
Bild: © Werner Rolli
Ein Ort für den Frieden
Die Friedenskathedrale in Hiroshima
Am Ort, wo der Jesuit und Zen-Meister Hugo Makibi Enomiya-Lasalle die Atombombe überlebte, steht heute eine architektonisch und symoblisch bedeutsame Kirche.
Als der B‑29 Bomber mit dem Übernamen Enola Gay am 6. August 1945 die erste Atombombe über Hiroshima abwarf, hielten sich vier deutsche Jesuitenmissionare in der Noboricho-Kirche auf: Missionssuperior Pater Hugo Lassalle, Wilhelm Kleinsorge, Hubert Schiffer und Hubert Cieslik. Die Kirche wurde durch die Druckwelle stark beschädigt und die Jesuitenpriester trugen Verletzungen – insbesondere durch Glassplitter – davon. Der folgende Feuersturm zwang sie zur Flucht. Das Noviziat Nagatsuka, das sich rund vier Kilometer ausserhalb der Stadt befand, nahm nicht nur die Priester auf, sondern wurde zum Feldlazarett für viele Hilfesuchende.
Zuständig für Gerechtigkeit und Frieden
Masahiro Ito ist heute der stellvertretende Priester in der Noboricho-Kirche und zuständig für den Bereich Gerechtigkeit und Frieden der Diözese. Im Gespräch mit «Lichtblick» erklärt er: «Wir sind das Verbindungsbüro der Diözese Hiroshima für den ‹Japan Catholic Council for Justice and Peace›. Wir organisieren soziale Aktivitäten und Lernveranstaltungen.»

Der Architekt war tief beeindruckt
Pater Hugo Lasalle, geboren 1898 in Nieheim/Westfalen, war 1919 in das Noviziat der Jesuiten eingetreten und wurde 1929 in die Ostasienmission nach Tokyo geschickt. Lasalle setzte sich neben seiner Tätigkeit auch für soziale Belange ein. Vor Ausbruch des Krieges, 1939, übersiedelte er nach Hiroshima. Als man nach dem Kriegsende in Japan daran ging, die zerbombten Städte wieder aufzubauen, war Pater Lasalle beseelt vom Gedanken, die Noboricho-Kirche als Friedenskirche im Gedenken an die Opfer und mit der Aufgabe, sich für eine Welt ohne Atomwaffen einzusetzen, auferstehen zu lassen. Im September 1946 gewährte Papst Pius XII dem Jesuiten Lasalle eine Audienz und unterstützte dessen Idee. Eine eigens für den Bau gegründete Stiftung schrieb einen Architekturwettbewerb aus. Die Kathedrale sollte sowohl die japanische Kultur, Religion, Gedenken an die Opfer berücksichtigen und einen modernen architektonischen Stil aufweisen. Murano Togo, einer der wichtigsten Architekten Japans, tief beeindruckt von Lasalles Engagement, entwarf den Neubau und verzichtete auf sein Honorar. Das Hauptgebäude wurde am 6. August 1954 abgeschlossen, 1962 wurden die kunstvollen Kirchenfenster vollendet.
Menschen katholischer Konfession in Japan
Aktuell zählt die katholische Kirche in Japan 419’414 Mitglieder, was bei einer Bevölkerung von 125 Millionen etwa 0,34 Prozent entspricht. Gemäss Pater Masahiro Ito gibt es 459 Diözesanpriester, 761 Ordenspriester, 135 Ordensbrüder, 4282 Ordensschwestern und 35 Priesterkandidaten.

Glocken aus deutschem Stahl
«Die Höhe des Glockenturms», erklärt Pater Masahiro Ito, «beträgt 45 Meter, rechnet man das Kreuz mit ein, sind es 56,40 Meter.» Der Turm beherbergt vier Glocken: «Die vier Friedensglocken wurden im Februar 1953 vom Bohumel Verein, einem Stahlunternehmen in Bochum, Deutschland, überreicht.» In die grösste Glocke ist die Inschrift eingraviert: «Stahl, einst ein Kriegsinstrument, lädt heute das Volk zum Frieden ein.» Pater Ito erzählt: «Die Glocken kamen am 5. Februar desselben Jahres im Hafen von Hiroshima an und wurde in einer Parade mit vielen Menschen zur fast fertigen Kathedrale transportiert.»
Friedensveranstaltung am Jahrestag
Masahiro Ito ist sich bewusst, dass viele Besucher die Kathedrale wegen der Architektur Murano Togos aufsuchen. Doch ist ihm wichtig, dass die Diözese viele Friedensveranstaltungen in Hiroshima durchführt: «Jedes Jahr am 5. und 6. August finden Friedensveranstaltungen statt. An diesen Zeremonien nehmen Menschen aus der ganzen Welt teil.» Dieser Tage begeht Japan den 80. Jahrestag der ersten Atomwaffen, die über Hiroshima und kurz darauf über Nagasaki abgeworfen wurden. Ito: «In diesem Jahr wird die Friedensveranstaltung in grösserem Umfang als üblich stattfinden. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, was dieser Tag für die Opfer des Atombombenabwurfs bedeutet. Die Hibakusha, die Überlebenden der Atombombe, wünschen, dass dieser Tag in Einkehr und Gebet verbracht wird.»
Für eine Welt ohne Atomwaffen
Masahiro Ito freut sich für alle Hibakusha, dass der NGO Nihon Hidankyo der letztjährige Friedensnobelpreis zugesprochen wurde. «Es ist ehrenwert, wie sich die Hibakusha für eine Welt ohne Atomwaffen engagieren» sagt Pater Ito. Er weiss keine Antwort auf die aktuellen Krisen in der Welt, doch er mahnt: «Für jeden Einzelnen von uns ist es an der Zeit, ernsthafter über die Abschaffung von Atomwaffen nachzudenken.» Pater Masahiro Ito stammt aus Hiroshima und ist als Einziger seiner Familie zum Katholizismus übergetreten: «Obwohl ich als Teenager mit dem Katholizismus in Berührung kam, wurde ich erst als Erwachsener getauft.» Zu seiner Entscheidung beigetragen hätten wohl auch die Gespräche mit einer Ordensschwester, in deren Buchladen er sich gerne aufhielt.
Masahiro Ito erzählt die Geschichte von Pater Lasalle zu Ende: «1948 liess er sich in Japan einbürgern und änderte seinen Namen in Enomiya Makibi. Im April 1968 wurde er zum Ehrenbürger von Hiroshima ernannt. Seine Forschung und Praxis von Zen und Christentum, sein Ansatz, östliche und westliche Spiritualität zu vereinen, fand weltweit Anerkennung. Hugo Enomiya Makibi Lasalle starb im Juli 1990 im Alter von 91 Jahren in Münster, Deutschland.


