Sommerserie «Kirche backstage», Teil 2: Peter Meier, Orgelbauer

Sommerserie «Kirche backstage», Teil 2: Peter Meier, Orgelbauer

  • Beina­he in allen Kirchen ste­ht eine Orgel. Die Orgel­musik gehört wie das Amen zur Kirche.
  • Peter Meier baut neue Orgeln und pflegt alte.
  • Im zweit­en Teil der «Horizonte»-Sommerserie schauen wir «back­stage» in die Orgel­bauer-Werk­statt von Peter Meier in Rhe­in­felden.

Mit einem Schlüs­sel öffnet Peter Meier eine Truhe in der Kapelle der Kirche St. Josef in Rhe­in­felden. Zum Vorschein kom­men eine Tas­tatur und ein aufk­lapp­bar­er Stän­der für die Noten. Bei der Truhe han­delt es sich um eine Orgel – eine Truhenorgel. Fusspedale hat sie keine. Ein Kabel ver­sorgt einen unsicht­baren Ven­ti­la­tor mit Strom. Rund um die Truhe lassen sich Plat­ten ent­fer­nen, damit die Orgel lauter tönt. Alles an und in dieser Kas­tenorgel ist aus Holz –auss­er dem Ven­ti­la­tor – 280 Pfeifen und eine Menge kom­pliziert­er Mechanik.

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Gefragt: Kleine Orgeln für Kapellen oder Krypten

Peter Meier zieht eine Pfeife aus dem Kas­ten, bläst rein und ein run­der warmer Ton erfüllt die Kapelle. Die Truhenorgel stammt aus Peter Meiers Werk­statt. Die kleinen kom­pak­ten Orgeln sind beliebt, weil sie die richtige Grösse haben für eine Kapelle oder eine Kryp­ta. Da es nicht mehr viele Gottes­di­en­st­be­sucherin­nen und ‑besuch­er gibt, wer­den die Feiern oft in die kleineren Räume der Kirchen ver­legt.

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Etwas Fein­handw­erk­lich­es, tech­nisch Anspruchsvolles, das über das rein Materielle hin­aus­ge­ht, hat Peter Meier als Jugendlich­er für seine Lehre gesucht. Mit dem Orgel­bau hat er genau das gefun­den. Dass er seinen Beruf in einem kirch­lichen Umfeld ausüben würde, habe ihn anfänglich gestört. «Was, du arbeitest in ein­er Kirche?», manch ein Kol­lege habe ihn deswe­gen schräg angeschaut. Es sei wohl auch deswe­gen ein­fach gewe­sen, eine Lehrstelle als Orgel­bauer zu find­en. Mit Peter Meier hat­te sich genau der Richtige für den Beruf bewor­ben. «Bei mir stand früh ein Mec­ca­no-Baukas­ten im Kinderz­im­mer und in mein­er Freizeit habe ich mit meinem Vater gew­erkelt, Velos auseinan­der- und wieder zusam­menge­baut, Zah­n­räder und Dif­fer­en­tial­getriebe studiert», sagt Peter Meier.

Karriere als Orgelbauerin?

Seit Beginn sein­er Selb­ständigkeit im Jahr 2004 bilden Peter Meier und sein Angestell­ter selb­st Lehrlinge aus. Diesen Som­mer begin­nt zum drit­ten Mail ein­er seine Kar­riere. Eine Lehrfrau hat­te Peter Meier noch nie. Nur eine von sechs Ler­nen­den sei eine Frau. Bei der Schnup­per­lehre schaue er genau, wie die Ler­nen­den die Werkzeuge in die Hände nehmen, sagt Peter Meier. Im Orgel­bau sind Konzen­tra­tion und Aus­dauer gefragt. Ausser­dem muss das räum­liche Vorstel­lungsver­mö­gen gut aus­geprägt sein, drei­di­men­sion­ale Skizzen am Reiss­brett müssen den Schnup­per­s­tiften ein­fach von der Hand gehen. Bau­pläne lesen gehört zum Betrieb­sall­t­ag. Ein absolutes Gehör braucht es für den Beruf nicht. «Für mich gibt es keine unmusikalis­chen Men­schen. Um Orgel­bauer zu wer­den, muss der Ler­nende sein Gehör ein­fach trainieren», sagt der Lehrmeis­ter. Darum gehört das regelmäs­sige Stim­men der Orgeln zur Aus­bil­dung.

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Peter Meier ist im Vor­stand der Inter­na­tion­al Soci­ety of Organ­builders. Alle zwei Jahre kom­men an einem Kongress rund 150 Orgel­bauerin­nen und Orgel­bauer aus der ganzen Welt zusam­men. Denn Orgel­bau ist nicht gle­ich Orgel­bau. Das hat Peter Meier in seinen Lehr- und Wan­der­jahren nach der Aus­bil­dung in Luzern schnell gemerkt. Mit 20 Jahren zog er aus nach Eng­land, Frankre­ich und Japan. In Eng­land beispiel­sweise habe er fest­gestellt, dass viel mehr von Hand gemacht wer­den könne, als er in Luzern gel­ernt habe. Die hochw­er­ti­gen Holzbear­beitungswerkzeuge, mit denen er dort gear­beit­et hat, kom­men heute in seinem Betrieb zum Ein­satz.

«Hor­i­zonte»: Was fehlt, wenn Ihre Arbeit nicht gemacht wird?

Peter Meier: Vere­in­facht gesagt, braucht es für einen Gottes­di­enst das Kirchge­bäude, den Pfar­rer, die Kirchen­mit­glieder und eine Orgel. Wenn die Orgel fehlt, fehlt der Organ­ist und die Orgel­musik und damit etwas Wesentlich­es.

Was brauchen Sie, um Ihre Arbeit gut machen zu kön­nen?

Es braucht einen guten Kon­takt mit den Pfar­reiver­ant­wortlichen, vor allem auch mit den Organ­istin­nen und Organ­is­ten. Ich bin darauf angewiesen, dass die Men­schen die Orgel­musik wichtig find­en und dafür auch Geld aus­geben wollen. Es braucht ein Bewusst­sein für die Tra­di­tion, dass die Orgel den Gottes­di­enst seit Jahrhun­derten begleit­et.

Woran glauben Sie?

Ich bin Mit­glied der römisch-katholis­chen Kirche und ich werde es auch bleiben. Sie ist meine Heimat und mir ver­traut. Sie gibt mir auch geistige Nahrung. Aber ich sehe bei mein­er Arbeit viele ver­schiedene Glauben­san­sätze und bin diesen gegenüber sehr offen.

Mit einem Stimmhorn in der Hand steigt Peter Meier über eine Leit­er hin­ter die Orgel in der Kirche St. Josef. Mit der einen Seite des Werkzeugs, das aussieht wie ein Pfeil mit Holz­griff, kann die Pfeife erweit­ert, mit der anderen verengt wer­den. Wartungsar­beit­en an beste­hen­den Orgeln bilden einen grossen Teil der Arbeit. Mit seinem weis­sen Bus ist der Orgel­bauer oft in der Schweiz und im Aus­land unter­wegs. Eine Land­karte mit Fäh­nchen, die in der Orgel­bau-Werk­statt im Indus­triege­bi­et von Rhe­in­felden hängt, zeigt ein­drück­lich, wo über­all Orgeln auf einen Ser­vice warten.

Orgeln sind Gemeinschaftswerke

Die Orgeln aus der Werk­statt der Peter Meier Orgel­bau GmbH sind Gemein­schaftswerke. An ein­er Truhenorgel arbeit­en Peter Meier, sein Angestell­ter und der Ler­nende etwa vier Monate. Je nach Auss­chmück­ung des Gehäus­es dauert es länger. In der Werk­statt ste­ht aktuell ein Exem­plar, das fast fer­tig ist. Die Orna­mente des Gehäus­es erin­nern an Fliesen in Südspanien. Tat­säch­lich hat sich Peter Meier dort in seinen Ferien inspiri­eren lassen. Das langsam gewach­sene Ficht­en­holz für die grossen Pfeifen bezieht Peter Meier aus dem Bern­er Ober­land. Ver­schiedene Harthölz­er für das Gehäuse, mech­a­nis­che Teile und kleine Pfeifen kom­men aus der Region. Zwis­chen 50’000 und 80‘000 Franken kostet eine Truhenorgel. Eine grosse Orgel mit vie­len Reg­is­tern kann Mil­lio­nen kosten.

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Jede Orgel hat ihren Charak­ter. Je nach Anzahl und Art der Reg­is­ter, bietet sie eine eigene Klang­welt. Es sei gar nicht so ein­fach, eine Orgel in Auf­trag zu geben, sagt Peter Meier. Jüngst habe der Vor­stand ein­er Kirchge­meinde dafür eine Bil­dungsreise nach Stuttgart gemacht, um dort an der Hochschule die Orgel­samm­lung zu besuchen, um sich ein Bild von den ver­schiede­nen Orgel­typen zu machen. Zum Glück helfen bei der Entschei­dung die Organ­istin­nen und Organ­is­ten und die Orgel­bauer mit.

In der Schweiz wer­den die Orgeln gut gepflegt. Nicht mehr gebrauchte Orgeln fän­den oft in weniger wohlhaben­den Län­dern als der Schweiz eine neue Heimat, sagt Peter Meier. In Frankre­ich hat der Orgel­bauer schon Orgeln gese­hen, die seit einem hal­ben Jahrhun­dert nicht mehr geputzt wor­den sind, weil die Besitzer sich die Wartung nicht mehr leis­ten kon­nten. Auf lange Frist werde wohl ein Teil der Arbeit mit der fortschre­i­t­en­den Säku­lar­isierung weg­fall­en. Aber pes­simistisch ist Peter Meier nicht: «Kirche gibt es schon so lange, Orgeln auch. Das kann nicht von einem Tag auf den anderen ver­schwinden.»

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In der grossen Orgel von St. Josef ist neben dem Man­u­al ein kleines rot-schwarzes Büch­lein ver­steckt. Da ste­hen kurze Nachricht­en der Organ­istin­nen und Organ­is­ten für den Orgel­bauer drin: «Höch­ster Ton im Ped­al bleibt hän­gen» oder «Man­u­al: Plät­tli hat sich beim Spie­len gelöst». Heute ste­ht nichts drin. Alles in Ord­nung. Peter Meier packt seine Werkzeuge zusam­men und macht sich auf den Weg in die Werk­statt.

Eva Meienberg
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