Heik­le Ope­ra­ti­on am Herz
Die Kapelle, der Turm mit dem Geläute und das Pfarrhaus der Kirche Don Bosco im Basler Breitequartier sind im Eigentum der Römisch-Katholischen Kirche Basel-Stadt verblieben. Während im ehemaligen Kirchenraum oben Konzerte stattfinden, bleibt mit der renovierten Kapelle im Untergeschoss ein kleines Stück kirchliche Heimat im Quartier erhalten.
Bild: © Kir­che heute

Heik­le Ope­ra­ti­on am Herz

Die Nutzungserweiterung von Kirchen ist ein wichtiges Thema der Zukunft

Kirchenumnutzungen sind das Thema der Zukunft. Umsichtig geplant, können sie zum Symbol der Entwicklung werden.


An den Aar­gau­er Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen, die die­ses Wochen­en­de statt­fin­den, beschäf­ti­gen sich die Teil­neh­men­den unter ande­rem mit dem The­ma Kir­chen­um­nut­zun­gen. Die Tagung wird von der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei orga­ni­siert, die sich im Vor­feld in den Pfar­rei­en nach bren­nen­den Fra­gen umge­hört hat. «Ich besu­che jedes Jahr eini­ge Kir­chen­pfle­gen im Kan­ton. In den Gesprä­chen habe ich das Bedürf­nis wahr­ge­nom­men, sich mit Kir­chen­um­nut­zung aus­ein­an­der­zu­set­zen», sagt Alo­is Metz. Der Mit­ar­bei­ter der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei atte­stiert den Ver­ant­wor­tungs­trä­ge­rin­nen und ‑trä­gern in den Pfar­rei­en umsich­ti­ge Pla­nung: «Noch ist das The­ma nicht akut. Aber man will vor­be­rei­tet sein, wenn die Fra­ge nach einer Umnut­zung oder Nut­zungs­er­wei­te­rung des Kir­chen­ge­bäu­des aufkommt.»

Aktu­el­le Situa­ti­on im Kan­ton Basel-Landschaft

Die Kir­che St. The­re­sia in All­schwil ist aktu­ell das ein­zi­ge Bei­spiel im Kanton

Nach aktu­el­ler Aus­kunft der Römisch-Katho­­li­­schen Kir­che des Kan­tons Basel-Lan­d­­schaft sind aus­ser der Kir­che St. The­re­sia in All­schwil kei­ne Kir­chen umge­nutzt. Laut Kir­chen­rats­prä­si­dent Ivo Cor­vi­ni lie­gen der­zeit kei­ne Hin­wei­se oder Berich­te aus Kirch­ge­mein­den vor, die auf eine Umnut­zung oder Nicht­nut­zung von Kir­chen­räu­men hin­deu­ten. «Es ist jedoch nicht aus­zu­schlies­sen, dass finan­zi­el­le Her­aus­for­de­run­gen und der Rück­gang an Seel­sor­gen­den lang­fri­stig eine stär­ke­re Fokus­sie­rung auf ein­zel­ne Kir­chen erfor­der­lich machen könn­ten, wodurch das The­ma der Umnut­zung in Zukunft an Bedeu­tung gewin­nen könn­te», erklärt Cor­vi­ni mit Blick auf die Zukunft.

 

«The­ma wird auf uns zukommen»

Ähn­lich schätzt der Aar­gau­er Kir­chen­rats­prä­si­dent Pas­cal Gre­gor die Lage ein: «Unse­re Mit­glie­der­zah­len gehen jähr­lich um zwei bis drei Pro­zent zurück. Bis dato sind bei der Lan­des­kir­che kei­ne Mit­tei­lun­gen von Kirch­ge­mein­den ein­ge­gan­gen, dass sakra­le Räu­me nicht mehr genutzt wer­den. Auf­grund des Rück­gangs des Steu­er­sub­strats wis­sen wir jedoch von Kirch­ge­mein­den mit finan­zi­el­len Schwie­rig­kei­ten. Da sich der Man­gel an Seel­sor­gen­den zuspitzt, gehen wir davon aus, dass die Fokus­sie­rung auf ein­zel­ne Kir­chen zunimmt und das The­ma von Kir­chen­um­nut­zun­gen frü­her oder spä­ter auf uns zukom­men wird.»An den Aar­gau­er Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen, die die­ses Wochen­en­de statt­fin­den, beschäf­ti­gen sich die Teil­neh­men­den unter ande­rem mit dem The­ma Kir­chen­um­nut­zun­gen. Die Tagung wird von der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei orga­ni­siert, die sich im Vor­feld in den Pfar­rei­en nach bren­nen­den Fra­gen umge­hört hat. «Ich besu­che jedes Jahr eini­ge Kir­chen­pfle­gen im Kan­ton. In den Gesprä­chen habe ich das Bedürf­nis wahr­ge­nom­men, sich mit Kir­chen­um­nut­zung aus­ein­an­der­zu­set­zen», sagt Alo­is Metz. Der Mit­ar­bei­ter der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei atte­stiert den Ver­ant­wor­tungs­trä­ge­rin­nen und ‑trä­gern in den Pfar­rei­en umsich­ti­ge Pla­nung: «Noch ist das The­ma nicht akut. Aber man will vor­be­rei­tet sein, wenn die Fra­ge nach einer Umnut­zung oder Nut­zungs­er­wei­te­rung des Kir­chen­ge­bäu­des aufkommt.»


Zur Inspi­ra­ti­on

Ita­li­en ist vol­ler Kir­chen, dar­un­ter auch einer wach­sen­den Zahl an «Ent­weih­ten». Der jun­ge Mai­län­der Foto­graf Andrea Di Mar­ti­no ist seit Jah­ren recher­chie­rend im Land unter­wegs und foto­gra­fiert die neu ent­deck­ten Nut­zun­gen ent­weih­ter Kir­chen vom immer glei­chen, zen­tra­len Stand­ort aus. Sein Schau­band «The Mass is Ended» ver­sam­melt 50 qua­dra­ti­sche «Bestan­des­auf­nah­men» – von der Auto­werk­statt zu einer Moschee, zum Waren­la­ger und zum Night Club.

«The Mass is ended» von Andrea Di Mar­ti­no und Klaus Litt­mann, Rein­hardt-Ver­lag, Basel. www.reinhardt.ch | ​ISBN: 978–3‑7245–2146‑4

Kir­chen gehö­ren allen

Wenn immer weni­ger Men­schen die Got­tes­dien­ste besu­chen und das Geld für den Unter­halt der Kir­che fehlt, ste­hen eine Umnut­zung oder Nut­zungs­er­wei­te­rung zur Dis­kus­si­on. Doch geht es um die Kir­che im eige­nen Dorf, wird die Dis­kus­si­on schnell emo­tio­nal. Auch im posi­ti­ven Sinn. Alo­is Metz sagt: «Kir­chen sind star­ke emo­tio­na­le Iden­ti­fi­ka­ti­ons­or­te.» Auch wenn vie­le Men­schen die Anläs­se nicht mehr besu­chen wür­den, sei ihnen doch ein Anlie­gen, dass es den Ort noch gebe. Das sieht auch Johan­nes Stückel­ber­ger so. Er ist eme­ri­tier­ter Dozent für Reli­gi­ons- und Kir­chen­äs­the­tik und Pro­fes­sor für Neue­re Kunst­ge­schich­te an der Uni­ver­si­tät Basel. «Kir­chen gehö­ren nicht allein den Kirch­ge­mein­den. Sie sind öffent­li­che Gebäu­de und gehö­ren allen», sag­te er in einem Inter­view mit kath.ch im Jahr 2021.

Daten­bank schafft Über­sicht Aber Stückel­ber­ger hielt auch fest: «Kir­chen­um­nut­zun­gen haben in den ­ver­gan­ge­nen ­Jah­ren zuge­nom­men. Dem kön­nen sich die Kir­chen ent­we­der ver­schlies­sen oder die Chan­ce ergrei­fen.» Kunst­hi­sto­ri­ker Stückel­ber­ger ist Exper­te, wenn es um die Umnut­zung von Kir­chen geht. Er hat die Daten­bank der Uni­ver­si­tät Bern initi­iert, wel­che Kir­chen, Kapel­len und Klö­ster in der Schweiz umfasst, die in den letz­ten 25 Jah­ren eine Umnut­zung erfah­ren haben oder deren Umnut­zung vor­ge­se­hen ist

Wei­te­re Infos zum The­ma Kirchenumnutzung

Der Kir­chen­bau­tag gibt wich­ti­ge Impul­se, und die Daten­bank der Uni Bern schafft einen Überblick

Kir­chen­bau­tag 2025

Der sech­ste Schwei­zer Kir­chen­bau­tag fin­det statt am Frei­tag, 29. August, von 9.15 bis 17 Uhr in der Pau­lus Aka­de­mie Zürich (Pfingst­weids­tras­se 28).

The­ma: Kir­che im Quar­tier. Zur Bedeu­tung kirch­li­cher Immo­bi­li­en für den Sozi­al­raum. Orga­ni­siert von der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät der Uni Bern, dem Kom­pe­tenz­zen­trum Lit­ur­gik, der Pau­lus Aka­de­mie und der Schwei­ze­ri­schen St. Lukas­ge­sell­schaft für Kunst und Kirche.

www.paulusakademie.ch

Daten­bank zu Kirchenumnutzungen:

www.schweizerkirchenbautag.unibe.ch

Heikle Operation am Herz - Lichtblick Römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz 4
Der Kir­chen­raum der Don Bosco-Kir­che in Basel ist heu­te ein Kon­zert­saal mit Platz für 500 Per­so­nen. © Kir­che heute

Der Pro­zess braucht Zeit

Die Ver­ant­wort­li­chen in den Pfar­rei­en tun also gut dar­an, sich mit dem The­ma zu befas­sen. Umso mehr, als der Pro­zess von der Idee bis zur fer­ti­gen Umset­zung bei einer Kir­che, die noch in Betrieb ist, im Schnitt etwa zehn Jah­re dau­ert. Und weil Kir­chen häu­fig mit­ten im Dorf ste­hen und sozu­sa­gen das Herz einer Gemein­schaft bil­den, sind Ein­grif­fe an der Kir­che eine Ope­ra­ti­on am Herz, die sorg­fäl­ti­ge Vor­be­rei­tung und zwin­gend den Ein­be­zug von Fach­per­so­nen ver­langt. Nach dem gelun­ge­nen Ein­griff kann das Herz wie­der rich­tig pum­pen, und das Leben kehrt zurück.

Zwei gros­se Pro­jek­te in Basel

Bereits zwei sol­cher «Ope­ra­tio­nen» hat Chri­sti­an Griss, Kir­chen­rats­prä­si­dent der Römisch-Katho­li­schen Kir­che Basel-Stadt, mit­ge­macht. Aus Erfah­rung weiss er: «Bei der Umnut­zung von Kir­chen, die unter Denk­mal­schutz ste­hen, braucht es ent­we­der Spon­so­ren oder eine öffent­lich-recht­li­che Nut­zung.» Im städ­ti­schen Raum sei es bedeu­tend ein­fa­cher, öffent­lich-recht­li­che Nach­nut­zer zu fin­den als in länd­li­chen Gebie­ten. Gewinn las­se sich höch­stens erwirt­schaf­ten, wenn eine Kir­che abge­ris­sen wer­den darf und statt­des­sen Wohn- und Arbeits­raum geschaf­fen wer­den kann. So wie im Fall der Kir­che St. Chri­sto­pho­rus in Basel. Im Jahr 2018 liess die Lan­des­kir­che im Kon­sens mit Quar­tier­rat, Pfar­rei, Anwoh­nern und Kir­chen­lei­tung die sanie­rungs­be­dürf­ti­ge, aber nicht denk­mal­ge­schütz­te Kir­che in Klein­hü­nin­gen abreis­sen. In das neu errich­te­te mul­ti­funk­tio­na­le Kir­chen­zen­trum mit Pfle­ge­wohn­heim und Alters­woh­nun­gen, zwei Kin­der­gär­ten, Miet­woh­nun­gen, Gar­ten und Kin­der­spiel­plät­zen wur­de auch eine Kapel­le ein­ge­baut. So bleibt die Kir­che im Quar­tier prä­sent und unter­hält eine zukunfts­taug­li­che, sich finan­zi­ell selbst tra­gen­de Liegenschaft.

Kon­zert­saal für 500 Personen

Eine neue Nut­zung hat die denk­mal­ge­schütz­te Kir­che Don Bosco im Bas­ler Brei­te­quar­tier erhal­ten. Im Jahr 2012 nahm die Lan­des­kir­che die Umnut­zung in Angriff. Mit der Grün­dung des Ver­eins «Musik- und Kul­tur­zen­trum Don Bosco» zeich­ne­te sich ab 2016 eine Lösung ab. Wäh­rend der Ver­ein die Haupt­kir­che, das Pfar­rei­heim und die Grund­flä­chen für die Kir­chen­an­bau­ten im Bau­recht über­nahm, ver­blie­ben die Kapel­le, der Turm mit dem Geläu­te und das Pfarr­haus im Eigen­tum der Lan­des­kir­che. Dank gross­zü­gi­ger Spen­den von Pri­va­ten und Stif­tun­gen konn­te der rund 11 Mil­lio­nen teu­re Umbau rea­li­siert wer­den. Der Kir­chen­raum wur­de zu einem unter­schied­lich bespiel­ba­ren Pro­be- und Kon­zert­saal umge­baut, der Platz für 500 Per­so­nen bie­tet. Ton­stu­dio, Stimm­zim­mer, Gar­de­ro­ben und Büro­räu­me ergän­zen das Ange­bot. In der reno­vier­ten Kapel­le fin­den regel­mäs­sig Got­tes­dien­ste der Pfar­rei Hei­lig­geist statt.

Marie-Christine Andres Schürch
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