Ein Leben lang im Kirchendienst

Ein Leben lang im Kirchendienst

  • Beat Ammann war – unter­stützt von sein­er Frau Maria Ammann – 57 Jahre lang Sakris­tan in Bel­likon.
  • Am 30. Dezem­ber 2018 wur­den Maria und Beat Ammann offiziell aus dem Sakris­ta­ne­namt ver­ab­schiedet.
  • Im Gespräch mit Hor­i­zonte erin­nert sich das Sakris­ta­nen-Ehep­aar an viel unsicht­bare Arbeit, Jahre ohne freies Woch­enende und einen beson­deren Traum.
Ende der 1950er-Jahre wollte Beat Ammann Min­is­trant wer­den. Als endlich ein Platz frei wurde, meinte der Pfar­rer, ein jün­ger­er Min­is­trant wäre ihm eigentlich lieber, der würde länger bleiben. Da täuschte sich der Pfar­rer aber gewaltig! Beat Ammann min­istri­erte drei Jahre lang, dann wurde er Sakris­tan. Gewis­senhaft leis­tete er Dienst in der Kirche – ins­ge­samt 60 Jahre lang.

Arbeit, die man oft nicht sieht

Am 30. Dezem­ber 2018 wur­den Maria und Beat Ammann im Bel­lik­er Son­ntags­gottes­di­enst als Sakris­tane ver­ab­schiedet. Gemein­sam haben die bei­den in den ver­gan­genen Jahrzehn­ten all die Arbeit­en in und um die Kirche erledigt, die man oft gar nicht sieht. Als Sakris­tan war Beat Ammann für das Öff­nen und Schliessen der Kirche zuständig, begleit­ete die Gottes­di­en­ste, betreute die Min­is­tran­ten, führte Repara­turen aus und pflegte die Umge­bung des Kirchen­zen­trums eben­so wie den Kon­takt zu den Pfar­reiange­höri­gen. Seine Frau Maria Ammann besorgte fast eben­so lange die Kirchen­wäsche, putzte die Kirche und war ver­ant­wortlich für den Blu­men­schmuck.

Kirchensprengung machte dem Sakristan zu schaffen

Ein paar Wochen nach dem Abschied sitzen Maria und Beat Ammann in ihrer Stube zusam­men. Beim Erzählen sprudeln Erin­nerun­gen an die Ober­fläche, an schöne und schwierige Momente, anstren­gende Phasen und ver­rück­te Begeg­nun­gen. Es passt zu Beat Ammann, dass er sich ein paar Noti­zen gemacht hat, um im Gespräch nichts zu vergessen. Der ehe­ma­lige Sakris­tan zeich­net sich aus durch Ruhe, Umsicht und eine Kon­stanz, die sel­ten gewor­den ist. Seit der Geburt lebt er am gle­ichen Ort, nur ein paar Meter ist er als Erwach­sen­er umge­zo­gen in den Anbau des Eltern­haus­es. Sein Beruf­sleben lang arbeit­ete er als Mod­ellschrein­er, mit sein­er Frau Maria ist er seit 50 Jahren ver­heiratet. Da erstaunt es nicht, dass Beat Ammann sagt: «Was mich in all diesen Jahren am meis­ten mitgenom­men hat, ist die Spren­gung der alten Kirche.» Dort war er getauft und getraut wor­den und auch ihre drei Kinder hat­ten Maria und Beat Ammann in der alten Kirche getauft.

Jeden Tag auf den Kirchturm

Eines Tages stand der Pfar­rer vor der Tür und fragte Beat Ammanns Eltern, ob ihr Jüng­ster nicht den Sigris­ten­di­enst übernehmen wolle. Fün­fzehn Jahre alt war Beat Ammann, als er in der Kirche Bel­likon als Sakris­tan im Nebe­namt anf­ing. Er hat­te ger­ade die offizielle Schulzeit been­det. «Als ältester Min­is­trant hat­te ich dem dama­li­gen Sigris­ten manch­mal bei kleineren Arbeit­en geholfen. So wusste ich schon ein wenig Bescheid», erzählt Beat Ammann. Als junger Sakris­tan stieg er alle 24 Stun­den auf den Turm, um die Gewichtssteine hin­aufziehen. «Wenn ich zu spät kam, lagen die Steine bere­its auf dem Boden. Die Kirch­tur­muhr stand deshalb still und um sie wieder einzustellen, musste ich ‚nach­schla­gen’.» Mit einem Jute­sack um den Ham­mer kon­nte Beat Ammann ver­hin­dern, dass die Nach­barn durch den ausser­plan­mäs­si­gen Glock­en­schlag gestört wur­den.

Läuten gegen Blitzschlag

Das Glock­en­geläut faszinierte Beat Ammann schon immer: «Früher ging ich manch­mal in den Turm, um das Läuten zu erleben.» Seit kurzem wer­den die Glock­en in Bel­likon via Inter­net ges­teuert und per Tablet bedi­ent. Eine Erle­ichterung gegenüber früher: «Jeden Sam­stag um 16 Uhr läuten wir den Son­ntag ein. Dafür musste ich da sein und per Knopf­druck die Glock­en ein­schal­ten. Da hätte mir das I‑Pad schon genützt», sagt Beat Ammann. Bei starken Gewit­tern habe er früher das Wet­ter­glöckchen geläutet, das Josef gewei­ht ist und vor Blitzschlag bewahren soll. «Aber irgend­wann habe ich damit aufge­hört, nach­dem ich durch den Hagel zur Kirche ger­an­nt war und am Tag darauf ein­er anmerk­te, ich hätte ihn mit der Glocke geweckt.»

Auch die Geschwister packten an

Die ersten zehn Jahre sein­er Tätigkeit war Beat Ammann jeden Tag im Ein­satz, ohne freies Woch­enende oder Ferien. Eine organ­isatorische Her­aus­forderung, denn der junge Bursche absolvierte eine Lehre als Mod­ellschrein­er und später die Rekruten­schule. «Während der RS mussten die Geschwis­ter das Nötig­ste erledi­gen, vor allem die Schwest­er ver­trat mich regelmäs­sig.» Aber selb­st in dieser Zeit war es für Beat Ammann selb­stver­ständlich, dass er die Woch­enen­den zwis­chen Abtreten und Wiedere­in­rück­en in der Kirche ver­brachte. Und wenn die Kol­le­gen in der «Stifti» vor der Kar­woche sagten: «Wir gehen vier Tage Ski­fahren», erwiderte er: «Ich gehe vier Tage in die Kirche.» Das habe ihn nie belastet, son­dern sei für ihn ein­fach selb­stver­ständlich gewe­sen, sagt Beat Ammann. Den Dienst als Sakris­tan übte er stets im Nebe­namt aus. Sein Ver­di­enst als Sakris­tan betrug in den ersten Jahren 600 Franken jährlich. Etwa zu Hal­bzeit sein­er Tätigkeit bekam er einen Anstel­lungsver­trag.

Blumen aus dem ganzen Dorf

Als Beat Ammann 18 Jahre alt war, lernte er seine Frau Maria ken­nen. Zu dieser Zeit war er bere­its seit drei Jahren im Amt. «Meine Frau war von Anfang an eine grosse Hil­fe», sagt Beat Ammann. Bald wurde Maria Ammann offiziell ange­fragt, ob sie die Kirchen­wäsche, den Blu­men­schmuck und die Reini­gung der Kirche übernehmen würde. Von da an trug sie Min­is­tran­tengewän­der, Alben und Kelchtüch­er in ihre Waschküche, bügelte mit Fliess­pa­pi­er Wachs­fleck­en aus dem Stoff und fal­tete die frische Wäsche. In mehreren Gärten im Dorf durfte Maria Ammann jew­eils Blu­men für die Kirche pflück­en. Im Fotoal­bum sind die Arrange­ments, die unter Maria Ammanns Hän­den ent­standen, zu bewun­dern. Aus gesund­heitlichen Grün­den musste sie das Putzen und den Blu­men­schmuck vor 20 Jahren abgeben.

Zuerst die Kirche, dann die Badi

Für die drei Kinder von Maria und Beat Ammann war die Arbeit in der Kirche von Anfang an Teil des Fam­i­lien­lebens. Sie halfen schon früh beim Putzen und wussten: Zuerst die Kirche, dann die Badi! Beat Ammann ist bewusst, dass die Fam­i­lie oft hin­ter sein­er Arbeit als Sakris­tan zurück­ste­hen musste. Sog­ar die Hochzeit­sreise ins Tessin mussten die Frischver­mählten abbrechen, weil der Pfar­rer seinen Sakris­tan an Fron­le­ich­nam zurück­haben wollte. Nicht immer ein­fach sei das gewe­sen, gibt Maria Ammann zu. Eine Erle­ichterung war, als der dama­lige Pfar­rer Beat Ammann erk­lärte, er gewähre ihm ab sofort ein freies Woch­enende pro Monat. «Nach zehn Jahren hat­te ich zum ersten Mal wieder einen freien Son­ntag.»

Wenigstens einer weiss Bescheid

Sechs Pfar­rer, vier Stel­lvertreter und diverse Kirchenpflegemit­glieder hat Beat Ammann in sein­er Amt­szeit erlebt. Als beson­ders streng erlebte das Ehep­aar das Jahr ohne Pfar­rer. Das Pfar­rhaus stand leer und die Ammanns waren die Einzi­gen, die Bescheid wussten. «Alles lief über uns, wir gaben Schlüs­sel her­aus, betreuten Handw­erk­er, pflegten den Pfar­rhaus­garten und verpflegten auch ab und zu einen Aushil­f­sp­far­rer bei uns zu Hause», erin­nert sich Beat Ammann.

«Beat, jetzt muesch ufhööre!»

Vor einem Jahr lag Maria Ammann gesund­heitlich sehr angeschla­gen wegen eines Knielei­dens im Spi­tal. «Es wurde mir bewusst, dass auch mir sel­ber so etwas passieren kön­nte und dass dann meine Frau die ganze Arbeit in der Kirche übernehmen müsste. Das machte mir Sor­gen», geste­ht Beat Ammann. Bald darauf bedeutete ihm ein Traum: «Beat, jet­zt muesch ufhööre.» Am fol­gen­den Mor­gen teilte er sein­er Frau mit: «Ich mache noch bis Ende Jahr.» Sie habe das nicht recht geglaubt, sagt Maria Ammann. Doch für ihren Mann war der Traum das Zeichen, das er gebraucht hat­te, um sein Amt mit gutem Gewis­sen abzugeben. Zwar tun sich Maria und Beat Ammann schw­er mit Schätzen, doch über­schlägt man die pro Woche geleis­teten Arbeitsstun­den, resul­tiert lock­er ein 50%-Pensum. Dafür hat sich Beat Ammann während der 57 Jahre als Sakris­tan ein enormes Wis­sen angeeignet. Es freut ihn, dass er seinen Nach­fol­ger per­sön­lich einar­beit­en und seinen Erfahrungss­chatz weit­ergeben kon­nte.

Eine Spur Erleichterung

Turn­vere­in, Fre­unde und vor allem die Fam­i­lie mit den vier Enkeln sor­gen dafür, dass es dem Ehep­aar Ammann nun nicht lang­weilig wird. Die bei­den haben vor, die neu gewonnene Frei­heit zu nützen. Zum Beispiel ein­mal weg­fahren «ohne rechtzeit­ig zu Hause sein zu müssen, um die Kirche zu schliessen!» In Maria Ammanns Lachen liegt eine Spur Erle­ichterung. 
Marie-Christine Andres Schürch
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