Ein Gott mit Stall­ge­ruch – oder: Wem gehört mein Leben?

Ein Gott mit Stall­ge­ruch – oder: Wem gehört mein Leben?

Lukas 2,6–7Es geschah, als sie in Bet­le­hem waren, da erfüll­ten sich die Tage, dass sie gebä­ren soll­te, und sie gebar ihren Sohn, den Erst­ge­bo­re­nen. Sie wickel­te ihn in Win­deln und leg­te ihn in eine Krip­pe, weil in der Her­ber­ge kein Platz für sie war.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Ein Gott mit Stall­ge­ruch – oder: Wem gehört mein Leben?

Ein Lese­zir­kel im Pasto­ral­raum Bir­stal hat sich kürz­lich in meh­re­ren Tref­fen mit dem Thea­ter­stück «Gott» von Fer­di­nand von Schi­rach aus­ein­an­der­ge­setzt. Da dreht sich alles um die Fra­ge: Darf sich ein Mensch aus eige­nen Stücken das Leben neh­men, wenn er für sich kei­nen Lebens­sinn mehr ent­decken kann? Und sol­len ande­re ihm bei die­sem Schritt Hil­fe­stel­lung lei­sten dür­fen, ihm die­sen Schritt ermög­li­chen? Argu­men­te dafür und dage­gen wer­den aus­ge­brei­tet und acht­sam abge­wo­gen, im Thea­ter­stück und in unse­ren span­nen­den Gesprächs­run­den.Vor allem aber wer­den die ver­schie­de­nen Argu­men­te behut­sam hin und her bewegt in den Her­zen derer, die sich nicht «ein­fach» auf die Ein­heits­re­geln von Geset­zen und Dog­men abstüt­zen, son­dern dem Leben in sei­ner Viel­falt gerecht wer­den möch­ten. Sie haben die Unter­schied­lich­kei­ten der je eige­nen Lebens­er­fah­run­gen, der Lebens­hoff­nung und auch der Lebens­ent­täu­schun­gen vor Augen. Sie möch­ten der ein­fa­chen Tat­sa­che Rech­nung tra­gen, dass letzt­lich nichts so indi­vi­du­ell ist wie das Leben selbst und die per­sön­li­chen Kräf­te und Fähig­kei­ten, es zu gestal­ten von Geburt bis zum Tod.Dabei sind sie, Geburt und Tod, die ein­zi­gen gemein­sa­men Eck­punk­te jedes Lebens, die ein­zi­gen, die alle Men­schen mit­ein­an­der tei­len. In den Lebens­jah­ren dazwi­schen aber lebt jeder sein Leben, bin ich ich und bist du du. Was dem einen Lebens­freu­de berei­tet, lässt den ande­ren unbe­rührt, und was ich aus­hal­ten und tra­gen kann, kann dich erdrücken. Die uralte Weis­heit der India­ner warnt des­halb davor zu urtei­len, wenn man nicht selbst den Weg in den Mokas­sins des ande­ren gegan­gen ist.Nun fei­ern wir in die­sen Tagen, dass Gott selbst die mensch­li­chen Mokas­sins anzieht, dass er so einer wird wie wir, ein Mensch mit eige­ner und ein­zig­ar­ti­ger Lebens­ge­schich­te. Die Not­un­ter­kunft im Stall, die Gesell­schaft der Hir­ten und der Knie­fall der könig­li­chen Geschenkträ­ger las­sen erah­nen, dass für Gott der Kern des Mensch­seins das nack­te Leben ist. Für ihn zählt nicht die Her­kunft und nicht der Stand, son­dern die schnör­kel­lo­se Erfah­rung, dass die­ses Leben unser ist, per­sön­lich und indi­vi­du­ell.Wie Gott sich auf den Lebens­weg machen wird, macht deut­lich, dass die­ses ein­zig­ar­ti­ge Leben ganz uns Men­schen gehört, dass jeder und jede ihr Leben aus­fül­len muss und darf, ihren oder sei­nen Weg gehen muss: Ver­bind­lich ein­ge­wo­ben ins Netz, das alles Leben ver­bin­det, aber doch frei, in Ver­ant­wor­tung die eige­nen Schrit­te zu wäh­len. Gott wird Spu­ren legen und Wege auf­zei­gen, die zu erfüll­tem Leben füh­ren. Er wird Beglei­ter ein­la­den und wird sich selbst zum Beglei­ter anbie­ten, aber er wird das Geschenk der Frei­heit und Ein­zig­ar­tig­keit jedes Ein­zel­nen nicht anta­sten. Das macht das Leben jedes Men­schen zwar ver­ant­wor­tungs­schwer, schenkt ihm jedoch zugleich jene gross­ar­ti­ge Wür­de, die er uns in unse­re Krip­pen gelegt hat.Felix Ter­ri­er, Prie­ster im Seel­sor­ge­ver­band Angenstein   
Christian von Arx
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