Ein­tau­chen in einen hei­li­gen Raum
Die Fotografin Marcia Friese hat Anna-Lena bei der Geburt ihres Sohnes Anatol im Geburtshaus Matthea in Basel fotografieren dürfen. Das Fotoprojekt soll Frauen dazu ermutigen, selbstbestimmt zu gebären.
Bild: © Mar­cia Friese

Ein­tau­chen in einen hei­li­gen Raum

Ulri­ke Rau ist seit 30 Jah­ren Heb­am­me und arbei­tet im Bas­ler Geburts­haus Matthea. Rund 3000 Kin­der haben mit ihr das Licht der Welt erblickt.


Ein­mal hat mei­ne Mut­ter mich als Kind zu einer Heb­am­me mit­ge­nom­men. Viel­leicht war es die­se Frau, die mich so tief beein­druckt hat, dass ich Heb­am­me gewor­den bin. Heb­am­me sein ist mei­ne Beru­fung. Ich bin in der ehe­ma­li­gen DDR in einem evan­ge­lisch-luthe­ri­schen Pfarr­haus­halt auf­ge­wach­sen. Mein Vater war ein undog­ma­ti­scher und volks­na­her Pastor. Er hat sich mit Kri­tik am Staat zurück­ge­hal­ten, um sei­ne Fami­lie zu schüt­zen. Als Kind hat er mich oft zu Beer­di­gun­gen oder in die Auf­bah­rungs­hal­le mit­ge­nom­men. Über­gän­ge haben mein Leben von Anfang an begleitet.

In einen Pro­zess eintauchen

Das Leben als Heb­am­me ist ein biss­chen wie das einer Künst­le­rin. Für eine Geburt muss ich in einen Pro­zess ein­tau­chen, mich ihm hin­ge­ben, tun, was der Pro­zess ver­langt. Dane­ben habe ich wenig Kapa­zi­tät Hob­bys zu pfle­gen. Das gibt mir viel Zeit, ein­fach zu sein, was sehr schön war, als mei­ne Toch­ter klein war. Ich muss­te zwar immer wie­der spon­tan weg, aber ins­ge­samt hat­ten wir viel Zeit miteinander.

Mei­ne Tage begin­nen am Mor­gen oft mit Schwan­ger­schafts­kon­trol­len oder Wochen­bett­be­su­chen. Ich ver­su­che immer genug Reser­ven zu haben, da jeder­zeit eine Geburt begin­nen kann. Ich medi­tie­re, gehe in die Natur, wan­de­re gern. Mein Leben lässt sich nicht in Arbeit und Frei­zeit tren­nen, was ich von unse­rem Pfarr­haus­halt ken­ne, Gebo­ren und gestor­ben wird immer.

Durch die Geburt mei­ner eige­nen Toch­ter habe ich eine Ahnung bekom­men, dass die Frau ein Gefäss ist für einen grös­se­ren Pro­zess, wel­cher vor allem der neue Mensch – das Baby – lenkt. Als wer­den­de Mut­ter geht es nicht dar­um zu tun, son­dern sich dem Pro­zess der Geburt der neu­en See­le hin­zu­ge­ben, ihn zuzulassen.

Spi­ri­tu­el­le Themen

In den Geburts­vor­be­rei­tungs­ge­sprä­chen kom­men wir häu­fig mit spi­ri­tu­el­len The­men in Berüh­rung. Ich glau­be an das Gött­li­che, an Engel oder Kräf­te, die uns unter­stüt­zen, auch wenn wir sie nicht sehen. Wäh­rend einer Geburt geben sie mir Kraft und stär­ken mein Urver­trau­en in das Leben. Durch sie habe ich die Gewiss­heit, dass es eine ande­re Dimen­si­on gibt, dass alles, was pas­siert sei­nen Grund hat. Seit­dem ich 25 Jah­re alt bin, arbei­te ich in ­Geburts­häu­sern und beglei­te Haus­ge­bur­ten. Es ist ein Geschenk und viel­leicht auch eine Gna­de, wenn eine Frau so gebä­ren kann, wie sie es sich wünscht. Und es ist ein Geschenk, dass ich immer wie­der dabei sein darf und die Fami­li­en mir ihr Ver­trau­en schen­ken.  Für mich ist eine Geburt das Ein­tau­chen in einen hei­li­gen Raum, wo die Zeit nicht mehr exi­stiert. Ich wünsch­te mir, dass die Eltern ein Fünk­chen die­ser Hei­lig­keit in den All­tag mit­neh­men können.

Eva Meienberg
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