Samichlaus: Für Frauen endet’s beim Schmutzli
- Das Samichlausbrauchtum ist eine Männerdomäne. In Wohlen begleiten dieses Jahr erstmals weibliche Schmutzlis den Samichlaus. Im Zurzibiet ist das noch kein Thema.
- Während Frauen als Schmutzlis langsam salonfähig werden, wird es weibliche Nikoläuse wohl auch auf lange Sicht nicht geben. Die Feministin Moni Egger regt an, dass Frauen nach passenden Parallelrollen suchen sollten, anstatt Männerrollen zu kopieren.
- Horizonte hat die Termine zu den Chlausein‑, beziehungsweise Auszügen im Überblick
Diesen Freitag und Samstag werden die ersten Chlausauszüge gefeiert, unter anderem in Zofingen und Wettingen (siehe auch unten). Erneut fiebern wieder tausende Kinder im Aargau dem Besuch des Nikolaus entgegen. Standpauken, Rutenbündel und der «Chindlifresser» sind schon lange passé, der Samichlaus hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zum Massage-Brauchtum entwickelt.
Wohlen: Qualitätslabel von Schweiz Tourismus
In den Aargauer Gemeinden organisieren Jahr für Jahr Hunderte Freiwillige den Nikolausbesuch bei den Familien. In Wohlen, wo 2011 das St. Nikolaus-Brauchtum gar von Schweiz Tourismus mit einem Qualitätslabel zertifiziert wurde, schauen die Oberschmutzlis in Zivil bei jeder Familie persönlich vorbei, um den kommenden Nikolausbesuch vorzubereiten. Insgesamt 120 Freiwillige stehen laut Brauchtumsleiter Röfe Wüst hinter «der grössten Aargauer Chlausorganisation». Der feierliche Auszug der zehn Chlausgruppen am Sonntag, den 10. Dezember, dürfte wieder gegen 3 000 Menschen anlocken.Damit alles gelingt, haben alle klar umrissene Aufgaben: Die Schmutzlis und Diener, welche den St. Nikolaus auf seiner Tour begleiten, die Oberschmutzlis, welche die Route planen und natürlich der St. Nikolaus selbst. Wer in Wohlen ein paar Jahre als Schmutzli gedient hat, kann Oberschmutzli werden. Und aus dem Kreis der Oberschmutzlis werden die Nikoläuse gewählt.
Dank Nachwuchsmangel bekommen Frauen eine Chance
Bis anhin waren alle diese Ämter ausschliesslich Knaben, Jungwachtleitern und Ehemaligen aus dieser Organisation vorbehalten. Doch wie alle Freiwilligenorganisationen hat auch der Samichlaus zunehmend Mühe, Nachwuchs zu rekrutieren. Besonders, wenn man wie in Wohlen hohe Ansprüche hat. «Wir nehmen nicht jeden», erklärt Röfe Wüst. «Die Einstellung für diese verantwortungsvollen Ämter muss stimmen und man muss bereit sein, wertvolle Zeit und Herzblut zu investieren.»Lange Zeit stellte die Jungwacht genügend Personal für die Chlausaktion in Wohlen. Später rekrutierte man Firmlinge und Sechstklässler aus dem Religionsunterricht. Doch der zunehmende Bedeutungsverlust der Kirche führte zu weiteren Engpässen. «Schon vor etwa vier Jahren habe ich auf das Problem aufmerksam gemacht und angeregt, dass man die Blauringmädchen fragen soll, ob sie als Schmutzli mitmachen wollen», erinnert sich Röfe Wüst. Da habe es noch geheissen: «Das kannst du nicht machen.»Mittlerweile hätten sich die meisten mit dieser Idee angefreundet. Und nach der Überführung des Wohler St. Nikolaus-Brauchtums im vergangenen Juni in einen Verein sei die personelle Erweiterung auch in den Statuten erwähnt, erklärt Röfe Wüst. «Nun dürfen auch Mädchen mitmachen», so der Brauchtumsleiter. «Aber sie haben die gleichen Pflichten und Aufgaben wie die Knaben», betont er. Erstmals werden dieses Jahr mit Olivia Salzmann und Samira Strasser zwei 18-jährige Blauringleiterinnen in Wohlen als Schmutzlis im Einsatz stehen.
Keine Chance für den Frauenchlaus
Was in Wohlen dieses Jahr Premiere hat, ist in Rohrdorf und Wettingen schon lange selbstverständlich. 80 Freiwillige stellen in Rohrdorf Jahr für Jahr Chläuse, Schmutzlis sowie Helferinnen und Helfer. «Am 6. Dezember starten wir mit dem feierlichen Auszug bei der Kirche und besuchen danach 500 Kinder in Familien sowie an Schulen und Tagesstätten», erklärt Res Fankhauser. Mädchen als Schmutzli? «Das ist bei uns schon seit Jahren eine Selbstverständlichkeit». Unter den Schmutzlis seien mittlerweile genauso viele Mädchen und Frauen wie Männer und Knaben.Auch in Wettingen ist der Schmutzli längst keine Männerdomäne mehr. «Wie überall in der Kirche würde ohne die Frauen doch nichts mehr funktionieren», scherzt Thomas Meier, zuständig für die Kommunikation beim Wettinger Samichlaus. Seit er dabei sei, also sicher seit über 20 Jahren, seien Mädchen und Frauen als Schmutzli eine Selbstverständlichkeit.
«Die Kinder erwarten einen Mann»
Und der Samichlaus? Auch bei Samichlausvereinen wie in Wettingen oder Rohrdorf bleibt diese Rolle den Männern vorbehalten. Was nicht heisst, dass diese Frage nicht schon diskutiert wird. «Wir hatten letzthin zwei 14-jährige Mädchen, die gefragt haben, ob sie denn auch mal Samichlaus sein dürften», erinnert sich Res Fankhauser. «Ich habe dann zurückgefragt, was sie denn gedacht hätten, wenn zu ihnen als Kind der Samichlaus als Frau mit Bart gekommen wäre», berichtet der Rohrdorfer Oberchlaus. «Das hat die beiden zum Nachdenken gebracht», berichtet Res Fankhauser weiter und ergänzt: «Ich würde mich als emanzipierten Mann bezeichnen, aber mit Blick auf das Erlebnis für die Kinder kann ich mir eine Frau als Claus schlicht nicht vorstellen. Und ich bin überzeugt, dass auch die Kinder einen Mann erwarten.»Auch Brauchtumsexperte Hans-Peter Rust, der 30 Jahre als Samichlaus unterwegs war und seit ein paar Jahren in der Propstei Wislikofen Chlausenseminare leitet, gibt einem Frauenchlaus keine Chance. «Ich glaube nicht, dass es je soweit kommen wird». Im Übrigen habe man über diese Frage auch schon im Samichlausseminar diskutiert. «Es resultierte der Konsens, dass man sich als Chlaus auf die Geschichte des Heiligen Nikolaus abstütze und sein Stellvertreter sei», erklärt der Samichlausexperte. «Bei einer Frau als Samichlaus ist die Identifikation mir der Ursprungspersönlichkeit nicht mehr gegeben.»
Im Zurzibiet bleibt der Schmutzli vorerst eine Männerrolle
Im Übrigen seien auch schon weibliche Schmutzlis keine Selbstverständlichkeit, betont Hans-Peter Rust. Der Aargau sei dahingehend schon weiter. Auch im Seetal dürften Mädchen bereits als Schmutzli den Samichlaus begleiten. «In der Innerschweiz geht’s noch ein paar Jahre, da ist der Chlausenbrauch noch eine richtige Männerbastion. Und man hat dort auch noch keinen Mangel an Burschen», weiss der 67-Jährige. Es sei jedoch zu einfach, die Öffnung des Brauchtums gegenüber Frauen einzig auf Nachwuchsmangel zurückzuführen. «Teils ist das eine ganz bewusste Öffnung.»Im Zurzibiet ist der Chlausenbrauch nach wie vor fest in Männerhand. Es habe bereits lange Diskussionen gegeben, räumt Bruno Neff, Präsident des Samichlausvereins Zurzach ein. «Bis jetzt konnte sich der Verein noch nicht dazu durchringen, auch Mädchen und Frauen als Schmutzli zuzulassen.»
Als Not am Mann war, durfte eine Frau ran
Man habe vor zwei oder drei Jahren sogar über diese Frage abgestimmt, erklärt Bruno Neff. Das Argument, es handle sich beim Schmutzli und beim Samichlaus um eine männliche Rolle, obsiegte. «Momentan ist es so, aber das kann sich durchaus ändern», orakelt Bruno Neff. Immerhin habe man im vergangenen Jahr bereits eine Frau als Schmutzli mitgeschickt, weil auf die Schnelle beim Ersatz Not am Mann war.Moni Egger, promovierte Theologin und Redaktorin der feministisch-theologischen Zeitschrift «fama», teilt die Skepsis der Chlausenvereine gegenüber weiblichen Samichläusen – allerdings aus anderen Gründen. Die Argumentation unter Berufung auf die historisch verbürgte Legendenfigur hinke, erklärt sie: «Beim Sternsingen übernehmen ja auch Mädchen die Rollen der heiligen drei Könige». Das zeige: «Relevant ist die Symbolik der Offenbarung Gottes. Im Falle von Nikolaus die Hinwendung gegenüber den Armen.»
Auch Feministinnen sind gegen Frauenchläuse
Zu weiblichen Samichläusen und Schmutzlis meint Moni Egger: «In der heutigen Zeit wirken Frauen, die sich als Männer ausgeben, und Männer die sich als Frauen ausgeben, wenig überzeugend. Es sei denn, es handelt sich um eine Parodie.» Überdies erachtet es die Dozentin an der Universität Luzern als fragwürdig, wenn Frauen – wie beim Samichlausbrauchtum — Männerrollen kopieren. «Vielmehr gilt es, eigene Formen und Ausdrucksweisen zu finden.»Moni Egger regt an, dass man nach passenden Parallelrollen suchen soll, die Frauen im Rahmen des Brauchtums übernehmen könnten. «Warum konzentriert sich bei uns die Faszination eigentlich so auf die Männerfiguren Nikolaus und Ruprecht?», fragt die Theologin und verweist auf Nordeuropa, wo um den 13. Dezember das Luciafest gefeiert wird. Analog zu den Sternenknaben, Pfefferkuchenmännchen und Wichten existiere bestimmt auch beim Samichlausbrauchtum Potenzial für eigenständige Frauenfiguren, ist Moni Egger überzeugt.
Übersicht: Chlausein‑, bzw. Auszüge im Aargau
Freitag, 1. Dezember:
Zofingen, Vordere Hauptgasse, ca. 19 Uhr
Samstag, 2. Dezember:
Aarburg, Aarequai, ca. 18 Uhr
Baden, Theaterplatz, ca. 16 Uhr
Bremgarten, Kath. Kirche, ca. 17.15 Uhr
Wettingen, Zentrumsplatz, ca. 12 Uhr
Sonntag, 3. Dezember:
Hirschthal, Waldausgang Buechlisberg, ca. 14.30 Uhr
Klingnau, Stadtkirche, ca. 17.30 Uhr
Muri, Pfarrkirche, ca. 17 Uhr
Zufikon, bei der Kirche, ca. 17 Uhr
Mittwoch, 6. Dezember:
Bad Zurzach, Verenamünster, ca. 17 Uhr
Niederrohrdorf, Kirche Gut Hirt, ca. 17.30 Uhr
Tägerig, Kirche, ca. 18 Uhr
Sonntag, 10. Dezember:
Wohlen, katholische Kirche, ca. 16.45 Uhr