«Konsens ist ein wichtiges Wort»

«Konsens ist ein wichtiges Wort»

  • Frisst das duale Sys­tem wirk­lich seine Kinder, wie Hor­i­zonte in sein­er Aus­gabe Nr. 9/10 getitelt hat?
  • Die Recherche geht weit­er. Dies­mal im Pfar­rhaus von Sins, bei Pas­toral­raump­far­rer Thomas Zim­mer­mann.
  • Er arbeit­et als Priester Hand in Hand mit den staatskirchen­rechtlichen Behör­den.

«Das duale Sys­tem ist ur-schweiz­erisch, es hat seine Berech­ti­gung», antwortet Pfar­rer Thomas Zim­mer­mann auf die Frage, was er vom dualen Sys­tem halte. Diese weltweite Son­der­form ein­er Kirchen­struk­tur, die auf der stren­gen Teilung zwis­chen der ernen­nungs­berechtigten kirch­lichen Autorität (Bischof) und der staatskirchen­rechtlichen Anstel­lungs­be­hörde (Lan­deskirche, Kirchge­meinde oder Kirchge­mein­de­ver­band) beruht, funk­tion­iert prob­lem­los, solange sich bei­de Seit­en an die Spiel­regeln hal­ten.

Grenzüberschreitungen

Im Pas­toral­raum Zurzach-Stu­den­land war das, laut Aus­sagen von Pfar­rer Stüdli, Felix Vögele, (Präsi­dent des Pfar­reien­ver­ban­des Zurzach-Stu­den­land) und Tobias Fontein (Bis­tum­sre­gion­alver­ant­wortlich­er), nicht mehr der Fall. Fontein sagte dazu: «Es führt immer zu Kon­flik­ten, wenn in diesem Sys­tem Gren­züber­schre­itun­gen passieren und Zuständigkeit­en nicht einge­hal­ten wer­den.» Von solchen Prob­le­men kann Thomas Zim­mer­mann in Sins nicht bericht­en. Er hat im Auf­trag von Bischof Felix den Pas­toral­raum Oberes Freiamt mit seinen sechs dazuge­höri­gen Kirchge­mein­den aufge­baut und ste­ht diesem nun als ver­ant­wortlich­er Pfar­rer vor.

Rück­blick­end sagt er: «Die Zusam­men­fü­gung der Pfar­reien wurde von Seit­en der Kirchenpfle­gen mit viel Prag­ma­tismus geführt. Die geo­graphis­che Klein­räu­migkeit und das ähn­liche kul­turelle Umfeld unser­er Gemein­den haben diese Zusam­men­fü­gung eben­falls erle­ichtert. Zudem hat­ten sich die Pfar­reien wegen des Priester­man­gels schon vor der Grün­dung des Pas­toral­raums arrang­iert und arbeit­eten zusam­men.»

Anspruchsvolle Verzahnung

Die Bedin­gun­gen für eine kon­flik­t­freie Zusam­me­nar­beit vor­mals eigen­ständi­ger Pfar­reien mit je eigen­em Priester zu einem Ver­bund mit einem ver­ant­wortlichen Priester für mehrere Pfar­reien mit je eigen­er Kirchenpflege, die wür­den immer kom­plex­er, sagt Pfar­rer Zim­mer­mann: «Diese pas­torale und staatskirchen­rechtliche Verzah­nung ist bere­its in Bezug auf eine Pfar­rei anspruchsvoll. Wie schnell kann es zu kli­ma­tis­chen Verän­derun­gen kom­men, wenn es in der Kirchenpflege oder im Pfar­re­it­eam Neube­set­zun­gen gibt. Wenn sich dieses Pfar­reige­bilde in einem Pas­toral­raum poten­ziert, dann ste­hen plöt­zlich mehrere Pfar­reien mit unter­schiedlichen Pfar­reigeschicht­en und ‑kul­turen und ihren Kirchenpfle­gen ein­er Pfar­reileitung gegenüber.»

Priester, nicht Manager

Prob­leme entstän­den dann, meint Zim­mer­mann, wenn auf der einen Seite des dualen Sys­tems das Ver­ständ­nis für die andere Seite fehle oder wenn Macht­spiele eine zielführende Diskus­sion ver­hin­derten. «Ich bin ein Fre­und von flachen Hier­ar­chien. Wir haben hier in all den Jahren eine Kul­tur des Ver­trauens geschaf­fen. Kon­sens ist ein wichtiges Wort.» Zum Pas­toral­team gehören
neb­st dem Pfar­rer ein Kaplan, eine pas­torale Mitar­bei­t­erin, eine Sekretärin, ein Sakris­tan, sieben Kat­e­chetinnen und ein Leit­er Admin­is­tra­tion und Organ­i­sa­tion.

Let­zter­er ist es, der den Pfar­rer von vie­len Man­age­men­tauf­gaben ent­lastet und ihn für seine Ker­nauf­gabe, die Seel­sorge, frei macht. Diese Ent­las­tung hat Zim­mer­mann dem Vor­stand des Zweck­ver­ban­des zu ver­danken, der einge­se­hen hat, dass ein Pfar­rer primär für die Men­schen, für Seel­sorge und Verkündi­gung zuständig ist und nicht für die Gewinnop­ti­mierung ein­er Fir­ma, der
zunehmend die Kun­den davon­laufen.

Kirchenferne Kirchenpfleger

Wenn es einen Punkt gibt, den Thomas Zim­mer­mann am dualen Sys­tem bean­standet, dann ist es der, dass zunehmend Mit­glieder von Kirchenpfle­gen im Grunde zu den soge­nan­nt Kirchen­fer­nen gehören. «Ich habe von Fällen gehört, wo Leute für die Kirchenpflege ange­fragt wur­den, obwohl sie erwäh­n­ten, dass sie nichts von der Kirche ver­stän­den und auch nie hingin­gen. Das ist dann schwierig für einen Priester, wenn er solchen Kirchenpflegern erst erk­lären muss, warum er dies oder jenes braucht, um seine Auf­gabe erfüllen zu kön­nen.»

Diesem und weit­eren Prob­lem­feldern des dualen Sys­tems wird Hor­i­zonte in den näch­sten Beiträ­gen zum sel­ben The­ma auf den Grund gehen. Dazu sollen noch ein Kirchenpflegemit­glied und je ein Repräsen­tant des Bis­tums und der Lan­deskirche zu Wort kom­men.


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Christian Breitschmid
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