Ab ins Sola – aber fair!

Ab ins Sola – aber fair!

Wer je ein Pfadi­lager oder ein Som­mer­lager von Jung­wacht Blau­r­ing erleben durfte, weiss um die unbezahlbaren Erleb­nisse, die ein «Sola» bietet. Fre­und­schaften und Frei­heit­en weit weg von elter­lich­er Auf­sicht bere­ich­ern die Kinder fürs Leben. So gese­hen kön­nen die Solas mit gutem Gewis­sen als nach­haltig beze­ich­net wer­den. Dass aber die Lager auch in ökol­o­gis­ch­er und sozialer Hin­sicht nach­haltiger wer­den, dafür sorgt das Pro­jekt «Faires Lager».Einge­seift ste­hen die Jung­wächter von Windisch auf ihrem Lager­platz im Kan­ton Basel­land. Sie freuen sich über den hefti­gen Platzre­gen. Als sich wenig später die Wolken verziehen, sind alle – im wahrsten Sinne des Wortes – frisch geduscht. Weil die Schar auf dem Lager­platz kein fliessendes Wass­er hat, spart sie mit der Regen­dusche wertvolles Wass­er. Lager­leit­er Ben­jamin Eber­hardt erk­lärt: «Alles Wass­er, das wir zum Kochen und Waschen brauchen, kommt aus unserem 1000-Liter-Tank.» Ist der Tank leer, bringt der Platzver­mi­eter mit dem Gabel­sta­pler wieder einen vollen. 50 Franken zahlt die Schar für tausend Liter Wass­er. Etwa anderthalb Tage reiche eine Tank­fül­lung schätzt der Lager­leit­er. Und er fügt an: «Fliessendes Wass­er ist wahrschein­lich der meis­tun­ter­schätzte Luxus.»

Mehr als drei Planeten wären nötig

Genau dieses Bewusst­sein will das Pro­jekt «Faires Lager» mit sein­er Arbeit fördern. Es set­zt sich dafür ein, dass Jugendliche für glob­ale Zusam­men­hänge sen­si­bil­isiert wer­den und bewusster und nach­haltiger kon­sum­ieren. «Denn wenn alle so leben wür­den wie wir in der Schweiz, bräucht­en wir die Ressourcen von 3,3 Plan­eten.», ste­ht auf der Web­seite www.faires-lager.ch Dort wird auch erk­lärt, was mit «Nach­haltigkeit» gemeint ist: «Eine Lebensweise, welche die natür­lichen Ressourcen in dem Masse beansprucht, wie sie auch wieder­hergestellt wer­den kön­nen.»

Kein moralischer Zeigefinger

«Nach­haltig» gilt als Unwort. Es wird so häu­fig ver­wen­det, dass die Bedeu­tung dif­fus wird und der Begriff abschreck­end wirkt. Helen Joss ist Pro­jek­tver­ant­wortliche und sagt: «Nach­haltigkeit soll bei uns keines­falls mit dem moralis­chen Zeigefin­ger, son­dern mit pos­i­tiv­er Energie und Erfind­ergeist gle­ichge­set­zt wer­den.» Hin­ter dem Pro­jekt ste­hen fünf Organ­i­sa­tio­nen: young­Car­i­tas, die Pfadibewe­gung Schweiz, das Fas­tenopfer, die Katholis­che Kirche Stadt Luzern sowie Jung­wacht Blau­r­ing Schweiz bilden zusam­men die Träger­schaft von «Faires Lager». Was im Som­mer 2014 auf Ini­tia­tive der Katholis­chen Kirche Stadt Luzern als Pilot­pro­jekt mit sechs Jugend­grup­pen begonnen hat­te, hat sich innert dreier Jahre auf die gesamte Deutschschweiz aus­gedehnt.

Besuche in den Ausbildungskursen

Um ihr Anliegen bekan­nt zu machen, peilen die Ver­ant­wortlichen die Aus­bil­dungsstruk­turen der Jugend­ver­bände an. Denn in den Aus­bil­dungskursen, welche vor allem Pfa­di und Jubla für ihre Mit­glieder durch­führen, tre­f­fen sich diejeni­gen Jugendlichen, die in naher Zukun­ft die Entschei­de in ihrer Schar tre­f­fen, sei es als Schar- oder Lager­leit­er und –lei­t­erin. «Faires Lager» bietet an, die Kurse zu besuchen, um in einem zweistündi­gen Work­shop Wis­sen zu ver­mit­teln und den Aus­tausch unter den Kursteil­nehmenden in Gang zu brin­gen. So kön­nen diese Lösun­gen erar­beit­en, die auf ihre Sit­u­a­tion zugeschnit­ten sind.

Nach gesundem Menschenverstand

Denn nicht alle Scharen wollen und kön­nen gle­ich viel für fairen Kon­sum tun. Patrizia Meis­ter ist Präs­es des Blau­r­ings St. Sebas­t­ian Wet­tin­gen. Momen­tan weilt sie mit ihrer Schar im Som­mer­lager im Jura. Sie sel­ber habe vom Pro­jekt «Faires Lager» schon gehört, sagt sie. Die meis­ten ihrer Lei­t­erin­nen hät­ten davon aber noch nichts mit­bekom­men. Bei der Lager­vor­bere­itung habe das Leitung­steam Umweltschutz und Nach­haltigkeit nicht expliz­it the­ma­tisiert, doch den Lei­t­erin­nen sei auch so bewusst, dass mit Ressourcen scho­nend umge­gan­gen wer­den muss, sagt Patrizia Meis­ter. So hät­ten sie den Blau­r­ing­mäd­chen zum Beispiel erk­lärt, dass sie nicht zu viel WC-Papi­er ver­brauchen sollen. Und auch beim Einkaufen der Lebens­mit­tel ver­sucht die Schar, auf regionale Pro­duk­te zu set­zen: «Nor­maler­weise beziehen wir Lebens­mit­tel wie Gemüse, Eier und Brot vom Bauern, der uns den Lager­platz ver­mi­etet. Dieses Jahr betreibt der Ver­mi­eter jedoch einen Pfer­de­hof, deshalb fällt diese Möglichkeit weg. Fleisch und Brot beziehen wir hier im Dorf, den Rest kaufen wir nor­mal in Coop und Migros.» Die Präs­es fasst zusam­men: «Wir brin­gen das The­ma Nach­haltigkeit nach gesun­dem Men­schen­ver­stand dann ein, wenn es ger­ade passt.»

Regional, saisonal und korrekt recycelt

Pro­jek­tlei­t­erin Helen Joss meint dazu: «Mir ist bewusst, dass das The­ma über­fordern kann. Deshalb ist es wichtig, dass jede Jugend­gruppe im Rah­men ihrer Möglichkeit­en han­delt und kon­tinuier­lich darauf auf­baut.» Es zählt jed­er kleine Schritt. Zum Beispiel kann das Küchen­team den Menü­plan möglichst saison­al gestal­ten. Oder die Leit­er acht­en beim Einkauf von Bauholz und Bastel­ma­te­r­i­al auf möglichst regionale Herkun­ft und kurze Trans­portwege. Beim Kauf von Lebens­mit­teln kön­nen saisonale, regionale und biol­o­gisch ange­baute Pro­duk­te bevorzugt und der Kon­sum von tierischen Lebens­mit­teln auf ein vernün­ftiges Mass reduziert wer­den. Auch beim Mate­ri­alver­brauch kön­nen Sola-Organ­isatoren auf kurze Trans­portwege und kor­rek­tes Recy­cling acht­en. «Luft nach oben gibt es nicht nur in bei der Bere­it­stel­lung der Infas­truk­tur, son­dern auch in der spielerischen Ver­mit­tlung des The­mas an Lagerteil­nehmende», fügt Helen Joss an.

Not macht erfinderisch

Schliesslich bietet auch jed­er Lager­platz andere Gele­gen­heit­en, Nach­haltigkeit zu üben. Ohne fliessendes Wass­er wurde die Jung­wacht Windisch erfind­erisch: «Das Wass­er, das sich auf dem Zelt­dach in ein­er durch­hän­gen­den Blache sam­melt, kön­nen wir zum Waschen brauchen.», sagt Lager­leit­er Ben­jamin Eber­hardt. Und den einzi­gen Strom­gen­er­a­tor auf dem Platz, der den Kühlschrank beliefert, schal­ten die Leit­er nachts, wenn es küh­ler wird, aus.

Jährlicher Wettbewerb

Dass das The­ma Nach­haltigkeit ein Lager­pro­gramm bere­ich­ern kann, zeigt «Faires Lager» mit dem jährlichen Wet­tbe­werb. Dieser konzen­tri­ert sich jew­eils auf einen anderen Aspekt des Nach­haltigkeit­s­the­mas  wie Einkauf, Kochen oder wie in diesem Jahr auf den Lager­müll. Die Jugend­grup­pen wer­den ein­ge­laden, kreativ gestal­tete Beiträge zum Wet­tbe­werb­s­the­ma einzuschick­en, die von ein­er Jury bew­ertet wer­den. Die besten Beiträge gewin­nen attrak­tive Sach­preise.

Zaghafte Schritte im Aargau

Wie die Zahlen der ver­gan­genen Jahre zeigen, wird der Wet­tbe­werb langsam bekan­nter. Waren es im Jahr 2016 noch 36 teil­nehmende Som­mer­lager, so sind aktuell 52 Jugend­grup­pen gemeldet. Aus dem Aar­gau haben sich vier Scharen angemeldet: die Pfa­di Alpha Cen­tau­ri Mutschellen und Jonen, die Pfa­di Adler Aarau, der Blau­r­ing St. Anton Wet­tin­gen und der Blau­r­ing Windisch. Das sind noch ver­hält­niss­mäs­sig wenig Teil­nehmende aus dem Aar­gau. Doch Jung­wacht Blau­r­ing Aar­gau arbeit­et offen­bar daran, «Faires Lager» bei den Scharen bekan­nt zu machen. In den Früh­lingskursen stellte Bar­bara von Büren von der Arbeitsstelle der Kan­ton­sleitung das Pro­jekt vor. Auch in der Pfa­di wird derzeit disku­tiert, wie das Pro­jekt noch bess­er ver­ankert wer­den kann.«Faires Lager» ist auf dem Vor­marsch. Auf dass noch viele Gen­er­a­tio­nen Blau­r­ing­mäd­chen und Jung­wächter Aben­teuer in der freien Natur geniessen kön­nen.                               
Marie-Christine Andres Schürch
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