Wer zu spät kommt, den bestraft der Samichlaus

  • Der Sami­ch­laus gehört zur Advents­zeit wie Leb­ku­chen, Man­da­ri­nen und Nüs­se. Wer ihn zu sich nach Hau­se ein­la­den will, der muss ihn aber schon früh im Jahr buchen. St. Niko­laus hat einen vol­len Terminkalender.
  • Im Kan­ton Aar­gau gibt es vie­le St. Niko­laus-Ver­ei­ne und ‑Gesell­schaf­ten. Sie sor­gen dafür, dass alle, die Besuch vom Sami­ch­laus haben wol­len, einen sol­chen auch erhalten.
  • Ohne die ehren­amt­li­che Arbeit gan­zer Hun­dert­schaf­ten von Frei­wil­li­gen könn­te sich kein Sami­ch­laus im Aar­gau auf den Weg machen, um Kin­dern und Betag­ten, Men­schen in Hei­men, Ver­ei­nen, Schu­len, Kin­der­gär­ten und Fir­men eine Freu­de zu bereiten.
Zuge­ge­ben, nicht der Sami­ch­laus bestraft die Zu-spät-Gekom­me­nen, son­dern das Leben. Denn es ist eine Tat­sa­che, dass der Sami­ch­laus ein sehr begehr­ter Gast ist, und zwar vor allem am 6. Dezem­ber. Wer irgend­wann im Novem­ber noch ver­sucht, den Mann im roten Man­tel zu buchen, kann schnell ein­mal sein blau­es Wun­der erle­ben. «Die­ses Jahr waren wir Anfang Novem­ber schon kom­plett aus­ge­bucht», berich­tet Bian­ca Gyger von der St. Nikolaus­ge­sell­schaft Schöft­land-Köl­li­ken. Sie zeich­net ver­ant­wort­lich für den Ein­satz­plan von sechs Chlaus­grup­pen, die vom 5. bis 7. Dezem­ber in 26 Gemein­den süd­lich und west­lich von Aar­au Haus­be­su­che machen.«Ich buche die Besu­che in der Rei­hen­fol­ge der Anmel­dun­gen», erklärt die jun­ge Frau, die als soge­nann­tes «Ese­li», so nen­nen die Köl­li­ker ihre Fah­rer, 1997 bei der Nikolaus­ge­sell­schaft begon­nen hat. «Jedes Jahr sind das zwi­schen 110 und 160 Besu­che, je nach­dem, ob wir wäh­rend drei oder vier Tagen unter­wegs sein kön­nen.» Die Pla­nung ist straff. Jede Chlaus­grup­pe, bestehend aus einem Sami­ch­laus, zwei Schmutz­li und einem Fah­rer, wird einer Regi­on zuge­teilt. Zehn bis 20 Minu­ten wird für den Besuch einer Fami­lie mit ein bis zwei Kin­dern ein­ge­rech­net. «Dar­um ist es auch nicht mehr mög­lich, nach­träg­lich noch einen wei­te­ren Besuch irgend­wo rein­zu­quet­schen», sagt Bian­ca Gyger, «denn das ver­zö­gert den gan­zen Ablauf, und wir wol­len ja nicht die bestra­fen, die recht­zei­tig gebucht haben.»

In der Not hilft www.chlaus.ch weiter

Selbst­ver­ständ­lich wird aber nie­mand, der den Sami­ch­laus gern hät­te, im Regen oder — ide­al-roman­ti­scher Wei­se — im Schnee ste­hen gelas­sen. Auf der Web­sei­te der Schwei­zer Chlau­sen­ge­sell­schaf­ten, www.chlaus.ch, fin­det man mit etwas Glück dann doch noch einen Sami­ch­laus, der es noch ein­rich­ten kann. Aktu­ell sind bei chlaus.ch 394 Gesell­schaf­ten ein­ge­tra­gen. Auf der Home­page braucht man nur den Kan­ton anzu­klicken, in dem man wohnt, und schon sieht man, wel­che Gesell­schaft die eige­ne Wohn­ge­mein­de bedient — inklu­si­ve Kon­takt­da­ten.Bian­ca Gyger pflegt aus gutem Grund den Aus­tausch mit ihrer Kol­le­gin von der Chlaus­zunft Aar­au-West, denn: «In den ver­gan­ge­nen vier bis fünf Jah­ren hat es plötz­lich zuge­nom­men mit den Chlaus­be­su­chen. Letz­tes Jahr fuh­ren wir nicht mehr nach Aar­au, weil es für uns ein­fach ein zu gros­ser Auf­wand wur­de. Das ist logi­stisch fast nicht mehr zu stem­men. Wenn ein Anf­ruf von da kommt, kann ich immer­hin an die Kol­le­gen in Uerk­heim ver­wei­sen.»

«Die Leu­te wer­den immer anspruchsvoller»

Astrid Mat­ter, Aktua­rin der Chlaus­zunft Aar­au-West, bestä­tigt den Trend: «Wir hat­ten defi­ni­tiv mehr Besu­che in den letz­ten Jah­ren. Die Leu­te leben die­sen Brauch wie­der viel mehr. Frü­her kam der Sami­ch­laus kurz vor­bei, meist wäh­rend des Essens. Heu­te wird die­ser Besuch mehr zele­briert. Man nimmt sich Zeit dafür.»Vom 5. bis 8. Dezem­ber sind vier bis fünf Grup­pen in der Stadt Aar­au und in zwölf umlie­gen­den Gemein­den unter­wegs. «Unse­re Besu­che sind auf die Minu­te durch­ge­tak­tet», sagt Astrid Mat­ter, die als Fah­re­rin dafür sorgt, dass die Chlaus­säck­li für die Kin­der mög­lichst unauf­fäl­lig zum Sami­ch­laus gelan­gen, bevor die­ser dann an die Tür klopft. «Wir sind alles in allem gut 30 Per­so­nen, die ehren­amt­lich dafür sor­gen, dass der Sami­ch­laus zu den Fami­li­en kommt. Das ist sehr anstren­gend für alle Betei­lig­ten. Die Logi­stik wird immer grös­ser und kom­pli­zier­ter, weil halt auch die Leu­te immer anspruchs­vol­ler wer­den.»Ter­ri­to­ria­le Über­lap­pun­gen gibt es in die­ser Regi­on auch mit der Sami­chlaus­ge­sell­schaft Reitnau/Attelwil, deren Orga­ni­sa­ti­ons­ver­ant­wort­li­cher, André Leh­mann, auf Kon­ti­nui­tät setzt: «Der Sami­ch­laus ist bei uns immer noch gefragt. Frü­her zogen wir ein­fach von Haus zu Haus, aber heu­te muss man sich schon anmel­den. Unse­re fünf Chlaus­grup­pen, mit Sami­ch­laus, Schmutz­li und Die­ner, besu­chen am 5. und 6. Dezem­ber total rund 80 Fami­li­en. Dazu kom­men dann noch die Schul­be­su­che. Wenn sich dann noch jemand not­fall­mäs­sig anmel­det, gehen wir auch mal in eine Ort­schaft, die nicht auf unse­rer Liste ist.» Und soll­te im Besuchs­plan plötz­lich eine Lücke ent­ste­hen, dann klop­fe der Sami­ch­laus auch mal spon­tan an eine Tür, um die Men­schen dahin­ter mit sei­nem Weih­nachts­gruss zu erfreu­en.

Gros­se Logi­stik und rei­ne Freiwilligenarbeit

Den gröss­ten Chlaus­aus­zug im gan­zen Kan­ton Aar­gau orga­ni­siert St. Niko­laus Woh­len. Das Brauch­tum wird da schon seit 1941 in die­ser Form gepflegt, aber der Trä­ger­ver­ein «Freun­de St. Niko­laus Woh­len» wur­de erst vor zwei Jah­ren gegrün­det. Brauch­tums­lei­ter Rolf «Röfe» Wüst ist stolz auf das Werk, das er zusam­men mit 120 frei­wil­li­gen Hel­fern vor und hin­ter den Kulis­sen Jahr für Jahr auf die Bei­ne stellt. «Wir sind Spin­ner!» lacht der ange­fres­se­ne Chlaus­va­ter, der sei­nen «Laden» wie der CEO eines mit­tel­gros­sen Unter­neh­mens führt. «Ich habe Res­sort­chefs für jedes Arbeits­feld ein­ge­setzt. Einer ist ver­ant­wort­lich für die Aus­bil­dung, einer für die Gewän­der­pfle­ge, einer für den Ein­kauf, einer für das Chlaus­bü­ro und so wei­ter. So gibt es nur noch eine CEO-Sit­zung pro Jahr und den Rest erle­digt der Vor­stand.»Anmel­dun­gen für den Woh­ler Sami­ch­laus, der aus­schliess­lich die bei­den Orts­tei­le Woh­len und Angli­kon besucht, sind ab 1. Okto­ber und bis 20. Novem­ber mög­lich, «nach­her neh­men wir kon­se­quent kei­ne Anmel­dun­gen mehr ent­ge­gen», sagt Rolf Wüst. Zehn Chläu­se mit Schmutz­li und Die­nern besu­chen vom 6. bis 8. Dezem­ber rund 200 Fami­li­en. Auch hier: gros­se Logi­stik und rei­ne Frei­wil­li­gen­ar­beit. Die Säck­li für die Kin­der depo­nie­ren die Eltern an einem vor­her ver­ein­bar­ten Ver­steck vor dem Haus. Jeder Sami­ch­laus bringt aber noch Lin­dor­ku­geln für die Mut­ter, einen Chlaus­stum­pen für den Vater und Sami­ch­laus­bat­zen in Form von «gol­de­nen» Föi­fer­li für die Kin­der mit.Die Woh­ler Chläu­se sind voll aus­ge­la­stet. Wenn die Nach­fra­ge wei­ter steigt, wird’s eng: «Mehr als zwölf Chläu­se haben auf der Kir­chen­trep­pe nicht Platz», erklärt Rolf Wüst. «Momen­tan sind etwa 500 Woh­nun­gen in Woh­len aus­ge­steckt. Wenn vie­le Fami­li­en zuzie­hen, dann müs­sen wir uns dann schon über­le­gen, ob wir doch noch eine zusätz­li­che Grup­pe auf­stel­len.» Bis­her kom­men die Woh­ler mit ihren zehn Chläu­sen plus einem zusätz­li­chen in den Jubi­lä­ums­jah­ren aber noch durch. «Alle fünf Jah­re fei­ern wir Jubi­lä­um», so Röfe Wüst, «damit unser Brauch­tum in Erin­ne­rung bleibt und wei­ter gepflegt wird.» Zu jedem Jubi­lä­um erscheint auch ein neu­es Buch oder ein ande­res Sami­chlaus­ge­schenk, das man direkt über die Ver­eins­web­site bestel­len kann.

«Ich könn­te mir einen weib­li­chen Sami­ch­laus vorstellen»

In Baden, Ennet­ba­den und Dätt­wil sorgt die Jung­wacht Baden dafür, dass der Sami­ch­laus vor­bei kommt. Wie in den ande­ren Regio­nen des Kan­tons besu­chen die Chlaus­grup­pen wäh­rend der Chlaus­ta­ge vom 4. bis 6. Dezem­ber an den Vor­mit­ta­gen die Kin­der­gär­ten, Schu­len und Ver­eins- oder Fir­men­an­läs­se ihres Ein­zugs­ge­bie­tes. Am Nach­mit­tag, ab 16 Uhr und bis 21 Uhr sind dann die rund 120 Fami­li­en an der Rei­he, die sich bis 28. Novem­ber ange­mel­det haben. Noah Liech­ti, der mit zwei Kol­le­gen die Orga­ni­sa­ti­on und Pla­nung der gut 30-köp­fi­gen Sami­ch­laus­crew besorgt, bleibt trotz der hohen Bela­stung aller Betei­lig­ten fle­xi­bel: «Vie­le Anmel­dun­gen kom­men bei uns tat­säch­lich erst nach dem 28. rein. Wir machen es dann trotz­dem irgend­wie mög­lich, dass ein Sami­ch­laus kommt. Aber wir muss­ten auch schon absa­gen und auf chlaus.ch ver­wei­sen.»In Baden und Woh­len ist es übri­gens durch­aus mög­lich, dass sich unter einer der schwar­zen Schmutz­li­kut­ten ein weib­li­cher Schmutz­li ver­birgt. «Ich könn­te mir auch einen weib­li­chen Sami­ch­laus vor­stel­len», sagt Noah Liech­ti, «das wür­de ich begrüs­sen, sowohl sym­bo­lisch als auch prak­tisch.» Bis zu neun Chlaus­grup­pen kann Liech­ti in Baden und Umge­bung ein­set­zen. Die könn­ten die anfal­len­den Besu­che gera­de noch stem­men. Wenn die Nach­fra­ge stie­ge, dann müss­te man auch hier aus­bau­en. Das sagt sich aller­dings leich­ter, als es getan wäre, denn «man merkt schon, dass bei den Leu­ten die Bereit­schaft, ehren­amt­li­che Arbeit zu unter­stüt­zen, gesun­ken ist.»

Der Sami­ch­laus kostet Tau­sen­de von Franken

Ohne Unter­stüt­zung ist der Sami­ch­laus­brauch aller­dings nicht finan­zier­bar. Für ein St. Niko­laus-Gewand im Stil einer Bischofs­ro­be inklu­si­ve Bart, Perücke und Bischofs­stab blät­tern die Ver­ei­ne, je nach Mach­art, 2’000 bis 7’000 Fran­ken hin. Auch die Schmutz­li­kut­ten und Die­n­er­ge­wän­der sind nicht gün­stig. Dazu kom­men dann kilo­wei­se Erd- und Baum­nüs­se, Man­da­ri­nen, Scho­ko­la­de und was der Chlaus sonst noch mit­führt für all die Kin­der, deren Eltern sich kei­ne eige­nen Chlaus­säck­lein lei­sten kön­nen oder wol­len.Um die Unko­sten zu decken, las­sen sich die ver­schie­de­nen Gesell­schaf­ten auf unter­schied­li­che Art unter die Arme grei­fen. Die einen bit­ten ein­fach um einen Unko­sten­bei­trag, ande­re haben feste Tari­fe für ihre Chlaus­be­su­che. Die­se lie­gen bei den hier befrag­ten Ver­ei­nen in etwa zwi­schen 30 und 50 Fran­ken pro Besuch, je nach Anzahl der Kin­der aber auch mehr. «Wir wol­len ja nichts ver­die­nen», sagt Astrid Mat­ter von der Chlaus­zunft Aar­au-West und bestä­tigt damit, was auch ihre Kol­le­gen von den ande­ren Chlaus­ge­sell­schaf­ten beto­nen: «Unser Lohn ist die Freu­de der Kin­der und all der Men­schen, denen wir in die­sen Tagen begegnen.»
Christian Breitschmid
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