Das Mut­ter­schaf weiss, was sei­ne Jun­gen brauchen

Das Mut­ter­schaf weiss, was sei­ne Jun­gen brauchen

1 Köni­ge 17,10–16«In jenen Tagen mach­te sich der Pro­phet ­Eli­ja auf und ging nach Sarep­ta. Als er an das Stadt­tor kam, traf er dort eine Wit­we, die Holz auf­las. Er bat sie: Bring mir in einem Gefäss ein wenig Was­ser zum Trin­ken! Als sie weg­ging, um es zu holen, rief er ihr nach: Bring mir auch einen Bis­sen Brot mit!Doch sie sag­te: So wahr der Herr, dein Gott, lebt: Ich habe nichts mehr vor­rä­tig als eine Hand­voll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Ich lese hier ein paar Stücke Holz auf und gehe dann heim, um für mich und mei­nen Sohn etwas zuzu­be­rei­ten. Das wol­len wir noch essen und dann sterben.Eli­ja ent­geg­ne­te ihr: Fürch­te dich nicht! Geh heim und tu, was du gesagt hast. Nur mache zuerst für mich ein klei­nes Gebäck und bring es zu mir her­aus! … denn so spricht der Herr, der Gott Isra­els: Der Mehl­topf wird nicht leer wer­den und der Ölkrug nicht ver­sie­gen bis  zu dem Tag, an dem der Herr wie­der Regen auf den Erd­bo­den sendet …»Ein­heits­über­set­zung (gekürzt) 

Das Mut­ter­schaf weiss, was sei­ne Jun­gen brauchen

Kürz­lich hin­ter dem Haus: Ein Mut­ter­schaf stand mit zwei neu­ge­bo­re­nen Lämm­chen auf der Wei­de. In der Stil­le der Nacht hat­te das Schaf die Jun­gen zur Welt gebracht. Die Klei­nen konn­ten sich noch kaum auf den Bei­nen hal­ten, und doch knab­ber­ten sie schon an den Grä­sern. Was für ein Bild des Lebens! So berüh­rend. Ein Wun­der. Eines sprang weg und die Mut­ter blök­te ihm mit tie­fem Ton nach. Das Lamm ant­wor­te­te mit hohen Tönen, etwas wei­ter weg. Ein Hin und Her von Zuru­fen zwi­schen der Tier­mut­ter und ihrem Jun­gen. Das Mut­ter­schaf wuss­te genau, was sein Jun­ges brauch­te. Es war wie Musik, tief und hoch, beru­hi­gend und neu­gie­rig auf die Welt, beschüt­zend und mutig.Wenn sogar ein Mut­ter­schaf weiss, was sein Jun­ges braucht, soll­ten dann nicht umso mehr wir Men­schen als Mut­ter oder Vater erah­nen und beach­ten, was die Kin­der und jun­gen Men­schen bräuch­ten? Bei mir kom­men in die­ser Hin­sicht oft Zwei­fel auf, wenn ich jun­gen oder alten Men­schen zuhö­re. Es wäre so ein­fach: das ver­si­chern­de Wort, das Zuspre­chen, Ermun­tern, Nach­fra­gen. Aber ich höre das Gegen­teil: Man sprach nicht mit­ein­an­der, man wur­de vor Tat­sa­chen gestellt, die das Leben eben brin­gen konn­te, aber kei­ne beru­hi­gen­de Stim­me war da, die erklär­te oder ver­si­cher­te, dass es wie­der gut kom­men wird, wenn auch nicht jetzt. Die Eltern und Gross­el­tern waren mit sich sel­ber und mit ihren oft schwe­ren Schick­sa­len beschäf­tigt, sodass die Auf­merk­sam­keit für den wer­den­den Men­schen zu wenig Platz hat­te. Natür­lich sind wir Eltern über Jah­re hin­weg mit den Bemü­hun­gen um den Lebens­un­ter­halt oder den Schwie­rig­kei­ten in den Bezie­hun­gen so sehr in Anspruch genom­men, dass wir oft ver­stum­men und die Gesprä­che auf der Strecke blei­ben. Um mehr zu tun, rei­chen die Kräf­te nicht aus.Die Wor­te aus dem 1. Buch der Köni­ge neh­men die­ses The­ma auf. Die­ses Buch aus dem Alten Testa­ment drück­te immer wie­der aus, dass da ein Gott ist, der dem Volk Isra­el im Lei­sen, Unauf­dring­li­chen, Unspek­ta­ku­lä­ren begeg­net und der sein Wort hält, für immer. Eli­ja, ein gros­ser Pro­phet Got­tes, stand in die­ser Tra­di­ti­on: Was er aus­sprach, erfüll­te sich. Er spür­te die Nöte der Men­schen und gab eine Ant­wort dar­auf. Er wuss­te, was die Men­schen beschäf­tig­te. So begeg­ne­te er in der Stadt Sarep­ta einer Wit­we mit ihrem Sohn. Eine Wit­we gehör­te in der dama­li­gen Zeit zu der unter­sten Schicht. Die­se Frau sah kei­nen Aus­weg mehr. Sie hat­te nichts mehr zu ver­ber­gen, denn sie besass fast nichts. Eli­ja ant­wor­te­te nach ihrer trau­ri­gen Kla­ge: Fürch­te dich nicht! Die­ses Wort, wir ken­nen es: Genau so hat der Engel Gabri­el Maria ange­spro­chen, als er ihr die Geburt Jesu ankün­dig­te. Hab kei­ne Angst! Wel­che Wor­te für unser Leben, in unse­re Beden­ken und Äng­ste hin­ein! «Fürch­te dich nicht! Ich unter­stüt­ze dich in den täg­li­chen Ver­su­chen zu leben, einen Sinn zu fin­den und die näch­sten Schrit­te zu tun.» Wer bei­spiels­wei­se ein­mal ohne Arbeit dastand und eine Fami­lie zu ernäh­ren hat­te, weiss, was dies bedeu­tet.Auf die Wor­te von Eli­ja konn­ten sich die Men­schen ver­las­sen. Er stand in der Tra­di­ti­on des Got­tes, der Treue und Zuver­läs­sig­keit ist. Mögen doch unse­re Wor­te im All­täg­li­chen und Unspek­ta­ku­lä­ren wie­der zuver­läs­sig und beru­hi­gend sein. Dass auf uns Ver­lass sei! Wenn sogar ein Mut­ter­schaf es wun­der­bar ver­steht, für sein Jun­ges zu sor­gen!Anna-Marie Fürst, Theo­lo­gin, arbei­tet in der Gefäng­nis­seel­sor­ge und in der Seel­sor­ge für Men­schen mit Behin­de­rung in den Kan­to­nen Aar­gau, Basel-Stadt und Zug 
Redaktion Lichtblick
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