Erwachsen glauben

Erwachsen glauben

Jere­mia 31, 31–34Seht, es wer­den Tage kom­men – Spruch des Her­rn –, in denen ich mit dem Haus Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund schliessen werde, nicht wie der Bund war, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägypten her­auszuführen. Diesen meinen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich ihr Gebi­eter war – Spruch des Her­rn. Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schliesse – Spruch des Her­rn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie wer­den mein Volk sein. Kein­er wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinan­der sagen: Erken­nt den Her­rn!, son­dern sie alle, Klein und Gross, wer­den mich erken­nen – Spruch des Her­rn. Denn ich verzei­he ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.Ein­heit­süber­set­zung, gekürzt 

Erwachsen glauben

Was für ein schönes Bild. Gott, der die Israeliten bei der Hand nimmt. Die sich in ein­er prekären Sit­u­a­tion befind­en, in der Sklaverei, in Unfrei­heit. Da kommt Gott, nimmt sie bei der Hand und führt sie hin­aus.Wer wün­scht sich das nicht immer wieder in schwieri­gen Sit­u­a­tio­nen? Ein­fach voller Ver­trauen alles abgeben, sich abnehmen lassen, sich führen lassen – aus der schwieri­gen Beziehung, aus der Aus­bil­dung, die einen anödet, aus dem anstren­gen­den Job. Alles hin­ter sich lassen, her­aus­ge­führt wer­den. In die Frei­heit.Wenn es denn so ein­fach wäre. Es ist die kindliche Seite in uns, die solche Wün­sche hat. Und die sind auch berechtigt. Sie sind da, und immer wieder melden sie sich und möcht­en erfüllt wer­den.Doch es ist nicht so ein­fach. Vom gebroch­enen Bund ist die Rede. Die Frei­heit wurde miss­braucht. Das Kind kommt in die Pubertät und will frei sein von den Regeln, den Geset­zen, den Vorschriften, die dieser Bund mit sich bringt, von allem, was schein­bar einengt. Es emanzip­iert sich, will erwach­sen sein, sel­ber entschei­den. Das geht nicht ohne Bruch. Nicht im wirk­lichen Leben, wenn aus Kindern Erwach­sene wer­den, und auch nicht im Glaubensleben. Der Kinder­glaube will erwach­sen wer­den und dazu muss einiges «Alte» abge­wor­fen wer­den, wie eine zu eng gewor­dene Haut, ein Klei­dungsstück, aus dem ich raus­gewach­sen bin.Was nun? Am Kinder­glauben fes­thal­ten und doch immer mehr fest­stellen, dass er nicht mehr passt? Den Glauben aufgeben? Weil es früher ja bess­er, ein­fach­er war?Wie wird der Glaube erwach­sen? Brauche ich einen neuen Glauben – wie ein neues Klei­dungsstück? Oder lässt sich der zu klein gewor­dene Kinder­glauben umän­dern?Da macht Gott ein Ange­bot. Einen neuen Bund bietet er an. Sein Gesetz, das er ins Herz hinein­legt. Hinein­schreibt. Dieses Bild erin­nert mich an das franzö­sis­che Wort für «auswendig ler­nen»: «appren­dre par cœur». Was mir ins Herz hinein­gelegt wird, was ich durch das Herz lerne, das ist mir lieb und teuer. Das ver­liere ich nicht wieder, das gebe ich nicht auf. Das ergreift mich im Inner­sten. Welch­es ist nun sein Gesetz, sein neuer Bund?Als Christin­nen und Chris­ten glauben wir: Jesus Chris­tus ist der­jenige, der den neuen Bund mit uns schliesst. Und sein Gesetz, das er uns ans Herz legt, ist das Liebesge­bot. Nicht mehr und nicht weniger. Damit kann der Glaube erwach­sen wer­den.Erwach­sen­er Glaube. Das ist Ver­trauen trotz und mit allen Erfahrun­gen, die ich in meinem Leben schon gemacht habe. Das ist ein Ja in Frei­heit zu dem Gott, der mir immer wieder anbi­etet, dass er mit mir geht, mich begleit­et. Der Gott, der eine per­sön­liche und reife Beziehung zu mir haben möchte. Und dem ich immer wieder neu antworten kann und darf. Um dann in dieser Beziehung und aus dieser Beziehung her­aus leben und ver­ant­wor­tungs­be­wusst han­deln zu kön­nen. In Frei­heit. Gott erken­nen, das meint, dass ich mehr und mehr erkenne, wie ich mein Leben nach ihm aus­richt­en und han­deln kann, wie es Gottes Willen entspricht. Das tun, was dem Leben dient, in jed­er Beziehung, in der ich lebe.Und immer wieder auch Ver­trauen haben und die Hand in die Hand dessen leg­en, der mich begleit­et. In aller Frei­heit.Dorothee Beck­er, The­olo­gin und Seel­sorg­erin in der Pfar­rei Heiliggeist, Basel
Redaktion Lichtblick
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