Einblicke, die das Weltbild verändern
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Einblicke, die das Weltbild verändern

Psalm 18, 28–31Ja, du rettest das elende Volk, doch die Blicke der Stolzen zwingst du nieder. Ja, du lässt meine Leuchte erstrahlen, der Herr, mein Gott, macht meine Fin­ster­n­is hell. Ja, mit dir über­renne ich Scharen, mit meinem Gott über­springe ich Mauern [] Ein Schild ist er für alle, die sich bei ihm bergen.Ein­heit­süber­set­zung 2016

Einblicke, die das Weltbild verändern

«Kun­st und Knast», eine noch etwas unge­wohnte Kom­bi­na­tion. «The­ater und Knast» gibt es schon seit Jahren in eini­gen Gefäng­nis­sen der Schweiz. Die Insassen spie­len The­ater unter der Leitung ein­er The­ater­fach­frau. Diese The­ater sind sehr beliebt und jew­eils schnell aus­ge­bucht. «Kun­st und Knast» ist an der diesjähri­gen Bien­nale in Venedig zu Gast – ein Pro­jekt des Vatikans in der Lagunen­stadt. Insassin­nen führen durch die Kun­stausstel­lung in ihrem Gefäng­nis auf der Giudec­ca-Insel. Die franzö­sis­che Malerin Claire Tabouret zeigt etwa 30 Bilder, erstellt aus Kinder­fo­tos der Frauen. Die Keramikkün­st­lerin Simone Fat­tal aus Syrien zeigt Skulp­turen, die von Erzäh­lun­gen der Gefan­genen inspiri­ert sind. Weit­ere Kun­stschaf­fende sind ein Tänz­er, eine Pop-Art-Kün­st­lerin, weit­ere Maler und eine Schaus­pielerin. Sie alle haben die Lebens­geschicht­en der inhaftierten Frauen aufgenom­men und ver­lei­hen ihnen in ihren Werken Aus­druck. Unter dem Titel «Mit meinen Augen» wer­den den Besucherin­nen und Besuch­ern die Lebens- und Lei­dens­geschicht­en der inhaftierten Frauen mit Hil­fe von Foto- und Videozeug­nis­sen nahege­bracht. Eine der «Beglei­t­erin­nen» bei diesem Pro­jekt ist Manuela, die in einem Jahr aus der Giudec­ca-Haf­tanstalt ent­lassen wird. «Jen­seits jed­er Gren­ze gibt es immer einen offe­nen Raum, eine Frei­heit, etwas Schönes, etwas Pos­i­tives, das uns erwartet», so Manuela. Damit ermuntert sie auch ihre Gefährtin­nen im Gefäng­nis. Was machen diese Worte mit uns? Am lieb­sten hät­ten wir keine Gren­zen. Und doch gibt es deren so viele: Die inneren Gren­zen, die wir uns selb­st set­zen. Sie sind mächtig und bes­tim­men unser Leben mit. Aber auch diejeni­gen, die uns von unser­er Herkun­ft her fest­gelegt wur­den, die Gren­zen an Begabun­gen und Bil­dung, die Gren­zen der Staat­en, Gesellschaften und Reli­gio­nen. Je länger ich diesen Satz mit mir herum­trage, umso mehr wer­den die Gren­zen meines Denkens, Hof­fens und Ver­trauens durch­läs­siger. Nach Manuela gibt es also «einen offe­nen Raum jen­seits der Gren­ze». Die andere Seite sei aber nicht schreck­lich, unheim­lich, geset­zt in Ewigkeit, son­dern eine Frei­heit, etwas Schönes, etwas Pos­i­tives, das uns erwartet.Franz Pfan­ner, dessen am 24. Mai gedacht wird, muss wohl ein Phänomen gewe­sen sein. Humor­voll, offen, ein wahrer Mut­mach­er von Öster­re­ich bis nach Südafri­ka. Wie machte er dies bloss? Es war ein Suchen­der und Scheit­ern­der und erneut Suchen­der. Auch bei ihm schien es immer wieder einen neuen Raum jen­seits der Gren­ze zu geben.Die Kun­st, das lebenslange Ler­nen, Begeg­nun­gen und das Ver­trauen auf einen Gott, der uns auf die Sprünge hil­ft jen­seits der Sor­gen, des Seufzens und der Schwierigkeit­en, beleben uns und über­winden unsere engen Gren­zen. Jen­seits der Gren­ze im Hier und Jet­zt erwartet uns das Schöne und manch­mal auch etwas Pos­i­tives.Anna-Marie Fürst-Wittmer The­olo­gin, langjährige Gefäng­nis­seel­sorg­erin, Seel­sorg­erin im Pas­toral­raum Gös­gen
Anna-Marie Fürst-Wittmer
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