
Bild: © Claudia Berchtold
Immer wieder unterbrechen
Am 1. Advent beginnt das neue Kirchenjahr
Das Kirchenjahr gibt auch in einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft einen Rhythmus vor. Es lädt dazu ein, den Alltag immer wieder einmal zu unterbrechen.
Ein Moment kann sich zur Ewigkeit dehnen und Jahre können im Flug vergehen. Nicht selten leiden wir Menschen an der Zeit. Entweder will sie einfach nicht vergehen, dann wieder rauscht sie im Schnellzugstempo an uns vorbei. Was ist Zeit? In welcher Beziehung steht das Ewige, das Göttliche zum Zeitlichen? Dies sind nicht nur Grundfragen der Philosophie und Wissenschaft, sondern auch der Religion. Die Kirche hat einen wesentlichen Anteil an der Rhythmisierung der Zeit, auch wenn der Sinn mancher freier Tage nicht mehr von allen verstanden wird. Das Kirchenjahr gibt mit Hochfesten wie Weihnachten, Ostern, Pfingsten oder Allerheiligen auch nichtreligiösen Menschen die Struktur des Jahres vor. «Wie auf eine Perlenkette sind die Augenblicke der Berührung von Himmel und Erde, von Gott und den Menschen aufgefädelt – die ganze Kette wird dann zum Kirchenjahr.» Das schreibt der österreichische Theologe Franz Gruber über das Kirchenjahr.
Religion ist Unterbrechung
Die einzelnen Stationen des Kirchenjahres können – auch für kirchenfernere Menschen – Oasen sein, die zum Sammeln, Verweilen und Feiern einladen. «Die kürzeste Definition von Religion ist Unterbrechung», hat der katholische Theologe Johann Baptist Metz einmal formuliert. Die Theologin Doris Strahm schrieb dazu: «Religion als Unterbrechung stellt infrage, dass alles so bleiben muss, wie es ist, dass gelten muss, was immer schon galt und was das Leben von uns Menschen scheinbar alternativlos bestimmt.»
Serie «Mein Kirchenjahr»
Das neue Kirchenjahr beginnt jeweils am 1. Advent. Dieser Beginn ist Anlass zur «Lichtblick»-Serie «Mein Kirchenjahr». Die Serie lädt Sie ein, im kommenden Jahr Feste und Brauchtum im Jahreskreis neu zu entdecken. Es ist die Gelegenheit, den Alltag immer wieder einmal zu unterbrechen. Und zu erfahren, welche Bedeutung ein Fest für uns im Hier und Heute haben kann.
Auszeiten im Advent
Das lateinische Wort «adventus» bedeutet Ankunft. Der Advent ist eine Zeit der Erwartung mit Fragen wie: Was dürfen wir hoffen? Wann kommt Gott?
Warten gilt oft als vergeudete Zeit. Menschen wollen jede Lücke füllen, mit Nachrichten, sozialen Medien oder Podcasts. Doch die Psychologie zeigt: Warten tut uns gut. Ein Tipp für den Alltag: Statt Warten als lästige Verzögerung zu betrachten, akzeptieren Sie die Unterbrechung als Pause zum Durchatmen. Ein bewusster Blick auf die Umgebung oder die Konzentration auf den eigenen Atem reduzieren Stress und geben neue Energie.
Die Adventszeit ist mit Traditionen wie Weihnachtsmärkten, Guetzlibacken und Christbaumschmücken reich gefüllt. Folgende zwei Bräuche schenken auf einfache Art eine kleine Auszeit:
Barbarazweig: Der Legende nach haben auf dem Grab der heiligen Barbara an Weihnachten Blumen geblüht. Stellen Sie an ihrem Gedenktag, dem 4. Dezember, Obstbaumzweige, am besten Kirschzweige, in eine Vase. Bis zum Heiligen Abend blühen sie auf und versprechen Segen für das neue Jahr.
Räuchern: In einigen Gegenden wurde früher zwischen der Wintersonnenwende am 21. Dezember und Dreikönig am 6. Januar mit Weihrauch oder Kräutern das Haus von bösen Geistern befreit. Heute kann das Räuchern gedeutet werden als Vorbereitung und Reinigung für Weihnachten und das neue Jahr. Dazu etwas Weihrauch und Küchenkräuter wie Rosmarin, Thymian, Salbei oder Lavendel in einem feuerfesten Gefäss auf glühende Kohlen legen und von Raum zu Raum gehen.


