
Bild: © Roger Wehrli
Bischof und Basis müssen gemeinsam anpacken
Die Schweizer Delegierten an der Weltsynode informierten an einer öffentlichen Veranstaltung über ihre Erkenntnisse und Erfahrungen
Wer ist verantwortlich dafür, konkrete Veränderungen in der Kirche anzupacken? Wie sollen die Erkenntnisse der Weltsynode in den Schweizer Diözesen Wirkung entfalten? Darüber diskutierten am Dienstagabend, 19. November, rund 70 Menschen in Aarau.
Zur Halbzeit der Veranstaltung gab es eine «Murmelrunde»: Unter Sitznachbarn wurde das bisher Gehörte besprochen. Die Kurzdiskussionen zeigten, dass das Bedürfnis nach Veränderung dringend ist. Nicht wenige wünschten sich ein Machtwort des Bischofs oder gar des Papstes. «Warum beschliesst der Papst nicht einfach die Frauenweihe? Das hätte er schon längst tun sollen», meinte ein Anwesender. Andere spielten Bischof Felix Gmür den Ball zu und forderten ihn auf, die Möglichkeiten der Dezentralisierung auszunutzen.

Zwei Delegierte und drei Zaungäste
«Die Weltsynode und die Kirche im Bistum Basel – Gibt es Chancen auf Reformen?», war die Leitfrage an der Bistumsveranstaltung in Aarau. Fünf Referentinnen und Referenten berichteten vom zweiten Teil der Weltsynode, die vor drei Wochen in Rom zu Ende gegangen war. Alle hatten in Rom mitgewirkt: Bischof Felix Gmür, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, und Helena Jeppesen-Spuhler, Fastenaktion, als Delegierte mit Stimmrecht; Alina Erni, Vertreterin des Catholic Women’s Council, sowie Flurin Rohweder und Ivo Bühler, Organisation DACHS-Bau, als Lobbyisten für die Anliegen der Jugend im Umfeld der Synode.
Wie im ganzen Synodalen Prozess stand das Zuhören auch in Aarau an erster Stelle. Mit Fotos und anhand eigener Erlebnisse vermittelten Bischof Felix Gmür und Helena Jeppesen-Spuhler einen Eindruck davon, wie an der Weltsynode gearbeitet wurde.
Die Tür zum Frauendiakonat bleibt offen
«Wir waren vier Wochen in einer Halle, 35 Tische à zehn bis zwölf Personen, gruppiert nach Sprachen. Die Leute am Tisch kommen aus der ganzen Welt, die meisten sind Bischöfe, einige Priester und ein, zwei Frauen», fasste Bischof Felix Gmür die Ausgangslage zusammen.
Er berichtete über Begegnungen mit Delegierten aus aller Welt. Das Votum einer Nonne, einer unerschrockenen Frau, die Karate trainiert und Eishockey spielt, habe ihn berührt: «Sie hat von ihrer Berufung berichtet, sehr emotional. Niemand am Tisch sagte mehr etwas.»



Ähnliches berichtete Helena Jeppesen-Spuhler: «Es war stark, wie sich Ordensfrauen trauten, von ihrer Berufung zu sprechen.» Die Botschaft sei endlich bei den Bischöfen angekommen. So habe der deutsche Bischof Bätzing in einem Votum gesagt: «Wir müssen uns bewusst sein, dass wir berufene Frauen haben und diese missachten.»
Weil die für die Gleichberechtigung der Frauen zuständige Studiengruppe schludrig gearbeitet hatte, hatten die Synodalen aufbegehrt, und die Frauenfrage wurde plötzlich wichtig: «Alle Themen zur Frauenfrage kamen auf den Tisch. Ich hoffe, diese Dynamik hält an», sagte Helena Jeppesen-Spuhler.
Erleichterung nach der Abstimmung
Die Audienz der Frauen beim Papst, die bereits vor der Synode abgemacht war, fand zufälligerweise kurz nach diesem Eklat statt. Helena Jeppesen-Spuhler berichtete: «Nicht nur die weiblichen Synodalen kamen zur Audienz, sondern alle Frauen, die im Umfeld der Synode tätig waren. Wir waren 94 Frauen. Es wurde klar, wieviel Frauen in der Kirche tragen. Auch der Papst war beeindruckt.»
Als weibliche Delegierte sei es jedoch manchmal schwer zu ertragen gewesen, wie viel Ablehnung gewissen Vorschlägen entgegenkam. Die Erleichterung sei gross gewesen, dass die Zweidrittelmehrheit für eine offene Türe beim Frauendiakonat zustande kam.
Beim Abschluss der Synode verkündete Papst Franziskus, dass es kein nachsynodales Schreiben gebe. Was im Abschlussdokument stehe, sei die Frucht dieser Synode. Bischof Felix Gmür wertet das sehr positiv: «Bis jetzt wurden die Texte jeweils immer ein wenig relativiert. Ich finde es gut, dass der Papst die Synodenergebnisse so stehen lässt, immerhin haben 400 Leute jahrelang an diesen Themen gearbeitet.»
«Wir müssen den Bischöfen helfen»
Flurin Rohweder und Ivo Bühler wohnten während der Synode in einer Wohngemeinschaft in Rom und suchten im Umfeld der Synode das Gespräch mit den Synodalen. Sie trafen sich mit einzelnen von ihnen zum Essen und sprachen auch mit Bischöfen. Sie brachten die Anliegen der Jugend ein, zum Beispiel die Anerkennung von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen. Aber sie lernten auch von den Gesprächspartnern. Flurin Rohweder berichtete von einem Seminar zur künftigen Rolle der Bischöfe, welches er in Rom besuchte: «Alle waren dafür, dass man Partizipation lebt, aber auf die Frage, wie das konkret gehen soll, bekam ein junger Bischof keine Antwort. Wir dürfen Bischöfe, die Partizipation leben wollen, nicht alleinlassen, sondern müssen ihnen dabei helfen.»

Alina Erni engagiert sich beim Catholic Women’s Council. Die junge Frau versuchte während der Synode, die Anliegen katholischer Frauen weltweit einzubringen. «Unsere Hoffnung, dass es ein klares JA zur Gleichberechtigung gibt, wurde nicht erfüllt. Die Kirche schiebt das Problem vor sich her», resümierte Erni. Das Synodendokument müsse jetzt im Bistum Basel umgesetzt werden, sagte sie:«Ich bin gespannt, was das Bistum Basel jetzt liefert».
«Ich will gar nicht alles entscheiden»
Der Austausch im Anschluss an die Berichte brachte zum Ausdruck, dass angesichts der Frauenfrage die anderen Themen der Synode nicht vergessen gehen dürften. Denn das Frauendiakonat löse nicht einfach alle Probleme der Kirche. Mehrere Anwesende betonten, dass es wichtig sei, den Glauben wieder «ins Spiel zu bringen» und die Meinungen der Menschen in den Pfarreien aktiv einzuholen.
Die Dringlichkeit von Veränderungen kam zur Sprache. Renata Asal-Steger, ehemalige Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz, gab Bischof Felix Gmür zu verstehen, dass er nun konkrete Schritte unternehmen müsse. Doch der Bischof spielte den Ball zurück: «Die allermeisten Entscheidungen werden in den Kirchgemeindeversammlungen getroffen. Ich will gar nicht alles entscheiden, aber viele Leute erwarten das». Flurin Rohweder sieht die Verantwortung bei allen Kirchenmitgliedern: «Kirche, das sind wir. Was wir machen oder nicht machen, prägt die Kirche.»
Die Synodalitätskommission ist startbereit
Zum Abschluss stellte Detlef Hecking, Pastoralverantwortlicher des Bistums Basel, in Aussicht, dass die kürzlich geschaffene Synodalitätskommission in den nächsten fünf Jahren Formen der synodalen Entscheidungsfindung auf nationaler Ebene testen wird. Die Kommission ist startbereit.