Gemeinsamkeiten sind Gold wert

Gemeinsamkeiten sind Gold wert

Am kom­menden Sam­stag, 2. Sep­tem­ber 2017 lädt Bischof Felix Gmür alle «gold­e­nen Paare» im Bis­tum Basel zu einem Fest­gottes­di­enst nach Solothurn ein. Mit dabei sind auch Judith und Felix Köhn aus Mag­den, die seit fün­fzig Jahren ver­heiratet sind. Zu Beginn des Gesprächs hebt Felix Köhn scherzhaft dro­hend den Zeigefin­ger: «Wenn wir begin­nen zu erzählen, kom­men Sie hier nie mehr weg…». Eine leb­hafte Unter­hal­tung über fün­fzig Jahre Ehe, Gipfelkreuze, Grosskinder, Gott und die Welt. Judith und Felix Köhn, Sie reisen am Sam­stag nach Solothurn zum Fest­gottes­di­enst für «gold­ene Paare». Worauf freuen Sie sich? Judith Köhn: Ich habe im Pfar­rblatt von der Feier gele­sen, mich auf dem Pfar­ramt danach erkundigt und uns dann angemeldet. Auf die Feier freue ich mich nicht zulet­zt deshalb, weil ich – obwohl meine Eltern gebür­tige Solothurn­er waren – noch nie in der Kathe­drale war. Felix Köhn: Ich hoffe, dass wir gewisse Ideen an den Bischof brin­gen kön­nen und er unsere Anliegen auch aufn­immt. Judith Köhn: Nach der Feier gibt es noch ein Beisam­men­sein in der Kan­ton­ss­chule Solothurn. Vielle­icht kann man dort mit Bischof Felix ins Gespräch kom­men.Was wollen Sie dem Bischof denn mit­teilen? Felix Köhn: Wir sind in der Pfar­rei St. Anton in der Stadt Basel aufgewach­sen. Ich war in der Jung­wacht, Judith im Blau­r­ing, wo wir uns ken­nen- und lieben lern­ten. Wir sind stets in der Kirche geblieben, weil sie viele soziale Auf­gaben erfüllt und sich viele Men­schen, vor allem Frauen, ehre­namtlich engagieren. Doch genau hier liegt das Prob­lem: in punk­to Stel­lung der Frau ist die katholis­che Kirche gnaden­los rück­ständig. Judith Köhn: Und solange in Sachen Zöli­bat nichts passiert, wird die katholis­che Kirche rück­ständig bleiben.Sie waren 18 und 21 Jahre alt, als sie sich als Blau­r­ingführerin und Jung­wacht­führer, wie es damals noch hiess, ken­nen­lern­ten. Wie haben Sie die Kirche damals wahrgenom­men? Felix Köhn: Wir hat­ten eine wahnsin­nig enge Verbindung zu dieser Kirche. Zum einen zum Gebäude, zur Pfar­rkirche St. Anton in Basel. Es war die erste Sicht­be­tonkirche in der Schweiz, erbaut von Karl Moser in den 1920er-Jahren. Noch immer ein beein­druck­ender Raum mit ein­ma­ligem Licht. Judith Köhn: In dieser Kirche haben wir 1967 geheiratet. Felix Köhn: Aber abge­se­hen vom Gebäude waren wir auch der Insti­tu­tion Kirche eng ver­bun­den. Doch schon damals wollte ich das Image der Kirche und vor allem der Jung­wacht entstauben. Wir Jung­wächter wur­den damals als «Wei­h­wasser­frösche» betitelt, was mich sehr gewurmt hat. Ich habe mit mein­er Jung­wacht­gruppe Neues aus­pro­biert. Statt Grup­pen­stun­den zu hal­ten, ging ich mit den Buben Zel­ten und Klet­tern. So, wie es in der Pfa­di damals schon üblich war. Da gab es aber Wider­stand vom Schweiz­erischen Jung­wacht-Bund. Zum Glück hat­ten wir immer wieder gute Präs­es und auch gute Pfar­rer, die uns Rück­halt gaben. Aber in unser­er Pfar­rei mit damals 33 000 Gläu­bi­gen und zeit­en­weise acht Priestern, gab es auch einige dun­kle Stellen. In Sachen Aufk­lärung war die Kirche enorm hin­ten­drein. Judith Köhn: Deshalb war auch eine Beziehung zwis­chen Blau­r­ingführerin und Jung­wacht­führer, wie wir sie hat­ten, prob­lema­tisch. Eigentlich sollte es die gar nicht geben.Trotz allem sind Sie katholisch geblieben? Felix Köhn: Was wir machen, ist, im kleinen Rah­men, dort wo wir kön­nen, katholisch sein, das Leben nach der Bibel gestal­ten, anderen helfen und gute Gedanken pfle­gen. Judith Köhn: So engagieren wir uns hier in Mag­den zum Beispiel im Vere­in «Senioren für Senioren», den wir mit­be­grün­det haben. Felix Köhn: Die Idee ist, dass Senioren einan­der im All­t­ag unter­stützen. Wir helfen einem Ehep­aar, das Mitte achtzig ist. Ich mähe den Rasen und bleibe danach jew­eils noch ein wenig bei ihnen zum Reden. So ist eine Ver­trauens­ba­sis ent­standen. Bei den let­zten Gesprächen stellte ich fest, dass der Tod für dieses Ehep­aar zunehmend zum The­ma wird. Das war vor zwei, drei Jahren noch nicht so. Judith Köhn: Uns sel­ber hil­ft das vielle­icht auch zu ler­nen, mit dem Tod umzuge­hen.Obwohl sie bei­de offen­sichtlich mit­ten im Leben ste­hen. Judith Köhn: Das ist so. Dank unseren zwei erwach­se­nen Söh­nen und unseren fünf Enkeln sowie unseren Hob­bies haben wir viele schöne Auf­gaben. Die Enkel sind inzwis­chen Teenag­er, kom­men aber immer noch ab und zu vor­bei. Felix Köhn: Mit ihnen kön­nen wir über alles reden, auch über heik­le The­men wie Sex. Das Ver­trauen zwis­chen uns Grossel­tern und den Enkeln ist über lange Zeit gewach­sen, seit sie klein waren, haben wir Zeit mit ihnen ver­bracht. Zum Beispiel haben wir sie jedes Jahr mit in die Ferien genom­men. Um diese gute Basis muss man sich rechtzeit­ig küm­mern.Und was ist die Basis für fün­fzig gute Ehe­jahre? Felix Köhn: Wir haben eine gemein­same Grund­lage. Aufgewach­sen im gle­ichen Basler Quarti­er, bei­de aktiv in der Pfar­rei, bei­de waren mit den Eltern regelmäs­sig in den Bergen unter­wegs. Ich bin durch meinen Vater zum Alpin­is­mus gekom­men. Später, als Gebirgs­grenadier im Mil­itär und als SAC-Mit­glied habe ich sämtliche Schweiz­er Vier­tausender bestiegen. Auch mit unseren Söh­nen waren wir häu­fig in den Bergen unter­wegs. Das Gipfel­er­leb­nis ist stark. Oben am Gipfelkreuz ist nur noch blauer Him­mel, da ist man nahe beim Her­rgott. Eine Bestei­gung kann auch psy­chisch einiges bewirken, Anges­tautes löst sich. Schaut man von oben hin­unter, spürt man eine grosse Frei­heit. Dafür muss man nicht ein­mal zwin­gend auf einen Vier­tausender, es reicht auch ein Hügel. Judith Köhn: Auch ich war als Kind mit den Eltern in den Bergen, zum Beispiel im Nation­al­park. Mein Vater hat­te es zwar auf dem Herz und musste sich zwis­chen­durch hin­le­gen. Manch­mal legte er dann sein Taschen­tuch auf einen Ameisen­haufen und im Weit­erge­hen roch er daran. Die Ameisen­säure helfe ihm beim Atmen, sagte er. Das ist mir geblieben. Über­haupt: es gibt so viele Geschicht­en in unserem Leben – und sie sind alle noch so präsent. Ver­rückt, wie rasch die Zeit verge­ht.Gehen Sie heute noch zusam­men in die Berge? Judith Köhn: Ja, wir wan­dern zusam­men, zum Beispiel im Engadin. Und zwis­chen Anfang Novem­ber und Ende Jan­u­ar streifen wir gemein­sam durch den Wald. Wir sind seit etwa 15 Jahren bei­de im Naturschutzvere­in Mag­den und betreuen dort 150 Nistkästen in drei Waldge­bi­eten. Das ist eine sehr inten­sive Arbeit den Win­ter hin­durch.Sie scheinen einige gemein­same Hob­bies zu pfle­gen. Felix Köhn: Das ist auch wichtig. Wir haben zwar bei­de unseren Freiraum, pfle­gen aber auch die Gemein­samkeit­en. Eine heik­le Ehep­hase ist zum Beispiel, wenn die eige­nen Kinder ausziehen. Judith Köhn: Vorher war man ja immer beschäftigt. Aber wenn die Kinder weg sind… Felix Köhn: …da muss man sich als Paar neu find­en und eben etwas Gemein­sames suchen. Auch die Pen­sion­ierung ist ein heik­ler Punkt. Und ich finde auch da gilt: sich rechtzeit­ig Gedanken machen und sich wenn möglich schrit­tweise dem Ruh­e­s­tand annäh­ern. Son­st fällt man in das berühmte Loch. Judith Köhn: Und zwis­chen­durch gehen wir gemein­sam in die Stille. Kür­zlich fuhren wir spon­tan mit einem befre­un­de­ten Ehep­aar ins Kloster Baldegg und sassen in eine Andacht. Oder wir gehen nach Mari­astein oder steigen auf den Buschberg. Dort oben ist es zu jed­er Jahreszeit schön. Und etwas abseits der Kapelle, beim Schnäggestei, liegt ein stark­er Kraftort. Auf dem Buschberg kön­nen wir auf­tanken.Feiern Sie ihre gold­ene Hochzeit auch noch «weltlich»? Judith Köhn: Ja. Einen Tag nach der Feier in Solothurn gehen wir mit Kindern und Grosskindern essen und feiern.  
Marie-Christine Andres Schürch
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