des Kranzes auch vom kulturellen Hintergrund abhängt. Italienisch‑, spanisch- oder portugiesischstämmige Familien bevorzugten eher die Kränze aus kunstvollen Stoffblumen, die sie dann an ihre Kinder weitervererben, Schweizer eher diejenigen aus echten Blüten.
«Ich bleibe auf den Kränzen sitzen»
Wer einen Kranz aus echten Blumen möchte, geht also ins Blumengeschäft oder bindet das Kränzli selber. Schwieriger zu bekommen sind die Kränze aus künstlichen Blumen. Die meisten Papeterien, die vor einigen Jahren solche Kränze noch anboten, haben sie inzwischen aus dem Sortiment gekippt. «Wenn ich Erstkommunionkränze verkaufen will, muss ich gleich ein ganzes Dutzend bestellen», erklärt Geschäftsführer Peter Christen von der Papeterie Christen in Wettingen. Ein handgefertigter Kranz koste 60 bis 80 Franken, das sei den meisten Leuten zu teuer. So bleiben die Kränze im Laden liegen.
Lenzburg: «Wir verweisen auf katholische Orte»
Auch von Büro Ryser in Lenzburg kommt die Auskunft: «Vor einigen Jahren haben wir noch zwei, drei Kränzli pro Jahr verkauft, die wir jeweils in Einsiedeln bestellt haben. Nun machen wir das nicht mehr. Leute, die nach Stoffkränzen fragen, verweisen wir meist an Papeterien in katholischen Gebieten.»
«Der Geissmann» in Hägglingen
Zum Beispiel nach Muri. Dort bietet die Papeterie O. Huber & Sohn ein grosses Sortiment an Kränzen mit Stoffblumen oder Glasperlen an. «Die Kränze bestellen wir bei Geissmann in Hägglingen», erklärt die Inhaberin auf Anfrage. Und auch im Sekretariat der Pfarrei Wohlen heisst es: «Weil die Papeterie bei uns im Dorf zugemacht hat, bestellen einige nun direkt beim Geissmann in Hägglingen.»
Besuch im Kränzli-Lager
Die Spur führt also nach Hägglingen im Pastoralraum Unteres Freiamt. Dort steht an der Sandbühlstrasse 2 ein Haus, mit dem Schild «Fabrik für festliche Mode». Die G. Geissmann-Huber AG gibt es seit 1945. Die Firma vertreibt Fest- und Brautkleider, passt sie an oder ändert sie ab. In diesem Haus liegt das Kränzli-Lager von Marcel Geissmann. Während in Geschäften, wenn überhaupt, nur wenige Modelle probiert werden können, warten hier Kränze in allen Varianten, meist üppig verziert mit Tüll und Perlen, auf ihren Einsatz. Der 86-Jährige plaudert Geschäftsgeheimnisse nicht gerne aus, doch er erklärt: «Die Kränze werden in Heimarbeit hergestellt und ich beliefere damit vor allem Papeterien. Aber auch Private können bei mir bestellen.» Seine Mitarbeiterin Maria D’Arino ist Schneiderin und fürs Design der Kränze zuständig. Auch an Pfarreien liefert Marcel Geissmann seine Kränze: eine Pfarrei im Wallis habe dieses Jahr 40 Kränze bei ihm bestellt, erzählt er. Im Gespräch stellt sich heraus, dass Marcel Geissmann auch den Buchladen am Klosterplatz in Olten beliefert. So stammen also auch die Wettinger Leih-Kränze aus seinem Lager.
Lebendige Tradition
Egal, ob der Kranz nach der Erstkommunion verwelkt oder in der Kartonschachtel die Zeit überdauert, als traditioneller Teil der Erstkommunion wird er nach wie vor gepflegt und ist weitherum beliebt.