
«Wir verkommen zu einer Empörungsgesellschaft»
- Im verÂganÂgenen KirchenÂjahr hat der BadenÂer CarÂtoonÂist und KünÂstler Roman Hofer die TitelÂseitÂen des PfarÂrblatts HorÂiÂzonte mit seinen ZeichÂnunÂgen zu den KirchenÂfesten gestalÂtet.
- Das WagÂnis, kirchÂliche Feste und deren Inhalte aus der Sicht eines SatirikÂers gezeÂichÂnet und beschrieben zu sehen, kam bei der LeserÂschaft nicht nur gut an.
- Im InterÂview zu seinen ErfahrunÂgen als HorÂiÂzonte-JahreskünÂstler spricht Roman Hofer über die HerÂausÂforderunÂgen und die ErkenÂntÂnisse, die er meisÂtern und gewinÂnen durfte.
Herr Hofer, der letÂzte CarÂtoon ist gemacht, der letÂzte Text dazu geschrieben. Wie beurteilen Sie rückÂblickÂend Ihre ErfahrunÂgen als HorÂiÂzonte-JahreskünÂstler?
Roman Hofer: Es war für mich eine spanÂnende Reise mit offenÂem AusÂgang. JetÂzt, am Ende dieses AbenÂteuers, kann ich sagen, dass ich auf diesem Weg viele wertvolle Momente der SelbÂsterkenÂntÂnis erleben durfte; angenehme wie auch befremÂdende. Es war interÂesÂsant für mich, zu erfahren, wie es sich anfühlt, exponiert und den Launen der Lesenden ausÂgeÂsetÂzt zu sein. Ich möchte diese ErlebÂnisse nicht misÂsen. Sie haben mir geholfen, mich zu entwickÂeln.
War diese AufÂgabe nun schwÂerÂer oder sogÂar leichter als vor einem Jahr erwartet?
Im eigentlichen Sinn hatÂte ich keine ErwartunÂgen. Im besten Fall die HoffÂnung, dass die MenÂschen meinen Humor verÂsteÂhen und darüber schmunÂzeln. Die AufÂgabe war anspruchsvoll, weil ich wusste, dass ReliÂgion und CarÂtoons eine exploÂsive MisÂchung sein kann. Vor diesem HinÂterÂgrund achtete ich stärkÂer darauf, ob meine UmsetÂzunÂgen die GläuÂbiÂgen in Rage verÂsetÂzen oder verÂletÂzen könÂnten. AnsonÂsten war es für mich nicht schwieriger oder leichter, eine Pointe zu kreieren als bei anderen TheÂmen.
[esf_wordpressimage id=34854 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Ihr CarÂtoon zu Ostern wurde vom HorÂiÂzonte-VorÂstand kurz vor DruckÂleÂgung zurückgenomÂmen. Was ging da in Ihnen vor?
Ich hab schon damit gerechÂnet, dass meine CarÂtoons nicht überÂall auf Wohlwollen stossen würÂden. Als es dann tatÂsächÂlich zur ZenÂsur eines Sujets kam, war ich aber doch einigerÂmassen erstaunt. Vor allem, weil ich keinen wirkÂlich angreifÂbaren Punkt im OsterÂcarÂtoon sehen konÂnte. Im GegenÂteil. Es war ja eine Eins-zu-eins-UmsetÂzung des bibÂlisÂchen Inhalts, dass Jesus den Tod überÂwunÂden hat. Mir ist auch aufgeÂfallÂen, dass mein jewÂeiliger BegleitÂtext zu den CarÂtoons wohl nicht wirkÂlich geleÂsen wurde. Denn in meinen Gedanken zu den christlichen Hochfesten habe ich, aus meinÂer Sicht, als KonÂtraÂpunkt viel Denkstoff mit TiefÂgang einÂfliessen lassen.
Einzelne HorÂiÂzonÂteÂleser bekunÂdeÂten Mühe damit, christliche Hochfeste im CarÂtoonÂstil interÂpretiert zu sehen. Sie warÂfen Ihnen und der RedakÂtion sogÂar BlasÂphemie und HäreÂsie vor. Was sagen Sie dazu?
Es dünkt mich, dass wir mehr und mehr zu einÂer EmpörungsÂgeÂsellschaft verkomÂmen. Egal, welche TheÂmatik, ob PoliÂtik, Wirtschaft, ReliÂgion… Die MenÂschen neigen aus meinÂer Sicht dazu, reflexarÂtig auf von ihren abweÂichende MeiÂnÂunÂgen zu reagieren und dann ihrer EntrüsÂtung Luft zu machen, oft unreÂflekÂtiert und ohne sich wirkÂlich vorgängig auf das TheÂma einÂgeÂlassen zu haben. Das hat ein gravierenÂdes AusÂmass angenomÂmen. Es ist eine TenÂdenz welche den ZusamÂmenÂhalt einÂer Gesellschaft gefährlich erodieren lässt. Ohne TolÂerÂanz, Respekt und Anstand kann eine GemeinÂschaft, egal welchÂer Art und ZusamÂmensetÂzung, nicht funkÂtionÂieren.
Viele, vor allem auch jünÂgere MenÂschen, haben gerÂade wegen Ihrer ZeichÂnunÂgen überÂhaupt einÂmal das PfarÂrblatt angeschaut. KönÂnen CarÂtoons also TüröffnÂer sein zu religiösen TheÂmen?
Ich hatÂte einige ReakÂtioÂnen von MenÂschen zwisÂchen 18 und 25, welche zum ersten Mal das HorÂiÂzonte in die Hand nahÂmen. Das hat mich gefreut. JünÂgere MenÂschen sollte man aus meinÂer Erfahrung schon zielÂgrupÂpenÂgerecht ansprechen. Da kann Humor ein EleÂment sein, welchÂes das InterÂesse für religiöse TheÂmen weckÂen kann.
Hat die HorÂiÂzonte-Erfahrung Ihren Umgang mit carÂtoonÂfähiÂgen TheÂmen irgendÂwie veränÂdert?
Nein. Ich war mir ja bereÂits im VorÂfeld bewusst, dass ReliÂgion ein senÂsiÂbles TheÂma ist. GenauÂso, wie zum Beispiel TheÂmen rund um SexÂuÂalÂität, BehinÂderung oder Armut. Das ist, je nachÂdem, wer die TheÂmen überzeÂichÂnet und zu PapiÂer bringt, sehr dünnes Eis. Es erfordert einiges an FinÂgerÂspitzengeÂfühl.
Wie carÂtoonÂfähig sind denn religiöse TheÂmen? Darf man christliche Hochfeste, die Dreifaltigkeit, Maria oder andere Heilige überÂhaupt karikieren?
Ich denke, ja. Da ich selÂber ein spirÂitueller MenÂsch bin und an unsere Anbindung an etwas Grösseres glaube, wäre ich ja dumm, wenn ich meinen eigeÂnen ÜberzeuÂgunÂgen in den RückÂen fallÂen und sie lächerÂlich machen würde. Aber die Leichtigkeit, welche im Humor steckt, hilÂft, aus meinÂer Erfahrung, die zeitweise Schwere des irdisÂchen Daseins aufzuÂlockÂern.
Was könÂnte die katholisÂche Kirche in ihrer VerkündiÂgung und in der öffentlichen Wahrnehmung von Ihnen, den CarÂtoonÂisÂten, lerÂnen?
VielleÂicht genau dies, dass nämÂlich die MenÂschen durÂchaus empfänglich sind für leichte Momente. Dass eine Prise Humor manchÂmal den Staub des AllÂtÂags wegÂblasen kann, ohne dass es dabei seicht werÂden muss. Das Leben der meisÂten MenÂschen ist zeitweise belasÂtend, und heitÂere AugenÂblicke könÂnen da manchÂmal wie das Salz in der Suppe sein.
[esf_wordpressimage id=34855 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Was haben Sie als CarÂtoonÂist und PriÂvatÂperÂson Roman Hofer von der ReliÂgion oder den ReliÂgioÂnen gelÂernt?
Sie hat mein BewusstÂsein geschärft, dass, obwohl wir nun im Jahr 2021 leben, sich gewisse Dinge nur sehr schlepÂpend, wenn überÂhaupt ändern. Wir wisÂsen ja, dass auch die katholisÂche GlaubensÂgeÂmeinÂschaft äusserst hetÂeroÂgen zusamÂmengeÂsetÂzt ist. Das ist keine EinÂheit. Die StröÂmungen gehen von sehr konÂserÂvÂaÂtiv bis proÂgresÂsiv. Darin eine EntwickÂlung voranzutreiben, ist eine HerkuleÂsaufÂgabe. Ich würde mir wünÂschen, dass es mehr KonÂsenswillen zwisÂchen den unterÂschiedlichen Kräften innerÂhalb der Kirche gibt. Was mir wieder verÂstärkt aufgeÂfallÂen ist: wie menÂschlich es doch auch in der Kirche zu und her geht. Und wie anspruchsvoll es ist, nicht zu vergessen, das Wort Gottes selÂber glaubÂwürdig vorzuleben. Wie heisst es doch so schön in der Bibel: «Liebe Deinen NächÂsten wie Dich selbÂst.»
Welchen CarÂtoon zu einem aktuellen TheÂma in der Kirche oder des WeltÂgeschehens würÂden Sie noch gerne zeichÂnen?
Hm, eine gute Frage. Mich beschäftigt das verÂstärkÂte AuseinanÂderÂfallÂen der Gesellschaft. Die CoroÂna-Geschichte zeigt, wie rasend schnell eine SpalÂtung der MenÂschen passieren kann. Das finde ich sehr beunÂruhiÂgend. GleÂichzeitÂig bietet sich genau hier die Möglichkeit für einen CarÂtoonÂisÂten, den FinÂger auf eine offene Wunde zu halÂten und sie zu theÂmaÂtisieren, ohne dabei zu moralÂisieren.