In Teufels Küche

In Teufels Küche

Vom 19. März bis 29. Mai 2016 beschäftigt sich das Aarauer Forum Schloss­platz in ein­er Ausstel­lung mit dem Bösen, genau genom­men mit ver­schiede­nen Strate­gien, mit denen wir es uns vom Leib zu hal­ten glauben. Der Raum zeigt, wie es in wom­öglich manchem Kinderz­im­mer aussieht: In der Mitte ste­ht auf einem Tep­pich ein klein­er Tisch mit Zeich­nun­gen. Über­all ver­streut Stifte, Kinder­büch­er, Spielzeug und Lego-Teile. Inmit­ten des sorgfältig arrang­ierten «Mise en Place» find­et sich auch eine Spielfig­ur von Kylo Ren, dem Bösewicht aus dem neuen Star Wars-Film und ein täuschend echt ausse­hen­der Spielzeu­gre­volver.

Des Pudels Kern bleibt unsichtbar

So wie es im beschriebe­nen Kinderz­im­mer nur angedeutet wird, funk­tion­iert die Ausstel­lung. «Das Böse bleibt let­ztlich unsicht­bar, erk­lärt Nadine Schnei­der, Lei­t­erin von Forum Schloss­platz. Die Ausstel­lungs­mach­er Stephan Licht­en­steiger und Peter Kunt­ner hät­ten das The­ma einge­bracht, so Nadine Schnei­der. «Anhand der vie­len Fra­gen, die das aufwarf, sei rasch klar gewor­den, dass man dieses The­ma ver­tiefen wolle. Zwei Jahre Zeit sind sei­ther ver­gan­gen. Das Resul­tat ste­ht, die Ausstel­lung öffnet am 19. März ihre Tore.Bei der Konkretisierung des The­mas habe man ver­sucht, «an das Böse her­anzukom­men», so Nadine Schnei­der. «Rasch haben wir gemerkt, dass das nur funk­tion­iert, wenn wir uns damit auseinan­der­set­zen, wie wir damit umge­hen.» So kam es zur Fokussierung auf die «Abwehrmeth­o­d­en gegen das Böse».

Mit Amulett, Erziehung und Verstand

Der Haupt­saal der Ausstel­lung präsen­tiert in bewusst insze­niert­er Sakralat­mo­sphäre ver­schieden­ste Objek­te, die das Böse ban­nen, beschwichti­gen oder beschwören sollen: Da liegt ein Rinder­schädel neben Madon­nen­stat­uen, Wei­h­wass­er, Amulet­ten und natür­lich auch Hufeisen. Die Aus­lage hal­ten die Austeller bewusst offen. Ausstel­lungs­be­such­er sind ein­ge­laden, per­sön­liche Arte­fak­te mitzubrin­gen, mit denen sie sich gegen «Bös­es» schützen.Ein zweit­er Raum wid­met sich der wohl pop­ulärsten Strate­gie gegen das Böse: Dem Einsper­ren. Die mit ein­fachen Mit­teln inter­es­sant gestal­tete Gefäng­nisat­mo­sphäre ste­ht in span­nen­dem Gegen­satz zum Kinderz­im­mer, das dem The­ma der Erziehung als Strate­gie gegen die Aus­bre­itung des Bösen gewid­met ist. Das «Reflek­to­ri­um» schliesslich wid­met sich dem Ver­such, dem Bösen anhand von Ratio­nal­isierung beizukom­men. Neb­st ein­er Aus­lage von berühmten lit­er­arischen und wis­senschaftlichen Werken über das Böse – von Han­nah Arendt über Goethe bis Jean Paul-Sarte und Schopen­hauer – präsen­tiert der bewusst in Schwarz und Weiss gehal­tene Raum vier eigens für die Ausstel­lung ver­fasste Kurzre­flex­io­nen: Von einem Foren­sik­er, einem Exorzis­ten, ein­er Medi­a­torin und einem The­olo­gen. Let­zter­er ist Odo Cam­pono­vo. «Das Böse ist für uns Men­schen Real­ität und Rät­sel, Macht und Mys­teri­um», schreibt der aus Wet­tin­gen stam­mende, langjährige Pas­toralver­ant­wortliche des Bis­tums Basel. Über­haupt berührt die Ausstel­lung immer wieder religiösen Boden. Grund genug für die Reformierte Lan­deskirche Aar­gau, das Pro­jekt finanziell zu unter­stützen.Das «Reflek­to­ri­um» habe man bewusst in Schwarz und Weiss gehal­ten, um die Polar­itäten rund um das The­ma bewusst zu machen. «Ziel ist es, dass darüber hin­aus über das Nach­denken Grauw­erte entste­hen», erk­lärt Nadine Schnei­der. «Alle Gegen­stände, mit denen wir uns ver­meintlich gegen das Böse wehren, tra­gen in sich ja auch die gegen­teilige Qual­ität», ergänzt Stephan Licht­en­steiger.

Der Reiz der fehlenden Bedrohung

Das Böse boomt, behauptet die Ausstel­lung. Eine Auswer­tung über die Häu­figkeit der Ver­wen­dung des Begriffs ergab, dass «das Böse» heutzu­tage allein in der Wochen­zeitung «Die Zeit» sechs­mal häu­figer vorkommt als noch zur Jahrtausendwende. In TV-Serien, Kinofil­men und Com­put­ergames haben «die Bösen» mit­tler­weile Kult­sta­tus, ins­beson­dere dort, wo sich die Kon­turen zwis­chen Schwarz und Weiss ver­mis­chen und uns zeigen, dass das Böse, über­all und in jedem angelegt ist.Woher rührt diese Fasz­i­na­tion? Beat Schalk, Seel­sorg­er der Aarauer Pfar­rei Peter und Paul, erk­lärt es sich so: «Seit dem Zweit­en Weltkrieg erfahren wir hier eine Zeit des Friedens. Ger­ade in der Schweiz ken­nen wir kaum mehr Gewalt und Ter­ror. Insofern übt das nicht mehr präsente Böse bei uns einen gewis­sen Reiz aus. Wir führen uns über Filme oder Videospiele eine Gegen­welt vor Augen. Gefährlich ist das insofern, als dass es neugierig macht auf mehr. So wie in Ameri­ka, wo vere­inzelt Jugendliche Ver­brechen bege­hen und als Motiv angeben, sie hät­ten aus­pro­bieren wollen, wie das ist, gewalt­tätig oder böse zu sein.»In der seel­sorg­erischen Arbeit begeg­net Beat Schalk «das Böse» kaum. Ein­mal abge­se­hen davon, dass sich vor kurzem jemand auf der Pfar­rei danach erkundigt hat, wer denn im Bis­tum für Exorzis­mus zuständig sei. «Dass mir aber Leute von Besessen­heit oder Bedro­hun­gen bericht­en, die sie ver­fol­gen, das erlebe ich nicht», so Beat Schalk. «Allerd­ings sind oft Schuld­fra­gen ein The­ma. Men­schen beschäfti­gen Dinge, mit denen sie nicht klar kom­men. Als Seel­sorg­er ver­weise ich ein­er­seits auf die bib­lis­chen Texte, wo Gott Verge­bung in Aus­sicht stellt. Ich betone aber auch, dass eine Auseinan­der­set­zung mit Schuld stat­tfind­en muss und man für Dinge ger­ade ste­hen soll.»
Andreas C. Müller
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