Ein klarer Kontrast

Kurz nach Ostern macht sich der Sakris­tan die Fin­ger schmutzig. Mit bei­den Hän­den wis­cht er die Über­reste eines Feuers zusam­men und lässt die Asche in einen Topf rieseln. Dann trägt er das Gefäss in die Sakris­tei und schliesst es sorgfältig ein — 325 Tage lang. Erst am Ascher­mittwoch holen Pfar­rer und Gemein­delei­t­erin­nen die auf­be­wahrte Asche her­vor. Im Gottes­di­enst an Ascher­mittwoch streuen sie den Gläu­bi­gen als Sym­bol der Busse und Reini­gung ein Aschenkreuz auf den Kopf, begleit­et von einem der fol­gen­den Worte: 
Bekehrt euch und glaubt an das Evan­geli­um. (Mk 1,15)
 Bedenke, Men­sch, dass du Staub bist 
und wieder zum Staub zurück­kehren wirst. (Gen 3,19)Kon­traster­fahrung Der Ascher­mittwoch wird von vie­len Fas­nächtlern als Spielverder­ber erfahren, oder gle­ich ganz überse­hen. Die Fas­nacht hat sich verselb­ständigt – und ver­liert dabei wohl ihren gen­uinen Reiz: den span­nen­den Kon­trast zu etwas anderem. Dabei wären Kon­traster­fahrun­gen eigentlich wieder hip. Scharfe Übergänge wer­den uns allen­thal­ben zuge­mutet: der ras­ante Cut in der zeit­genös­sis­chen Kino- und Fernsehregie, die kalte Dusche auf die heisse Sauna oder der Wei­h­nacht­strip auf die tro­pis­che Ferienin­sel. Sich­er ist: der Men­sch braucht Abwech­slung und vor allem Zeit­en und Orte, die dem Alltäglichen enthoben sind. Er braucht die Span­nung zwis­chen Hochzeit­en des Lebens und dem Gewöhn­lichen. Er braucht aber auch die Zeit und den Ort des Rück­zugs vor der ständi­gen Aktiv­ität, Zeit und Ort der Vor­bere­itung auf beson­ders her­aus­ra­gende Ereignisse. Der Ascher­mittwoch als Beginn der öster­lichen Busszeit bildet einen solchen schar­fen Schnitt, der plöt­zlich vom leicht­en licht­en Leben tren­nt.Wenn Reb­huhn, dann Reb­huhn Nichts hat somit ver­standen, wer am Ascher­mittwoch predigt oder in sich hinein­schmollt: «Irgend­wann ist Schluss mit lustig.» Darum geht es nicht. Ein dif­feren­ziert­eres Ver­ständ­nis kommt uns im berühmten Ausspruch der grossen There­sia von Avi­la ent­ge­gen, die sich­er Kohelet im Kopf hat, wenn sie sagt: «Wenn Reb­huhn, dann Reb­huhn, wenn Fas­ten, dann Fas­ten.» Denn sie ver­stand das Gepräge der Zeit­en von ihrem Zielpunkt her richtig.Aschekreuz als Hil­fe Der Ascher­mittwoch macht durch einen schar­fen Schnitt auf zwei aufeinan­der fol­gende Zeit­en im Kirchen­jahr aufmerk­sam. Er set­zt mit dem archais­chen Aschen­ri­tus einen klaren Kon­trast zur bish­eri­gen Zeit im Jahreskreis – vielerorts eben durch die Fas­nacht geprägt – und eröffnet die 40-tägige öster­liche Busszeit: Zeit der Umkehr und Einkehr, der Reue und Busse. Sie soll uns auf das grösste Fest des Jahreskreis­es vor­bere­it­en: Ostern. Der Rit­us des Aschenkreuzes ist Hil­fe, diesen Wech­sel zu vol­lziehen.Erneuerungskraft des Feuers In vie­len Aar­gauer Pfar­reien find­en am Abend des Ascher­mittwochs Gottes­di­en­ste statt, in denen die geseg­nete Asche aus­geteilt wird. Wie ursprünglich vorge­se­hen, hält sich manche Pfar­rei an den Brauch, zur Her­stel­lung der Asche die Palmzweige im Oster­feuer zu ver­bren­nen. Das bedeu­tend­ste Feuer des Kirchen­jahres ver­nichtet zwar die Palmzweige, ver­wan­delt sie aber auch in etwas Neues. In der Pfar­rei St. Ver­e­na in Bad Zurzach wird zusam­men mit den Palmzweigen auch die ölgetränk­te Wat­te, die nach der Sal­bung eines Täu­flings übrig bleibt, ins Oster­feuer gelegt. Im sorgsamen und bewussten Umgang mit den gewei­ht­en Zweigen und dem geseg­netem Öl kommt der innere Zusam­men­hang zwis­chen der christlichen Deu­tung von Tod und Leben sym­bol­haft zum Aus­druck.In Sack und Asche gehen Chris­ten, welche Kap­i­tal­sün­den zu büssen hat­ten, mussten dies in der frühen Kirche öffentlich tun. Zu Beginn der Fas­ten­zeit legten sie ein Buss­ge­wand an, beka­men Asche aufs Haupt gestreut und tat­en Busse bis zur Oster­nacht, in der sie wieder in die sakra­men­tale Gemein­schaft der Kirche eingegliedert wur­den. Die Sym­bo­l­ik der Asche als Bild der Vergänglichkeit und Zeichen der Trauer und der Busse ist seit alttes­ta­mentlich­er Zeit belegt (2 Sam 13,19; Ps 102,10; Jes 58,5; u.a.) und war auch ausser­halb Israels Brauch (Ägypter, Araber, Griechen). Die junge Kirche kan­nte also das Bild (Mt 11,21; Lk 10,13) und über­nahm diese aus­drucksvolle Gebärde selb­stver­ständlich. Als die öffentliche Busse im 10. Jahrhun­dert auss­er Gebrauch kam, übertrug sich die Asche-Sym­bo­l­ik auf alle Gläu­bi­gen, die den Rit­us teil­weise schon früher aus Sol­i­dar­ität mit den Büssern an sich vol­lziehen liessen. Dieser Brauch wurde bei der litur­gis­chen Neuord­nung behal­ten.Zeichen der Zeit und der Umkehr Der schlichte Rit­us des Aschestreuens drückt zeichen­haft aus, was die Texte der Liturgie dieses Tages in Erin­nerung rufen und was die Grund­hal­tung der ganzen öster­lichen Busszeit sein soll:
«Lasst euch mit Gott ver­söh­nen.» (2 Kor 5,20)
«Kehrt um zum Her­rn, eurem Gott!
Denn er ist gnädig und barmherzig,
lang­mütig und reich an Güte.» (Joël 2,13)
Ja, «mach mich wieder froh mit deinem Heil… Herr,
öffne meine Lip­pen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkün­den.» (Ps 51,14.17)Zwei Fast- und Absti­nen­z­tage im Jahr Heute ken­nt die kirch­liche Ord­nung im Gegen­satz zu früheren Jahrhun­derten nur noch zwei gebotene Fast- und Absti­nen­z­tage im Jahr. Neben dem Kar­fre­itag, dem Gedächt­nistag des Lei­dens und Ster­bens unseres Her­rn, sind die Chris­ten am Ascher­mittwoch gehal­ten, Askese zu üben: der Ein­tritt in die öster­liche Busszeit soll sich ins Bewusst­sein ein­schreiben, soll sich «inkarnieren». Der Kon­trast zwis­chen fröh­lich­er Aus­ge­lassen­heit der Fas­nacht und der nun fol­gen­den Fas­ten­zeit tut gut und hil­ft uns, bei­de Aspek­te als sich ergänzende Facetten des Men­sch­seins zu inte­gri­eren, das von Ostern her seine wahre Bes­tim­mung erfährt.Der öster­liche Men­sch Es zeigt sich also auch hier: Das Pascha-Mys­teri­um wirft Licht auf das, was Chris­ten glauben, tun und lassen. Erst von Ostern her wird die Vor­bere­itungszeit und damit let­ztlich auch die Zeit der fröh­lichen Aus­ge­lassen­heit davor richtig ver­standen: Das Fest der Aufer­ste­hung unseres Her­rn, der Lei­den und Tod über­wun­den hat, gibt der Fas­ten­zeit ihren Sinn und ruft uns die Hin­fäl­ligkeit des irdis­chen Lebens in Erin­nerung. Die Erken­nt­nis des Gerettet­seins unseres vergänglichen irdis­chen Lebens ist es aber auch, die uns in fro­her Gelassen­heit Feste feiern lässt.    Litur­gis­ches Insti­tut / mca   
Marie-Christine Andres Schürch
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