«Kommt, es reicht! Es reicht für alle!»

Über zwei Tausend Per­so­n­en reis­ten am Son­ntag, 9. März, nach St. Gallen, um ihrem Unmut über die Zustände im Bis­tum Chur Aus­druck zu ver­lei­hen. Die Teil­nehmer zogen vom Bahn­hof zum Kloster­platz, wo ein sichtlich bewegter Markus Büchel, Präsi­dent der Schweiz­er Bischof­skon­ferenz (SBK), die Forderung nach einem Admin­is­tra­tor für das Bis­tum Chur ent­ge­gen­nahm.

«Es ist wieder kalt gewor­den im Bis­tum Chur, sehr kalt», sagt eine Stimme aus dem Off. Eine schmale Gestalt, in rotes Tuch gehüllt, ste­ht auf der Bühne. Sie spricht nicht, ste­ht nur starr da, stel­lvertre­tend für Seel­sorg­erin­nen und Seel­sorg­er aus dem Bis­tum Chur, die fürcht­en, bei ein­er öffentlichen Mei­n­ungsäusserung ihre Stelle zu ver­lieren. Stel­lvertre­tend für viele wer­den einige Aus­sagen von Katho­liken aus dem Bis­tum Chur ver­lesen: «Ich bin schwul. Ohne Beziehung, seit Jahren. Ich arbeite im Bis­tum Chur. Man nötigte mich, zu kündi­gen.» – «Ich wün­sche mir einen Bischof, der akzep­tiert, dass es in der Schweiz Kan­ton­alkirchen gibt mit ihren eige­nen Befug­nis­sen. Ich habe ihn nicht.» Hin­ter­grund der Demon­stra­tion sind der schwe­lende Kon­flikt zwis­chen den Katho­liken des Bis­tums Chur mit Bischof Vitus Huon­der. Dessen Ver­laut­barun­gen, die sich unter anderem gegen die staatskirchen­rechtlichen Struk­tur in der Schweiz und auch gegen den «Gen­deris­mus» richt­en, hat­ten für gross­es Unver­ständ­nis an der Basis gesorgt. Gle­ich­es galt für Äusserun­gen zur Kom­mu­nion­spende an Men­schen in «irreg­ulären» Lebens- und Beziehungssi­t­u­a­tio­nen. Daraufhin hat­ten sich unter Fed­er­führung des SKF rund zehn katholis­che Ver­bände zu einem Bünd­nis «Es reicht» zusam­mengeschlossen.

Schlagab­tausch im Vor­feld
In den Wochen vor der Kundge­bung wurde die Allianz der katholis­chen Ver­bände von kon­ser­v­a­tiv­en katholis­chen Grup­pierun­gen teils scharf und mit kriegerisch­er Rhetorik angegerif­f­en. Es wurde zudem von besorgten Katho­liken eine Gebetsini­tia­tive für Bischof Vitus Huon­der und den Frieden im Bis­tum Chur lanciert. Der Eid­genös­sis­che Bund Junger Katho­liken rief zu ein­er Gegen­ver­anstal­tung auf. Diese wurde jedoch auf aus­drück­lichen Wun­sch von Bischof Vitus Huon­der abge­sagt. Zwar wur­den auch inner­halb der Allianz-Ver­bände einzelne kri­tis­che Stim­men laut, den­noch mobil­isierte das Bünd­nis zahlre­iche Men­schen aus dem Bis­tum Chur, aus der Ost- und Inner­schweiz und sog­ar aus Genf. Das bunt gemis­chte Pub­likum zog demon­stri­erend durch die Sankt Galler Innen­stadt.

Ver­bandsin­terne Diskus­sion über das «k»
Weil er durch die Ver­anstal­tung die Gefahr der Polar­isierung der Kirche in der Schweiz sah, veröf­fentlichte der emer­i­tierte Pfar­rer Max Syfrig am 7. März 2014 in der «Katholis­chen Wochen­zeitung», ansäs­sig in Baden, einen offe­nen Brief an den Frauen­bund. Er weist in seinem Schreiben darauf hin, dass Bischof Huon­ders Äusserun­gen zu «Gen­deris­mus und Sex­u­al­ität» nur der katholis­chen Lehre entsprechen. Max Syfrig hin­ter­fragt ausser­dem die Neu-Def­i­n­i­tion des Begriffs «katholisch» durch den SKF. Diese ori­en­tiere sich nicht an der Bibel und dem Konzil, son­dern an der fem­i­nis­tis­chen The­olo­gie. Auf Nach­fra­gen erläuterte Max Syfrig, dass die fem­i­nis­tis­che The­olo­gie zwar viel Gutes und Notwendi­ges gebracht habe, in vie­len Fra­gen jedoch nicht ein­heitlich sei und in manchen Punk­ten vom katholis­chen Glauben der Kirche abwe­iche. Hin­ter­grund ist die ver­bandsin­terne Diskus­sion um den Begriff «katholisch», der von vie­len Mit­gliedern als teil­weise hin­der­lich erfahren wird. Das «k» zu stre­ichen komme jedoch nicht in Frage, denn «das ‚katholisch‘ ist ein fes­ter Bestandteil unseres Selb­stver­ständ­niss­es, durch das wir uns auch von anderen Frauen­ver­bän­den abheben», erläuterte Kathrin Winzel­er, Kom­mu­nika­tions­beauf­trage des SKF, im Gespräch mit Hor­i­zonte. Als Ergeb­nis der Auseinan­der­set­zung mit dem «k», veröf­fentlichte der Ver­band einen Fly­er, der den Frauen in den Ortsvere­inen als Han­dre­ichung dienen soll. Diesen ver­schick­te der SKF an die Bis­chöfe und andere katholis­che Ver­bände mit dem Ziel, eine offene Diskus­sion über das «katholisch» anzus­tossen. «Diese Diskus­sion ist wegen der Kundge­bung in Sankt Gallen etwas in den Hin­ter­grund ger­at­en. Die Ereignisse haben sich fast über­schla­gen», erk­lärt Kathrin Winzel­er. Max Syfrig sieht in der Faltkarte des SKF einige Beispiele, die vom verun­sicherten Glauben des SKF Zeug­nis geben.

Büchel sichtlich berührt
Während die Demon­stran­ten am Son­ntag mit bewe­gen­den Worten ihr Unver­ständ­nis aus­drück­ten, stand Markus Büchel, Präsi­dent der SBK und Adres­sat der Ver­anstal­tung, still am Rande der Menge. Später begab er sich aufs Podi­um, um von Ros­marie Koller-Schmid, Präsi­dentin des SKF, den Brief ent­ge­gen­zunehmen, in welchem die Organ­isatoren ihre Forderun­gen for­mulieren: Die Ein­set­zung eines Admin­is­tra­tors für das Bis­tum Chur, «der das Ver­trauen der Mehrheit der Gläu­bi­gen geniesst», ein kirch­lich­es Denken, «das kein­er­lei Aus­gren­zung und Diskri­m­inierung von Men­schen duldet», sowie einen Umgang mit den Resul­tat­en der Fam­i­lienum­frage, der «ermuti­gende Kon­se­quen­zen für die Betrof­fe­nen nach sich zieht.» Bischof Markus Büchel hielt in sein­er Rede sichtlich bewegt fest, wie schwierig es sei, eine Sprache zu find­en, die nicht ver­let­ze. Begeg­nung und ehrlich­er Dia­log, dies sei der Weg, zu dem Papst Franziskus immer wieder ermahne. «Möge es uns gelin­gen, Brück­en zu bauen und nicht Brück­en niederzureis­sen.» In diesem Geist nehme er die Botschaft zu Han­den der SBK ent­ge­gen.

Wie es weit­er geht
Die Kundge­bung berühre ihn sehr, sagte Büchel im Anschluss an die Kundge­bung gegenüber Medi­en. Die Ver­anstal­tung zeige, dass sich viele Men­schen um die Kirche küm­merten. Er wollte sich nicht dazu äussern, wie real­is­tisch die Forderun­gen seien. Ros­marie Koller-Schmid zeigte sich sehr glück­lich über die Ver­anstal­tung und dankbar, dass Markus Büchel die Forderun­gen ent­ge­gengenom­men Es habe. Der Dia­log solle auf jeden Fall weit­erge­führt wer­den. Es bleibe abzuwarten ob eine Ein­ladung in die SBK aus­ge­sprochen werde. Der­weil vertei­digte Guiseppe Gra­cia, Sprech­er des Bis­tums Chur, Bischof Vitus Huon­der. Der Bischof vertrete eine nor­male katholis­che Posi­tion, die ausser­halb der Schweiz nicht auf­fall­en würde. Er werde auch nicht vor den Medi­en auftreten, da es nicht um seine Per­son, son­dern um die Sache gin­ge. Der Kirchen­his­torik­er und Redak­tion­sleit­er der Schweiz­erischen Kirchen­zeitung, Urban Fink, geht davon aus, dass der Auftritt der Men­schen am ver­gan­genen Son­ntag ein Aus­druck von Unzufrieden­heit unter anderem darüber war, dass sie nicht ange­hört wer­den. Es beste­he eine «grosse Kluft» zwis­chen dem Bischof von Chur ein­er­seits und dem Kirchen­volk ander­er­seits. Die Sit­u­a­tion im Bis­tum sei heute «schlim­mer» als zu Zeit­en von Bischof Haas. Diesem set­zte der Vatikan 1993 zwei Bis­chöfe zur Seite, was die Lage beruhigte.    kipa/aj

Redaktion Lichtblick
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