Ein Augenblick fürs Augenlicht

Ein Augenblick fürs Augenlicht

Lukas 11,34fDie Leuchte des Leibes ist dein Auge. Wenn dein Auge gesund ist, dann ist dein ganz­er Leib hell. Wenn es aber krank ist, dann ist auch dein Leib fin­ster. Achte also darauf, dass das Licht in dir nicht Fin­ster­n­is ist!Ein­heit­süber­set­zung 2016 

Ein Augenblick fürs Augenlicht

Jet­zt sind sie wieder da, die lan­gen Nächte und die kurzen Tage. Ob wir einen Augen­blick find­en, über die wichti­gen Dinge und die ungelösten Rät­sel nachzu­denken? Zum Beispiel über die von den Wis­senschaften meines Wis­sens nach wie vor nicht beant­wortete Frage, was denn eigentlich Licht sei – eine Welle oder Ele­men­tarteilchen? Oder wed­er noch, oder sowohl als auch? Ob es ein­fach­er ist, das Licht über sein Gegen­teil, die Fin­ster­n­is, zu definieren? Oder darüber, worin denn der Unter­schied beste­he zwis­chen «Fin­ster­n­is» und «Dunkel­heit»? Wir kön­nen, was in dieser Jahreszeit tausend­fach geschieht, ein­er bren­nen­den Kerze zuschauen und darauf acht­en, was passiert: Ob das Licht die Fin­ster­n­is vertreibt, oder ob umgekehrt die Fin­ster­n­is das Licht ver­schlingt?Von da ist es bloss ein klein­er Schritt zu der ein­fach wuchti­gen Behaup­tung des Johannes: «Gott ist Licht, und keine Fin­ster­n­is ist in ihm», so in seinem Ersten Brief (1,5). Oder wenn er in seinem Pro­log (Joh 1,5) das Kom­men von Chris­tus ankündigt, knapp und präzis: «Das Licht leuchtet in der Fin­ster­n­is, und die Fin­ster­n­is hat es nicht erfasst.» Licht und Fin­ster­n­is – ein Geheim­nis, oder ein Phan­tom, eine «Erschei­n­ung», oder blosse Wahrnehmung unser­er Augen? Wenn es so wäre, wie kön­nte man dann vom «Augen­licht» reden?Dieses schöne Wort lässt denken an Jesu Ausspruch über das gesunde Auge, durch welch­es das Licht ins Innere des Men­schen ein­dringt und ihn von innen her­aus licht und hell wer­den lässt. Das Bild­wort Jesu hält sich nicht an anatomis­che Befunde. Vielmehr greift es die tief men­schliche Erfahrung auf, dass näm­lich die Augen – der Gesichtssinn – dem Men­schen Per­sön­lichkeit und Charak­ter ver­lei­hen und auch innerseel­is­che Vorgänge nach aussen tra­gen. «Schaut dein Auge nei­disch, weil ich gütig bin?», lautet eine ent­lar­vende Frage, der wir im Matthäu­se­van­geli­um begeg­nen (20,15).Die Leg­ende, die sich ums Leben der heili­gen Odil­ia rankt, hebt diese Zusam­men­hänge ans Licht, sie verbindet Licht und Fin­ster­n­is, das innere und das äussere Auge. Sie berichtet, der blind gebore­nen Odil­ia sei, als sie als zwölfjähriges Mäd­chen die Taufe empf­ing, nicht nur das Licht des Glaubens, son­dern auch das Augen­licht geschenkt wor­den. Erzählt wird, dass sie trotz ein­er drama­tis­chen Kinder- und Jugendzeit und nach ein­er kon­flik­tre­ichen Vater-Tochter-Beziehung kon­se­quent ihren Weg gegan­gen sei, auf dem sie schliesslich zur Kloster­grün­derin, zur Äbtissin und zur Patron­in des Elsass wurde.Zusam­men mit der andern vor­wei­h­nachtlichen Licht­gestalt, der heili­gen Luzia, deren die Kirche eben­falls am 13. Dezem­ber gedenkt, lädt uns Odil­ia ein, uns der unerk­lär­lichen Schön­heit des Lichts zu öff­nen und uns diesem rät­sel­haften Phänomen auszuset­zen, ohne welch­es unsere Welt und unser Leben unvorstell­bar und unsicht­bar bleiben und für immer im schat­ten­haften Nichts versinken müssten. Acht­en Sie auf ein lichtvolles Bibel-Wort: «Und Gott sprach: Es werde Licht; und es wurde Licht» (Gen­e­sis 1); «Bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht» (Psalm 36); «Ich bin das Licht der Welt; wer mir nach­fol­gt, geht nicht in der Fin­ster­n­is, son­dern hat das Licht des Lebens» (Johannes 8). Falls Ihnen dabei ein Licht aufge­ht, nehmen Sie sich einen Augen­blick Zeit fürs fol­gende Gebet:«Wir gehen durch eine Welt voll Zwielicht und Schat­ten. Lass dein Licht in unseren Herzen auf­s­trahlen und führe uns durch das Dunkel dieses Lebens in deine unvergängliche Klarheit.»Peter von Sury, Abt des Benedik­tin­erk­losters Mari­astein
Redaktion Lichtblick
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