«Die Kir­che hat kei­nen Machtanspruch»

Ver­folgt man mit der Reli­gi­on eine Visi­on, einen Traum? Oder ist der Glau­be nichts ande­res als ein Trau­ma, eine Illu­si­on? Ein inter­re­li­giö­ses Som­mer­sym­po­si­um der Mari­en­kir­che in Ins geht Ende August die­ser Fra­ge nach. 

Eber­hard Jost, Gemein­de­lei­ter der Inser Mari­en­kir­che, nennt die Kir­che einen Ort der Frei­heit. «Sie hat kei­nen Macht­an­spruch, son­dern bie­tet sich als Platt­form bezie­hungs­wei­se als Schutz­raum an.» Sie dür­fe nie­man­den instru­men­ta­li­sie­ren, son­dern sol­le zur Gestal­tung einer viel­fäl­ti­gen Gesell­schaft bei­tra­gen. «Die Kir­che hat eine die­nen­de Funk­ti­on, die für die Wür­de des Men­schen, für Men­schen­rech­te und Par­ti­zi­pa­ti­on ein­steht.» Hete­ro­ge­ne Grup­pen bräuch­ten einen Ort des Aus­tauschs. Die­sen Ort will Eber­hard Jost mit sei­nem inter­re­li­giö­sen Som­mer­sym­po­si­um schaf­fen, das am Frei­tag, 29. August 2014 in Ins statt­fin­det. Er hat dafür fünf hoch­ka­rä­ti­ge Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten aus Chri­sten­tum, Juden­tum, Islam, Bud­dhis­mus und Huma­nis­mus eingeladen.

Dia­log ist das Cre­do
Der Titel «Visi­on und Traum der Reli­gi­on oder Trau­ma und Illu­si­on des Glau­bens» deu­tet es an: Eber­hard Jost scheut die Fra­ge nach der sinn­stif­ten­den Auf­ga­be der Reli­gi­on nicht. Im Ber­ner See­land, fern von Rom, stellt er die Hal­tung einer domi­nie­ren­den katho­li­schen Kir­che infra­ge und lädt zu einem eben­bür­ti­gen Aus­tausch unter Prie­stern, Wis­sen­schaft­lern und Phi­lo­so­phen. Mit ihnen will er «zum Kern der Reli­gi­on vor­stos­sen», und zwar ohne Scheu­klap­pen. Dia­log lau­tet sein Cre­do, um Feind­se­lig­kei­ten zu unter­bin­den und Frie­den zu stif­ten: «Wir blei­ben im Gespräch. Es gilt, Wer­te von Mit­tel­eu­ro­pa zu ver­tei­di­gen», dar­un­ter Errun­gen­schaf­ten wie die Reli­gi­ons- und Mei­nungs­frei­heit. Jede Dok­trin – und unaus­ge­spro­chen auch jene aus Rom – behin­de­re den frei­en Gedankenaustausch.

Hoch­ka­rä­ti­ge Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten
Mit Begrif­fen wie Traum und Trau­ma oder Visi­on und Illu­si­on will Eber­hard Jost die Debat­te ankur­beln. Eine zen­tra­le Bedeu­tung misst er der Eman­zi­pa­ti­on bei, nicht nur der Eben­bür­tig­keit der Reli­gio­nen, son­dern auch der Gleich­stel­lung der Geschlech­ter. «Die Reli­gi­on muss hier eine Vor­rei­ter­rol­le ein­neh­men», for­dert Jost. «Glaub­wür­dig wird sie erst, wenn die Gleich­stel­lung von Frau und Mann umge­setzt ist.» Nicht ohne Stolz erwähnt er, dass er unter den fünf Refe­ren­ten zwei Frau­en ver­pflich­ten konnte.

Johanan Flus­ser
An der Tagung wer­den die fünf gela­de­nen Red­ne­rin­nen und Red­ner erst ein rund zwan­zig­mi­nü­ti­ges State­ment abge­ben, bevor sie in Work­shops mit klei­ne­ren Grup­pen ver­tieft auf Fra­gen, ein­zel­ne Reli­gio­nen betref­fend, ein­ge­hen: Johanan Flus­ser aus Jeru­sa­lem ist ortho­do­xer Jude, Sozi­al­ar­bei­ter und enga­giert sich als Frie­dens­ak­ti­vist und Brücken­bau­er zwi­schen Palä­sti­nen­sern und Israe­li. Geprägt wur­de er auch von sei­nem Vater David Flus­ser, der meh­re­re Bücher aus jüdi­scher Per­spek­ti­ve ver­fasst hat – über das Neue Testa­ment und Jesus.

Anna Gam­ma
Die Zuger Psy­cho­lo­gin und Chri­stin Anna Gam­ma war von 2003 bis 2012 Lei­te­rin des Lass­alle-Insti­tuts in Bad Schön­brunn im zuge­ri­schen Edli­bach, hat sich zur Zen-Mei­ste­rin wei­ter­ge­bil­det und arbei­tet heu­te unter ande­rem als Unternehmensberaterin. 

Hokyo Mora­les
Die Prä­si­den­tin der Schwei­ze­ri­schen Bud­dhi­sti­schen Uni­on, Hokyo Mora­les, lebt seit 25 Jah­ren als bud­dhi­sti­sche Non­ne in La Chaux-de-Fonds. Sie ver­tritt die Viel­falt des Bud­dhis­mus und betei­ligt sich aktiv an den Gesprä­chen ver­schie­de­ner inter­re­li­giö­ser Gre­mi­en auf natio­na­ler Ebene. 

Mouha­nad Khor­chi­de
Der Lei­ter des Zen­trums für isla­mi­sche Theo­lo­gie in der deut­schen Stadt Mün­ster, Mouha­nad Khor­chi­de, ver­tritt einen auf­ge­klär­ten Islam, der dem inter­re­li­giö­sen Dia­log zuge­wandt ist. Für ihn ist der Koran ein Buch aus dem sieb­ten Jahr­hun­dert, des­sen ein­zel­ne Gebo­te heu­te moder­ner Anpas­sun­gen bedür­fen. Von mus­li­mi­schen Ver­bän­den wur­de er hef­tig für sei­ne Hal­tung kritisiert.

Micha­el Schmidt Salo­mon
Der deut­sche Phi­lo­soph Micha­el Schmidt Salo­mon schliess­lich wird eine athe­isti­sche Auf­fas­sung ver­tre­ten. Er for­mu­lier­te zehn Ange­bo­te des evo­lu­tio­nä­ren Huma­nis­mus als Gegen­po­si­ti­on zu den Zehn Gebo­ten. An einer abschlies­sen­den Ple­nums­dis­kus­si­on unter der Lei­tung der Jour­na­li­stin Moni­ka Maria Trost sowie von Eber­hard Jost sol­len die Refle­xio­nen aus den Work­shops über die sinn­stif­ten­de Auf­ga­be der Reli­gi­on im 21. Jahr­hun­dert zusam­men­ge­tra­gen und dis­ku­tiert wer­den. Eber­hard Jost hofft, mit die­sem Pro­gramm ein breit gefä­cher­tes Publi­kum anzu­spre­chen.      Han­nah Einhaus 

 

 

Hin­weis: Frei­tag, 29. August 2014, 13.30 Uhr bis 18.30 Uhr, Mari­en­kir­che Ins. Anmel­de­schluss für das Sym­po­si­um ist der 20. August 2014. Wei­te­re Infor­ma­tio­nen unter www.kathbern.ch/ins oder T: 032 313 23 70

Redaktion Lichtblick
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