«Diese Nacht ist viel zu kurz!»

«Diese Nacht ist viel zu kurz!»

  • Wip­pende Füsse, bren­nende Wädli, ein Wum­mern im Bauch: die Lange Nacht der Kirchen am Fre­itag, 2. Juni, erfasste Kör­p­er und Geist.
  • Schweizweit besucht­en 50’000 Per­so­n­en die Kirchen und Kapellen.
  • Im Aar­gau bewegte das attrak­tive Pro­gramm rund 8000 Besucherin­nen und Besuch­er.

Die Lange Nacht der Kirchen hat die Men­schen im Aar­gau bewegt. Zu Fuss, mit dem Velo, dem Zug oder dem Auto besucht­en sie die Kirchen und Kapellen im Kan­ton. Dort erk­lom­men die Kinder, Frauen und Män­ner den Kirch­turm, krochen hin­durch unter den Glock­en, streiften bei ein­er Schnitzel­jagd rund ums Kirchen­zen­trum oder wippten im Takt der Gospel­musik. [esf_wordpressimage id=44689 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Schwingung im Bauch

In Ehrendin­gen läuteten die «Trych­ler vom Burghorn» die Lange Nacht ein. Mit ihren mächti­gen Trycheln ver­set­zten sie den Innen­hof des öku­menis­chen Kirchen­zen­trums Ehrendin­gen in Schwingung. Die ver­sam­melte Gästeschar spürte die Schwingun­gen im Bauch und merk­te: diese Lange Nacht erfasst einen kör­per­lich. In den fol­gen­den Stun­den kamen sie in den Genuss eines Pro­gramms für alle Sinne: Neben der Bestei­gung des Kirch­turms kon­nten sie die Geheimnisse des Weihrauchs erschnup­pern oder zu ein­er Schnitzel­jagd rund um die Kirche aufbrechen.[esf_wordpressimage id=44699 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

«Go with the flow»

Ein bewegtes Pro­gramm erwartete die Besucherin­nen und Besuch­er auch im katholis­chen Kirchen­zen­trum in Nuss­bau­men. Vor der Kirche lief Pop­musik, zu der Alt und Jung zusam­men tanzten. Zu Beginn noch etwas ver­hal­ten, mit der Zeit immer lock­er­er und freudi­ger. Die Siebtk­läss­lerin­nen und Siebtk­lässlern hat­ten sich im Reli­gion­sun­ter­richt Gedanken gemacht, was ihnen an der Kirche gefällt und was ihnen fehlt. So hat­ten sie Ideen für die Lange Nacht entwick­elt und ein beson­ders kreatives Pro­gramm auf die Beine gestellt: Ver­steck­is in der Kirche, gemein­sames Tanzen, Geschicht­en erzählen, ein Bibelquiz.

Die Besucherin­nen und Besuch­er in der katholis­chen Kirche Nuss­bau­men planten keine Abstech­er in andere Kirchen, son­dern genossen das Pro­gramm vor Ort: «Es läuft im ganzen Kan­ton so viel, diese Nacht ist viel zu kurz», sagte eine Besucherin beim Apéro.

Ein Hauch Magie

[esf_wordpressimage id=44701 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Nur einige hun­dert Meter ent­fer­nt, im reformierten Kirchen­zen­trum Nuss­bau­men, gibt es eben­falls viel zu ent­deck­en. Beim Ein­treten riecht es fein nach frischge­back­e­nen Flammkuchen. Nach dem Essen gilt es, einen Krim­i­nal­fall zu lösen, und kurz darauf fol­gt als High­light der Auftritt des Gospel­chors «Spir­it of Hope». Die 45 Sän­gerin­nen und Sängern erfüllen den nüchter­nen Raum dank ihrer Stim­men mit einem Hauch Magie und brin­gen die Zuhören­den zum Mitwip­pen im Takt der Musik. Pfar­rerin Kristin Lam­precht mod­eriert die einzel­nen Stücke jew­eils kurz an, so dass klar wird, wovon der Lied­text han­delt.

Kraftakt im Glockenturm

[esf_wordpressimage id=44707 width=half float=left][/esf_wordpressimage]In der Stadtkirche Baden braucht es unter­dessen mehr als ein Fuss­wip­pen: Für die Bestei­gung des Glock­en­stuhls in 30 Metern Höhe braucht es Wädli- und Gesäss­muskeln. Der Sakris­tan, San­dro Ser­ra­tore, führt 14 Gäste durch die Sakris­tei, über die Holztreppe zu ein­er beina­he senkrecht ste­hen­den Met­all­stiege. «Achtung, Kopf», warnt er die Empork­om­menden, damit sie sich an den Streben des met­al­lenen Glock­en­stuhls keine Beule holen. Die bei­den mächtig­sten Glock­en hän­gen so tief, dass man kriechen muss, um unter ihnen auf die andere Seite des Turms zu wech­seln. Die Glock­en läuten nur zu den Gottes­di­en­sten und zum Gebet, den Stun­den­schlag über­lässt die Stadtkirche dem nahen Stadt­turm. Doch die Besuch­er im Glock­en­turm dür­fen ver­suchen, den Klöp­pel der Dami­ans­glocke, die mehr als fünf Ton­nen wiegt, an die Glock­en­wand zu drück­en. Ein wahrer Kraftakt! Wer es schafft, wird mit einem Klang belohnt, der den ganzen Kör­p­er in Schwingung bringt.

Eilige Schritte auf dem Zwischenboden

[esf_wordpressimage id=44712 width=half float=right][/esf_wordpressimage]In Bewe­gung ist einen Stock weit­er unten, im Dack­stock der Stadtkirche, der Kus­tos des Kirchen­schatz­mu­se­ums, Hanspeter Neuhaus. Mit spür­bar­er Begeis­terung erk­lärt er den Anwe­senden die Samm­lung, öffnet Schubladen, Vorhänge und Schrank­türen. Um 21.30 eilt er durch Deck­en­gang nach hin­ten, zur Empore, knipst das Licht über der Orgeltas­tatur an und spielt auf zum Abendge­bet für Gross und Klein.

«Gott hat alles gemacht – auch die Far­ben», spricht Chris­tiane Burg­ert, Mitar­bei­t­erin der Fach­stelle Kat­e­ch­ese-Medi­en, in die dun­kle Kirche. Der Altar­raum erstrahlt nacheinan­der in weis­sem, rotem, orangem, gelbem, grünem und blauem Licht. Die Far­ben ste­hen für Frieden, Liebe, Weisheit, Licht, Hoff­nung und den Him­mel. Dieser erstrahlt beim Ver­lassen der Kirche im Schein des Voll­monds. Die Lange Nacht der Kirchen – sie war wirk­lich viel zu kurz.

Ein voller Erfolg

In 11 Kan­to­nen der Schweiz öffneten am Fre­itag, 2. Juni 2023, über 1100 Kirchen ihre Türen, Tore und Kirchtürme zur vierten «Lange Nacht der Kirchen» mit rund 1800 Ver­anstal­tun­gen. Der Ein­ladung, Kirche ein­mal anders zu erleben, sind weit über 50’000 Besucherin­nen und Besuch­er gefol­gt und haben eine wun­der­bare Stim­mung erlebt. Allein im Kan­ton Aar­gau haben Mitar­bei­t­ende und Frei­willige in über 70 Kirchge­mein­den und Pfar­reien ins­ge­samt 200 Ver­anstal­tun­gen organ­isiert, die um 8’000 Men­schen anlock­ten.

Die näch­ste Lange Nacht der Kirchen wird in der Schweiz wieder in zwei Jahren am Fre­itag, 23. Mai 2025 stat­tfind­en. Die «Lange Nacht der Kirchen» find­et jew­eils zeit­gle­ich mit Öster­re­ich, Ital­ien (Südtirol), Tschechien, Est­land und Teilen Deutsch­land und der Slowakei statt. Es ist eine Ver­anstal­tung der Reformierten, der Römisch-katholis­chen und der Christkatholis­chen Kirche. Der öku­menis­che Event ist für alle Inter­essierten, ob gläu­big oder kirchen­fremd, ob ver­wurzelt oder suchend, ein­heimisch oder fremd.

Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben