Keine Scheu, genau hinzuschauen

Keine Scheu, genau hinzuschauen

  • Alle christlichen Kirchen der Schweiz feiern im Sep­tem­ber die «Schöp­fungsZeit» mit Aktio­nen und Anlässen, welche die Bewahrung der Schöp­fung the­ma­tisieren.
  • Der Vere­in oeku Kirche und Umwelt gestal­tet die Schöp­fungsZeit dieses Jahr zum The­ma «Sehen».
  • Der Sehsinn ste­ht auch im Mit­telpunkt des Wirkens von Augenop­tik­er Beat Vogel. Der Wet­tinger engagiert sich, wo er Hand­lungbe­darf erken­nt, und ent­deckt selb­st nach vie­len Jahren im Beruf immer wieder Verblüf­fend­es rund um die visuelle Wahrnehmung.
Manch­mal muss man etwas ein­fach mit eige­nen Augen gese­hen haben, um Bescheid zu wis­sen. Das sagte sich Beat Vogel, als sich die Chance einen Trans­port von Hil­f­s­gütern nach Rumänien zu begleit­en. «Das hat­te ich mein­er grossen Klappe zu ver­danken», gibt der Augenop­tik­er aus Wet­tin­gen unumwun­den zu, «mein Kol­lege meinte, statt Sprüchek­lopfen solle ich doch lieber ein­mal mitkom­men.» So fuhr Beat Vogel im Jahr 2003 erst­mals mit dem Vere­in Rumänien­hil­fe Wegen­stet­ten in den Nor­dosten von Rumänien.

Ausbildung unterstützen

Was er sah, bewegte ihn zum Han­deln. Während sechs Jahren engagierte sich der gut ver­net­zte Unternehmer bei der Rumänien­hil­fe Wegen­stet­ten, sam­melte und trans­portierte Brillen, Schul­mo­bil­iar und Klei­der. Der Wun­sch nach mehr Nach­haltigkeit brachte ihn auf die Idee, in die Aus­bil­dung der Ein­heimis­chen zu investieren. Schliesslich grün­dete er seinen eige­nen Vere­in, mit dem er zuerst eine psy­chi­a­trische Klinik unter­stützte und aktuell Schü­lerin­nen und Schüler finanziell unter die Arme greift.

«Das muss ich sehen»

Beat Vogel ist ein­er, der sich nicht scheut, genau hinzuschauen. «Wenn wir in Rumänien unter­wegs sind, bin ich der Alb­traum mein­er Über­set­zer. Wo es heisst ‚steig nicht aus!’, tue ich es erst recht», erzählt er. In einem Behin­derten­heim wollte er nicht nur die «Vorzeige-Ecke», son­dern auch den ersten Stock besichti­gen, worauf ihn zwei kräftige Män­ner am Kra­gen pack­ten und zurück­be­förderten. Das grosse Elend in den Städten der Region Moldo­va, die Kor­rup­tion, hor­rende Mehrw­ert­s­teuern am Zoll und den gerin­gen Kred­it, den Osteu­ropäer geniessen, wenn es um Hil­f­s­gelder geht, haben ihn nicht frus­tri­ert. «Im Gegen­teil, ich bin überzeugt, dass man etwas gegen diese Missstände tun muss, die nur ger­ade 2000 Kilo­me­ter von uns ent­fer­nt herrschen.»

Schönheit und Leiden der Natur

Die diesjährige Schöp­fungsZeit the­ma­tisiert den Sehsinnn (siehe Kas­ten). Der fed­er­führende Vere­in oeku Kirche und Umwelt set­zt ganz bewusst auf den Zusam­men­hang zwis­chen Wahrnehmen und Bewusst­wer­den. Wer die Schön­heit der Natur sieht, aber gle­ichzeit­ig auch ihr Lei­den wahrn­immt, ste­ht eher für Kli­maschutz und Bio­di­ver­sität ein. So lädt die oeku während des kom­menden Monats die Men­schen ein, an diversen Anlässen die Schön­heit der Natur zu ent­deck­en.

«Warum wollen Sie kurzsichtig sein?»

Neue über­raschende Ent­deck­un­gen machte Beat Vogel als Augenop­tik­er mit eigen­em Geschäft selb­st noch nach vie­len Jahren im Beruf. Vor etwas mehr als zehn Jahren meldete er sich für eine Weit­er­bil­dung in «Behav­ioral Optom­e­try» an, auf Deutsch «Funk­tion­al Optome­trie».Ein­er der Dozen­ten reizte ihn mit sein­er Art, die Schüler zu provozieren. «Warum wollen Sie kurzsichtig sein?», habe dieser in der ersten Lek­tion eine Mitschü­lerin gefragt. Die Frage regte Beat Vogel zum Nach­denken an. Heute ist er überzeugt, dass Kurzsichtigkeit eine Mix­tur aus Fehlbe­nutzung, genetis­chen und psy­chis­chen Gegeben­heit­en ist und mit dem richti­gen Train­ing gemindert wer­den kann. Kinder mit Lern­schwierigkeit­en und Leseschwäche wür­den häu­fig als ADHS-Kinder abgestem­pelt, was oft nicht stimme: «Manch­mal sind ein­fach einzelne Bere­iche der Vision gestört. Durch Visu­al­train­ing wer­den die vier Teil­bere­iche – Fix­ieren, Scharf­stellen, Augen­be­we­gung und Wahrnehmung der Posi­tion im Raum – gezielt ange­sprochen und geschult.»

Trauma verschiebt die Achse

Der Zusam­men­hang zwis­chen kör­per­lichen Beschw­er­den und beein­trächtigter Vision verblüfft den Augenop­tik­er sel­ber manch­mal. Trau­ma­tisierun­gen aller Art äusserten sich prak­tisch immer als Störung bei der Posi­tion­swahrnehmung im Raum, erk­lärt Beat Vogel: «Durch eine Trau­ma­tisierung ver­schiebt sich die visuelle Achse gegenüber der Kör­per­achse. Der Kör­p­er wird schief gehal­ten und ungle­ich­mäs­sig belastet, was zu zahlre­ichen physis­chen Beschw­er­den führen kann.

Sehen und glauben

Beat Vogel ist sich bewusst, dass er nur einen Bruchteil des Wis­sens im Bere­ich Visu­al­train­ing überblickt. Der provozierende Dozent von damals ist inzwis­chen ein guter Fre­und, der ihn an seinem reichen Erfahrungss­chatz teil­haben lässt. Die über­raschen­den, pos­i­tiv­en Effek­te ein­er kleinen Verän­derung im Sehen, faszinieren Beat Vogel. «Hätte ich das nicht mit eige­nen Augen gese­hen, ich würde es kaum glauben.» 

Veranstaltungen zur SchöpfungsZeit 2020

Marie-Christine Andres Schürch
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