Die Weisheit tanzt vor Gott

Die Weisheit tanzt vor Gott

Sprich­wörter 8,22–31Die Ewige schuf mich zu Beginn ihrer Wege, als Erstes all ihrer Werke von jeher. Gewoben wurde ich in der Vorzeit; zu Urbe­ginn, vor dem Anfang der Welt. Bevor es das Urmeer gab, wurde ich geboren. Bevor die Quellen waren, von Wass­er schw­er. Bevor die Berge ver­ankert wur­den, vor den Hügeln wurde ich geboren. Noch hat­te sie wed­er Erde noch Felder erschaf­fen oder den ersten Staub des Fes­t­lands. Als sie den Him­mel auss­pan­nte, war ich dabei, als sie den Erd­kreis auf dem Urmeer absteck­te, als sie die Wolken oben befes­tigte, als die Quellen des Urmeers kräftig waren, als sie das Meer begren­zte, damit das Wass­er ihren Befehl nicht überträte, als sie die Fun­da­mente der Erde ein­senk­te:Da war ich der Liebling an ihrer Seite. Die Freude war ich Tag für Tag und spielte die ganze Zeit vor ihr. Ich spielte auf ihrer Erde und hat­te meine Freude an den Men­schen.Bibel in gerechter Sprache 

Die Weisheit tanzt vor Gott

Ein wun­der­bares poet­is­ches Lied über die Weisheit. Sie ist schw­er zu fassen, schwierig zu ver­ste­hen. In Bildern wird von ihr gere­det; im Ersten Tes­ta­ment, in den Büch­ern der Weisheit und der Sprich­wörter, wird die Weisheit als Per­son dargestellt, hebräisch «Chokmah», in der griechis­chen Über­set­zung «Sophia» genan­nt. Sie selb­st erzählt von ihrem Ursprung und von der Freude, die Gott, die Ewige, an der Schöp­fung hat. Ein Text voller Leichtigkeit und Schön­heit. Und vielle­icht ist Weisheit genau das? Leichtigkeit und Schön­heit? Die uns hof­fentlich irgend­wann im Leben zufällt – wenn wir das, was uns in unserem Leben wider­fahren ist – Gutes wie Bös­es – be- und ver­ar­beit­et und in unser Leben inte­gri­ert haben? Vielle­icht, wenn wir in Kon­takt sind mit unserem Inneren und zugle­ich mit unseren Mit­men­schen sowie mit ein­er höheren Macht, mit Gott oder was immer ein Men­sch als tran­szen­dentes (ihn über­steigen­des) Gegenüber benen­nt. Weisheit über­steigt alle Gren­zen von Kul­turen und Reli­gio­nen. Sie ist uni­ver­sal.Weisheit find­et sich im Werk von Sil­ja Wal­ter, deren 100. Geburt­stag wir kür­zlich gefeiert haben. Ihre Gedichte, ihre Spiele und Gottes­di­en­sten­twürfe, ihre Gebete und Tage­buchein­träge sind erfüllt von diesem Dreik­lang: ein­er inten­siv­en Verbindung mit ihrem Inneren, mit ihren Mit­men­schen und mit Gott. Darin und daraus hat sie gelebt und hat diese dichte Beziehung schreibend ins Wort brin­gen kön­nen. Und ihr tanzend Aus­druck ver­liehen. Heim­lich habe sie auf dem Gang in der Klausur zu Orgelk­län­gen aus der Kirche getanzt, bekan­nte sie. Immer wieder tanzt es in ihren Tex­ten. Und ihr let­ztes Tage­buch mit dem Titel «Tanzen heisst aufer­ste­hen» endet knapp sechs Wochen vor ihrem Tod mit den Worten: «Danke für Deine Mühe mit mir – es ist hart für Dich und hart für mich, jet­zt zu tanzen.»Inspiri­ert von Sophia, die vor Gott, dem Schöpfer, spielt – oder tanzt, wie es in anderen Über­set­zun­gen heisst –, bringt Sil­ja Wal­ter die Weisheit zum Tanzen:

Tanzlied am Ende

zu Sprich­wörter 8,22–31Tanze mein Liebling schön bist du wirf mir das All deinen Ball jet­zt zu tanz durch die leeren Gewölbe Tanzen und Sein ist das­selbeTanze mein Liebling die Zeit ist aus tanz durch ihr leeres ver­schwun­denes Haus du und dein Ball sind geblieben Tanzen heisst leben und liebenTanze mein Liebling mein Herz ist allein wirf mir nun Wel­ten und Men­schheit hinein wirf sie auch wenn sie verge­henTanzen heisst aufer­ste­henSil­ja Wal­ter (Gesam­taus­gabe Bd. 8, S. 152)Dorothee Beck­er, The­olo­gin und Seel­sorg­erin, Pfar­rei Heiliggeist, Basel 
Redaktion Lichtblick
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