Kinder gehören zum Gottesdienst dazu
- Es gehört zum Wesen der Liturgie, dass alle mitÂfeiern. Doch ein GottesÂdiÂenÂstÂbeÂsuch mit kleinen Kindern bedeutet für Eltern oft Stress.
- FachÂstelÂlenÂmiÂtarÂbeiÂtÂende geben AnreÂgunÂgen, was für Kinder und Eltern im GottesÂdiÂenst wichtig ist.
- AarÂgauer PfarÂreien zeigen LösunÂgen, um entspanÂnter gemeinÂsam zu feiern.
ErstkomÂmuÂnion in den hinÂteren ReiÂhen. Das MädÂchen macht sich gross, streckt den Hals und steÂht auf die ZehenÂspitzen. Durch eine Lücke zwisÂchen den dicht gedrängten Leuten verÂsucht es, einen Blick zu erhaschen. Was passiert da vorne? Kurz entschlossen kletÂtert es auf die Sitzfläche der Bank. Endlich! Über die vieÂlen Köpfe hinÂweg sieht die Kleine ihren Cousin, der im weisÂsen Gewand am Ambo steÂht. Aufgeregt stupst sie ihren Vater an. Aus der ReiÂhe vor ihm dreht sich jemand um und guckt böse. Auch im RückÂen spürt der Vater die missÂbilÂliÂgenÂden Blicke.
Interessen prallen aufeinander
Heute bietet fast jede PfarÂrei in irgenÂdeinÂer Form GottesÂdiÂenÂste für Kinder an. «Fiire mit de ChliÂine», «ChinÂderÂchile» oder FamÂiÂlienÂfeiern. Doch wollen die Eltern mit kleinen Kindern einen ganz norÂmalen GemeinÂdeÂgottesÂdiÂenst besuchen, ist das oft mit Stress verÂbunÂden. Den Kleinen wird nach zehn Minuten langÂweilig, sie sehen nichts, wollen sich beweÂgen. Andere GläuÂbige fühlen sich gestört, denn sie suchen in der Kirche besinnliche Stille und wollen die Liturgie in Ruhe mitÂfeiern.
«Wir gehören auch dazu!»
DenÂnoch ist es wichtig, dass kleine Kinder neben den KinderÂfeiern auch den GottesÂdiÂenst der «Grossen» besuchen dürÂfen. ChrisÂtiane BurgÂert arbeitÂet auf der FachÂstelle Katechese–Medien der AarÂgauer LanÂdeskirche. Es gehöre zum Wesen der Liturgie, dass alle mitÂfeiern, betont sie. Dies sei auch im neuen Lehrplan ReliÂgionÂsunÂterÂricht und KatÂeÂchÂese «LeRUKa»festgehalten: «Eine der sechs KomÂpeÂtenÂzen des Lehrplans heisst ‚KatholisÂchen Glauben feiern’. Dabei sollen fünf- bis achtjährige Kinder liturÂgisÂche Feiern als AusÂdruck des Glaubens erleben und mitÂfeiern. Beim GemeinÂdeÂgottesÂdiÂenst spüren die Kinder: Wir gehören auch dazu!»
Willkommenskultur pflegen
Peter MichaÂlik, bei der FachÂstelle BilÂdung und PropÂstei verÂantÂwortlich für den BereÂich PartÂnerÂschaft – Ehe – FamÂiÂlie, hat die Erfahrung gemacht: «Die MenÂschen dürstet nach GemeinÂschaft, nach ZusamÂmenÂsein, sie wollen dazugeÂhören». NatürÂlich messe sich eine gute FamÂiÂlienÂpasÂtoral nicht an der Anzahl Kinder in den GottesÂdiÂenÂsten, doch diejeniÂgen, die dort seien, müssten sich willkomÂmen fühlen. PfarÂreien müssten sichtÂbar machen, dass Kinder einen Platz haben. Und gerÂade an FesÂten wie einÂer ErstkomÂmuÂnion, wo viele Leute im GottesÂdiÂenst sitzen, die sonÂst nicht in der Kirche sind, sei es wichtig, den FamÂiÂlien das Gefühl zu geben, dass sie willkomÂmen sind. «Eine liebevoll gestalÂtete Kinderecke in der Kirche kann ein wichtiges SigÂnal sein».
Kinderecke nach vorne!
In der PfarÂrkirche Muri haben kleine Kinder seit 15 Jahren ihren Platz ganz vorne. KirchenpflegepräsiÂdent Thomas Suter erinÂnert sich an die DiskusÂsioÂnen, die der Kinderecke voranginÂgen: «Es gab Bedenken, die Kinder könÂnten während des GottesÂdiÂenÂstes zu laut spieÂlen oder ständig herumÂlaufen. Auch wollÂten einige die Kinderecke lieber hinÂten in der Kirche, aus Angst, die Kleinen könÂnten vorne stören». Doch die Lösung mit der Kinderecke direkt beim TaberÂnakel, wo die Kleinen etwas sehen und das Geschehen am Altar mitverÂfolÂgen könÂnen, habe sich über die Jahre bewährt. In norÂmalen GottesÂdiÂenÂsten nutzen zwei bis acht Kinder die SpiÂelecke. Auf den vier TisÂchen liegen AusÂmalÂbilder mit Bezug zum KirchenÂjahr. Doch Thomas Suter gibt zu bedenken: «Unsere PfarÂrkirche in Muri ist mit fast 800 Plätzen so gross, dass eine Ecke für Kinder ohne grossen Aufwand geschafÂfen werÂden konÂnte». Auch andere PfarÂreien haben KindereckÂen einÂgerichtet, etwa Kaisten und Stein. In SchöftÂland steÂht hinÂten im KirchenÂraum ein Holzschiff, in dem die Kinder während des GottesÂdiÂenÂstes verÂweilen könÂnen.
Auf die Haltung kommt es an
ChrisÂtiane BurgÂert weiss: «Kinder haben feine AntenÂnen und nehmen intuÂitiv wahr, ob sie im GottesÂdiÂenst willkomÂmen sind oder nicht.» Bei GemeinÂdeÂgottesÂdiÂenÂsten mit kleinen Kindern gehörten eine gewisse Unruhe und ein erhöhter GeräuschÂpegel dazu und erforderten TolÂerÂanz und Geduld. Bei Dauergeschrei des Kindes sollÂten die BegleitÂperÂsoÂnÂen jedoch die Möglichkeit haben, mit dem Kind in einen famÂiÂlienÂfreÂundlichen Raum auszuweÂichen.
Videoübertragung in den Nebenraum
Eine solche AusweÂichÂmöglichkeit bietet die PfarÂrei Herz Jesu Lenzburg. Seit einiÂgen MonatÂen werÂden die GemeinÂdeÂgottesÂdiÂenÂste vom WochÂenende auf einen BildÂschirm in den NebenÂraum der Kirche überÂtraÂgen. Eltern, die sich mit ihren Kindern zurückziehen möchtÂen, könÂnen so den GottesÂdiÂenst weitÂer verÂfolÂgen, während die Kinder spieÂlen. PasÂtoralÂraumpÂfarÂrer Roland Häfliger ist – trotz techÂnisÂchÂer HerÂausÂforderunÂgen – vom Konzept überzeugt: «Wir schreiben KinderÂfreÂundlichkeit gross und ich finde es wichtig, dass FamÂiÂlien sich bei Bedarf zurückziehen könÂnen. GerÂade die Predigt ist für Kinder nicht so spanÂnend, die Eltern könÂnen nun dank der VideoüberÂtraÂgung trotzÂdem zuhören.»
Keinen Aktionismus
Die Predigt gehört zu den LiturgiepasÂsagen, welche für kleine Kinder eher langÂweilig sind. ChrisÂtiane BurgÂert als ProÂjekÂtleiÂtÂerin KatÂeÂchÂese für Kleinkinder und ihre FamÂiÂlien nenÂnt Ideen, wie sich Kinder während solchÂer SequenÂzen beschäftiÂgen könÂnen (Einige AnreÂgunÂgen findÂen sich im Text rechts; beim SmartÂphone ganz unten). BeispielÂsweise könÂnten den Kindern vor der Predigt MalunÂterÂlage, Stifte und eine BildÂvorÂlage gereÂicht werÂden, so dass sie während der Predigt zum SonÂntagÂseÂvanÂgeliÂum malen könÂnen. Wer von den Kindern will, darf das gemalte Bild zur GabenÂbereÂitung nach vorne brinÂgen. ChrisÂtiane BurgÂert betont aber auch: «Beim GemeinÂdeÂgottesÂdiÂenst für Gross und Klein geht es nicht um AktionÂisÂmus und aufwändig gestalÂtete EleÂmente. Es sind die kleinen Dinge, mit welchen wir unsere HalÂtung zum AusÂdruck brinÂgen: Wir sind froh, über die Kinder, welche da sind!»
Bewegung in den Gottesdienst bringen
Kinder spüren die ÜberzeuÂgung in Sprechen und HanÂdeln der FeiernÂden. Je authenÂtisÂchÂer die ErwachÂseÂnen sind, desto einÂfachÂer könÂnen die Kinder in das GeheimÂnis der Feier hineingeÂführt werÂden. ChrisÂtiane BurgÂert plädiert dafür, die Kinder in die liturÂgisÂchen HandÂlunÂgen einzubeziehen. Sei es, dass die Kinder die ProzesÂsion mit dem LekÂtionar zum Ambo begleitÂen oder in einÂer kleinen ProzesÂsion zur GabenÂbereÂitung BluÂmen vor dem Altar abstellen dürÂfen. Auch Peter MichaÂlik findÂet, dass man von starÂren liturÂgisÂchen ForÂmen wegkomÂmen müsse, um den SpaÂgat zwisÂchen KinderÂfreÂundlichkeit und TraÂdiÂtion zu schafÂfen. Allzu viel in einen GottesÂdiÂenst zu packÂen, hält er nicht für sinÂnvoll. Denn: «Je länger eine Feier dauert, desto stresÂsiger wird’s für Eltern mit kleinen Kindern».