Der Ruf der Kirche ist besser, als man meint

Am 11. Mai 2015 hat das Schweiz­erische Pas­toral­sozi­ol­o­gis­che Insti­tut St. Gallen SPI in Zürich die Ergeb­nisse sein­er Studie zur Kirchen­re­pu­a­tion vorgestellt. Das Inter­esse war enorm: Über 180 Per­so­n­en woll­ten aus erster Hand wis­sen, wie das Bild der bei­den grossen Kirchen in dieser erst­ma­lig erstell­ten Unter­suchung geze­ich­net wird. Das Ergeb­nis: Die Reformierten haben einen besseren Ruf als die Katho­liken

Wie ste­ht es um das Anse­hen der bei­den grossen Kirchen in der Schweiz? Gefragt wurde nach der Ver­bun­den­heit mit den Kirchen, nach der Qual­ität kirch­lich­er Dien­stleis­tun­gen, des Seel­sorgeper­son­als oder der Kirchen­leitun­gen. Ein zen­traler Punkt kam immer wieder aufs Tapet: Die per­sön­lichen Erfahrun­gen mit kirch­lichen Mitar­beit­ern prä­gen das Kirchen­bild dauer­haft. Knapp 1 400 Men­schen wur­den in der Studie des Schweiz­erischen Pas­toral­sozi­ol­o­gis­chen Insti­tuts (SPI) St. Gallen und dem Zen­trum für Kirch­enen­twick­lung an der Uni­ver­sität Zürich befragt. Darunter befan­den sich 360 ange­hende Pri­mar­lehrer und Pri­mar­lehrerin­nen sowie Kindergärt­ner­in­nen und Kindergärt­ner der Päd­a­gogis­chen Hochschule St. Gallen, 90 The­olo­gi­es­tudierende aller römisch-katholis­chen und evan­ge­lisch-reformierten Fakultäten der Deutschschweiz sowie 949 Mit­glieder von Kan­ton­spar­la­menten. Sie alle ver­gaben Noten für den Reli­gion­sun­ter­richt und erteil­ten Auskun­ft darüber, welche Gefüh­le und Begriffe sie mit der katholis­chen oder reformierten Kirche verbinden. Das Ergeb­nis? «Für Fest­tags­gottes­di­en­ste, Jugen­dar­beit und Diakonie erhal­ten sie gute Noten. Schlecht weg kom­men Predigten und Erwach­se­nen­bil­dung», resümiert  das Online-Por­tal der Reformierten «ref.ch». Zudem habe der Ruf der katholis­chen Kirche durch das Bekan­ntwer­den von Miss­brauchs­fällen, durch Posi­tio­nen in der Sex­ual­moral und der Gle­ich­stel­lung der Geschlechter gelit­ten. In der ganzen Umfrage wurde dem­nahc die reformierte Kirche ten­den­ziell bess­er bew­ertet.Leis­tun­gen der Kirche wer­den im All­t­ag beurteilt «So, wie uns andere sehen, das hat uns etwas zu sagen», machte Arndt Bünker, Leit­er des SPI, bei der Präsen­ta­tion der Ergeb­nisse deut­lich. Klar musste sich die Stu­di­en­leitung bei den Befra­gun­gen auf einen Auss­chnitt der Gesellschaft beschränken. Mit den ange­hen­den Pri­mar- und Kinder­garten­lehrper­so­n­en wur­den junge Leute aus­gewählt, die kün­ftig auch das Bild der Kirchen ver­mit­teln wer­den. Die Mit­glieder von Kan­ton­spar­la­menten wur­den wegen ihres beson­deren Bezuges zwis­chen Kirche und Staat befragt. Und als dritte Gruppe wur­den The­olo­gi­es­tudierende als kün­ftige Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er dieser Kirchen aus­gewählt. Für Urs Win­ter-Pfändler vom SPI, der die Studie leit­ete und die Ergeb­nisse zusam­men­fasste, war es wichtig, etwas zu erfahren, aus dem für den All­t­ag in Pfar­rei und Kirchge­meinde Kon­se­quen­zen gezo­gen wer­den kön­nen. «Das sind ger­ade nicht die grossen the­ol­o­gis­chen Fra­gen. Wir woll­ten dort hin­schauen, wo die Men­schen mit der Kirche unmit­tel­bar in Berührung kom­men», so Win­ter-Pfändler. Und die Antworten darauf, die ste­hen und fall­en mit den Mitar­beit­ern vor Ort. Doch es gehe ger­ade nicht darum, die Kirche auf die Qual­ität von Pro­duk­ten hin zu unter­suchen, so Urs Win­ter-Pfändler. Die Dien­stleis­tun­gen – oder Ange­bote – der Kirchen kön­nten aber sehr wohl ganz nüchtern gemessen und beurteilt wer­den. «Wenn ein Seel­sorg­er bei ein­er Beerdi­gung immer wieder auf die Uhr schaut, dann ist das durch seine volle Agen­da erk­lär­bar. Aber bei der betrof­fe­nen Trauer­fam­i­lie bleibt ein schlechter Ein­druck zurück», so der Stu­di­en­leit­er. «Unsere Studie hat viele Ver­mu­tun­gen bestätigt. Über­rascht hat mich, dass die bei­den Kirchen in der Wahrnehmung von aussen gar nicht so weit auseinan­der­liegen. Keine Über­raschung ist hinge­gen die Erken­nt­nis, dass wo schlechte Arbeit gemacht wird, auch ein schlecht­es Bild von Kirche vorherrscht.» Auch Thomas Schlag, Pro­fes­sor am Zen­trum für Kirch­enen­twick­lung, machte deut­lich, dass jede geäusserte Kri­tik an der Kirche und ihren Mitar­beit­ern zu denken geben muss. Denn, so Schlag: «Wer im kirch­lichen Dienst auftritt, der set­zt sich aus und der muss Reak­tio­nen annehmen kön­nen.»Kirche braucht «heilige Erre­gung» Nun könne, so der The­olo­giepro­fes­sor, Kri­tik als Risiko gese­hen wer­den, als Bedro­hung der eige­nen Per­son und des Amtes. Kri­tik sei aber auch als Chance zu ver­ste­hen. Und dafür machte sich Thomas Schlag stark. Dass so viele dif­feren­zierte Rück­mel­dun­gen zu der Umfrage einge­gan­gen seien, sei keine Selb­stver­ständlichkeit. Die im Buch zusam­menge­fassten Aus­sagen wür­den vielmehr zeigen, dass gegenüber den Kirchen ein gross­es Ver­trauenspoten­zial vorhan­den sei. «Die Kirchen müssen sich nicht vor Kri­tik fürcht­en», so Schlag weit­er, son­dern mit Wach­heit und Aufmerk­samkeit – er nan­nte es «heilige Erre­gung» – von dem reden, was sie aus­macht: Der Glaube an Jesus Chris­tus. Das Hin­schauen auf die Art und Weise, wie Vertreterin­nen und Vertreter der Kirchen – ob in der Seel­sorge, der Ver­wal­tung oder in beson­deren Dien­sten – han­deln, wurde als eine dere Haup­tauf­gaben für eine gute Rep­u­ta­tion genan­nt. Die Sorge um das Per­son­al, das Ver­hal­ten in Kon­flik­t­fällen, die Art und Weise, wie, wann und wo mit Infor­ma­tio­nen an die Öffentlichkeit gelangt wird, bei solchen The­men könne die Kirche von anderen Organ­i­sa­tio­nen sehr viel ler­nen, ohne auf das spez­i­fisch Christliche verzicht­en zu müssen, wurde ver­schiedentlich betont. Aber es gelte auch, zu den pos­i­tiv­en Rück­mel­dun­gen Sorge zu tra­gen und den Blick über die Kernge­meinde hin­aus zu richt­en. Denn auch der grosse Teil der kirchen­fer­nen Per­so­n­en trage zum Ruf der Kirche bei. Oder, wie es der Präsi­dent der reformierten Lan­deskirche Aar­gau, Pfar­rer Christoph Weber-Berg, erk­lärte: «Zwei Drit­tel der Ein­wohn­er sind bei ein­er der grossen Lan­deskirchen Mit­glied, das ist pos­i­tiv. – Es ist eine Frage der per­sön­lichen Hal­tung der Kirchen­vertreter, das auch als pos­i­tiv anzunehmen.»
Andreas C. Müller
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