Die Büchse der Liebe
Die Geschichte handelt von Hans, dem eine kleine Blechdose auf dem Küchenregal seiner Frau keine Ruhe liess.
Sie wäre ihm vielleicht gar nicht aufgefallen, wenn seine Frau ihm nicht immer wieder eingeschärft hätte, dass er sie nicht aufmachen solle. Denn sie enthalte ein geheimes Kräutlein, das sie von ihrer Mutter geerbt habe. Da die kleine Blechdose unersetzlich sei, habe sie Angst, dass er sie aus Versehen fallen lassen und ihren kostbaren Inhalt verschütten könnte. Die Dose selbst war nichts Spezielles. Ihr ursprüngliches Muster war arg verblichen. Man konnte genau erkennen, wo der Deckel immer und immer wieder angefasst worden war. Hans wusste nur, dass Annas Mutter ihr diese Dose kurz nach ihrer Hochzeit übergeben hatte mit dem Satz: „Brauch ihren Inhalt genauso liebevoll, wie ich es getan habe.“ Und wirklich sah er seine Frau nie eine Mahlzeit kochen, ohne dass sie die Blechdose nahm und ein ganz klein wenig von dem geheimen Kräutlein darüber streute. Was immer in der Dose drin war, es funktionierte.
Denn Hans hatte das Gefühl, dass Anna die beste Köchin der Welt war. Doch er fragte sich immer und immer wieder, was das wohl für ein geheimes Kräutlein war. Als Anna einmal ins Spital musste und Hans allein zu Hause war, konnte er es nicht länger aushalten. Er ging in die Küche und nahm die Blechdose vom Regal. Als er sie in den Händen hielt, gingen ihm viele Fragen durch den Kopf: Wie sah dieses geheime Kräutlein aus? Wie viel war noch davon übrig? Warum machte seine Frau so ein Geheimnis darum? Mit zittrigen Händen, öffnete er den Deckel und riskierte einen Blick hinein. Und zu seiner Überraschung war die Blechdose leer. Bis auf einen gefalteten Zettel, der in der Dose lag. Hans fischte den Zettel vorsichtig heraus, entfaltete ihn und erkannte sofort die Handschrift von Annas Mutter. Laut las er den kurzen Satz vor, der darauf stand: „Anna – führ allem, was du machst eine Prise Liebe hinzu!“ Hans schluckte, legte den Zettel zurück in die Dose und verstand endlich, warum das Essen seiner Frau so gut schmeckte. Dot Abraham

