«Es fehlt an Verständnis für Trauernde um ein Tier»

«Es fehlt an Verständnis für Trauernde um ein Tier»

 Frau Schmitt, in Ihrer Dis­ser­ta­tion beschäfti­gen Sie sich mit der Trauer um Haustiere: Was sind die wichtig­sten Erken­nt­nisse, zu denen Sie im Rah­men Ihrer Forschung gelangt sind? Mar­i­on Schmitt: Die wichtig­ste Erken­nt­nis ist wahrschein­lich, dass es prinzip­iell keinen Unter­schied gibt zwis­chen der Trauer um einen Men­schen und einem Tier. Wenn man davon aus­ge­ht, dass Trauer eine nor­male Reak­tion auf einen Ver­lust ist, ist das auch nicht ver­wun­der­lich. Grund­sät­zlich muss man aber sagen, dass die Trauer um Men­schen wie um Tiere in jedem Fall sehr indi­vidu­ell ist.Gibt es wirk­lich keinen wesentlichen Unter­schied? Mar­i­on Schmitt: Doch – zu nen­nen wäre die mitunter sehr belas­tende Entschei­dung zur Ein­schläfer­ung, die ein Tier­hal­ter oft tre­f­fen muss. Oder dann die Fülle an Möglichkeit­en zur Bestat­tung.Herr Schaar, in Seel­sorgege­sprächen ist laut Ihrer Aus­sage die Trauer um ein Hausti­er oft ein The­ma. Haben die Tier­hal­ter auch schon nach Bestat­tungsritualen gefragt? Michael Schaar: Der Wun­sch wurde schon mehrmals geäussert, aber wir wollen das the­ol­o­gisch reflek­tiert und begrün­det entwick­eln. Das braucht sich­er noch etwas Zeit. Gemein­sam mit «AKUT», der Aktion Kirche und Tiere, sind wir an dem The­ma dran. Zudem gebe ich in Gesprächen Hin­weise, wie so ein Bestat­tungsritu­al ausse­hen kön­nte.Man ist ver­sucht zu sagen, dass ger­ade ältere und alle­in­ste­hende Men­schen stärk­er um ein Hausti­er trauern, weil das Tier für sie ein Part­ner­ersatz ist. Inwieweit stimmt das? Mar­i­on Schmitt: 2017 bestanden 70 Prozent der deutschen Haushalte mit Heimtieren aus zwei oder mehr Per­so­n­en, und 53 Prozent der Heimtiere lebten bei Men­schen, die jünger waren als 50 Jahre. Das Bild vom alten, ein­samen Men­schen stimmt so also nicht.Gibt es Unter­schiede bei der Trauer in Abhängigkeit zur Bindungs­fähigkeit und Lebens­dauer eines Tieres? Also wird beispiel­sweise um einen Hund eher und stärk­er getrauert als um ein Zwergkan­inchen? Mar­i­on Schmitt: Trauer ist eine Emo­tion und als solche indi­vidu­ell und sehr sub­jek­tiv. Sie zu messen, ist daher kaum möglich. Manche Men­schen trauern um ihr Kan­inchen genau­so oder stärk­er als andere Men­schen um ihren Hund und umgekehrt. Jed­er Men­sch ist einzi­gar­tig, jedes Tier, jede Beziehung und jede Ver­lust­si­t­u­a­tion. Daher sollte man sich beim Umgang mit Trauern­den nicht pauschal darauf beschränken, was man an «harten Fak­ten» zu wis­sen glaubt. Trauer fol­gt keinen logis­chen Geset­zmäßigkeit­en.Nun hat in der Schweiz also der erste Gottes­di­enst für Men­schen stattge­fun­den, die um ein Hausti­er trauern. Wurde das nicht belächelt oder kri­tisiert? Michael Schaar: Im Gegen­teil! Auf unsere Ankündi­gung hin beka­men wir eine Fülle von Dankesmails, dass wir das The­ma auf­greifen – selb­st das Tier­spi­tal Zürich bedank­te sich. Und die Paulus-Akademie in Zürich wird sich gemein­sam mit dem Bestat­tungsamt Zürich in ein­er Ver­anstal­tung im April dem The­ma nochmals ver­tieft annehmen. In unseren kirch­lichen Kalen­der haben wir jeden­falls eine jährliche Feier eingeschrieben, die für trauernde Tier­hal­tende bes­timmt ist. Zudem wollen wir ver­suchen, eine spezielle Trauer­gruppe für Men­schen aufzubauen, die um ein Hausti­er trauern.Frau Schmitt, Sie wollen mit Ihrer Dis­ser­ta­tion ein Bewusst­sein für Trauer um Haustiere schaf­fen. Inwiefern fehlt das unser­er Gesellschaft? Mar­i­on Schmitt: Ich habe das Gefühl, dass es generell an Ver­ständ­nis für Trauernde fehlt – auch, wenn es um den Ver­lust eines Men­schen geht. Es man­gelt an Wis­sen darüber, wie ich mit Trauern­den umge­hen soll. Die Men­schen haben den Bezug zum Tod und zur Trauer ver­loren, weil sie nur noch immer sel­tener damit in Kon­takt kom­men und das vielle­icht auch gar nicht wollen. Das ist insofern gefährlich, als dass aus unter­drück­ter oder ver­drängter Trauer psy­chis­che Störun­gen und Gefahren für die kör­per­liche Gesund­heit entste­hen kön­nen. 
Andreas C. Müller
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