Co-Piloten flogen nach Zofingen

Co-Piloten flogen nach Zofingen

  • Am Mon­tag wurde in Zofin­gen das Pro­jekt Co-Pilot der Car­i­tas Aar­gau vorgestellt. Damit wird Zofin­gen auch gle­ich als neuer Pro­jek­t­stan­dort eröffnet.
  • Seit dem Start dieses Men­tor­ing­pro­jek­tes vor zwei Jahren in Aarau und Baden hat sich diese Art der frei­willi­gen Inte­gra­tionshil­fe für Flüchtlinge erfol­gre­ich im Kan­ton etabliert.
  • Ein Co-Pilot und eine Pilotin haben Hor­i­zonte einen Blick in ihr Cock­pit ermöglicht und dadurch das Ziel bestätigt, das die Erfind­er des Pro­jek­tes ans­teuern: eine gelin­gende Inte­gra­tion.
  Ulrich Schütz hat einen beein­druck­enden beru­flichen Werde­gang vorzuweisen. Nach der kaufmän­nis­chen Lehre hat er sich über den Verkauf in die Welt der Wer­bung und Pub­lic Rela­tions begeben, wo er unter anderem als Mar­ket­ing- und Wer­be­fach­mann für die Crédit Suisse gear­beit­et hat. Er hat seine eigene Kom­mu­nika­tions­fir­ma gegrün­det und sich als Ver­wal­tungsrat und Spezial­ist für Mar­ket­ing und Kom­mu­nika­tion für diverse Raif­feisen­nieder­las­sun­gen einge­set­zt.Heute geniesst der 69-Jährige zusam­men mit sein­er Frau den Ruh­e­s­tand. Allerd­ings nicht, ohne etwas von dem weit­erzugeben, was er in seinem aktiv­en und erfol­gre­ichen Leben gel­ernt und gewon­nen hat. «Ich will mein Wis­sen und mein Know-how weit­ergeben», sagt Ulrich Schütz, «denn ich muss jet­zt ja nicht mehr für mich schauen, son­dern kann mehr für andere da sein.»

«Ich bin als Co-Pilot noch ein Greenhorn»

Er sei in armen Ver­hält­nis­sen aufgewach­sen, erzählt Ulrich Schütz beim Tre­f­fen mit Hor­i­zonte im Bahn­hof­buf­fet Olten. «Ich habe gel­ernt, zu kämpfen. Obwohl ich in eine gute Zeit reinkam und sehr gute Jahre hat­te, musste ich mich immer ran­hal­ten. Ich glaube, es geht um den Willen. Man muss den Willen haben, etwas zu tun, dann erre­icht man auch etwas.»Als er vor ein paar Wochen in der Region­alzeitung einen Beitrag über Isabelle Oder­matt und ihr Pro­jekt Co-Pilot bei der Car­i­tas Aar­gau gele­sen hat­te, rief er sofort da an und hat sich als Co-Pilot gemeldet. «Nach mein­er Pen­sion­ierung wollte ich nicht mehr auf meinem Beruf arbeit­en, son­dern etwas für andere Men­schen tun. Die Idee, Flüchtlinge zu begleit­en, die sich in unserem Land inte­gri­eren wollen, hat mich begeis­tert. Mein Pilot ist ein junger Mann aus Libyen, der seit neun Jahren in der Schweiz ist, aber seinen Weg noch nicht recht gefun­den hat. Wir haben uns erst dreimal getrof­fen. Für mich geht es zuerst ein­mal darum, her­auszufind­en, wo seine Stärken und Schwächen sind. So kann er erken­nen, was real­is­tis­che Ziele für ihn sind. Es wird auch für mich ein span­nen­der Weg, denn ich bin als Co-Pilot ja noch ein Green­horn.»

Co-Piloten machen keine Blindflüge

Isabelle Oder­matt, die Co-Pilot-Pro­jek­tlei­t­erin, hat in den ver­gan­genen zwei Jahren viele gute Erfahrun­gen gesam­melt mit ihrem Men­toringange­bot. Nach je vier Pro­jek­t­starts in Aarau und Baden, geht es heute Abend in Zofin­gen los und bald auch in Wohlen. Schon mehr als 80 Tandems hat das Pro­jekt auf die gemein­same Inte­gra­tionsreise geschickt. Dabei wer­den Piloten und Co-Piloten, also Flüchtlinge und deren Begleit­er, aber nicht auf einen Blind­flug geschickt, son­dern mit Bedacht zusam­menge­bracht und betreut.Das Aus­bil­dung­spro­gramm für die Co-Piloten ist stan­dar­d­isiert. Nach dem Infoabend, so wie heute in Zofin­gen, fol­gen zwei Ein­führungsabende, wo es zuerst um Kom­mu­nika­tion und rechtliche Grund­la­gen, dann um prak­tis­che Fall­beispiele geht, die in Kle­in­grup­pen besprochen wer­den. Erst nach diesem Abend entschei­den sich die Co-Piloten defin­i­tiv, ob sie weit­er­ma­chen wollen oder nicht. Der näch­ste Anlass ist dann der soge­nan­nte Match­ing Day, wo sich Piloten und zugewiesene Co-Piloten erst­mals tre­f­fen. Ab dann tre­f­fen sich diese Tandems in eigen­er Pla­nung zwei- bis vier­mal pro Monat. Nach rund zwei Monat­en gibt es einen drit­ten Weit­er­bil­dungsabend für die Co-Piloten, der vor allem dem Erfahrungsaus­tausch dient. Das Pro­jekt endet offiziell nach einem Jahr und wird mit einem Schlussfest gefeiert. Wenn Pilot und Co-Pilot es wün­schen, kann die Zusam­me­nar­beit um ein weit­eres Jahr ver­längert wer­den.

«Wir sind Freunde geworden»

Hiry­ti Meko­nen strahlt übers ganze Gesicht, als sie von Hor­i­zonte zu ihren Erfahrun­gen als Pilotin im Car­i­tas-Pro­jekt befragt wird: «Ich wollte unbe­d­ingt gut Deutsch ler­nen und Kon­tak­te knüpfen hier in der Schweiz», sagt die junge Frau, die vor zwölf Jahren aus Eritrea geflüchtet ist und nun alles daranset­zt, als allein­erziehende Mut­ter sich und ihre bei­den Kinder aus eigen­er Kraft ernähren zu kön­nen. Als sie 2018 vom Pro­jekt Co-Pilot erfuhr, hat sie sich gle­ich angemeldet und fand in ihrer Co-Pilotin und deren Mann nicht nur engagierte Men­toren, son­dern echte Fre­unde.Maria und René Hasler began­nen damit, Hiry­ti Meko­nen und ihren Kindern den Aar­gau zu zeigen und sie mit Schweiz­er Gebräuchen und Tra­di­tio­nen bekan­nt zu machen. «Wir haben viele Aus­flüge zusam­men gemacht», erzählt die stolze Mut­ter. «Wir haben drei Schlöss­er im Aar­gau besucht, wir waren am Hall­wilersee und vor kurzem auch im Riesen­wald in Elm. Das war so schön, und meine Kinder waren glück­lich.» Auch wenn es darum geht, Behör­dengänge zu absolvieren, offizielle Schreiben zu erk­lären oder Bewer­bun­gen zu ver­fassen, ste­hen Haslers Hiry­ti Meko­nen mit Rat und Tat zur Seite. «Wir haben das Pro­jekt noch um ein Jahr ver­längert. Nun ist es offiziell zwar zu Ende, aber wir tre­f­fen uns weit­er­hin regelmäs­sig», berichtet Hiry­ti Meko­nen in gutem Deutsch. «Ich kann Maria und René nicht genug danken für alles, was sie für mich und meine Kinder getan haben.»

Ziel des Projekts: Beziehungen aufbauen

Was Hiry­ti Meko­nen mit Fam­i­lie Hasler erlebt hat, und was Ulrich Schütz mit seinem Piloten zu erre­ichen ver­sucht, ist genau das, was Isabelle Oder­matt als Ziel des Pro­jek­ts Co-Pilot anstrebt: den Auf­bau ein­er Beziehung. «Es geht nicht darum, in diesem einen Jahr genau dieses oder jenes zu erre­ichen», erk­lärt die Pro­jek­tlei­t­erin, «son­dern es geht darum, Zeit zu schenken und eine Beziehung aufzubauen. Unser Pro­jekt ist in diesem Sinne sehr nach­haltig, denn es entste­hen dabei immer wieder Fre­und­schaften. Es ist wichtig, dass ein Flüchtling sagen kann: ‹Ich kenne jeman­den…› Das ist nicht etwas, das ein­fach so schnell-schnell passiert. Es braucht Zeit. Das ist auch eine gute Erfahrung für die Co-Piloten.»Wer sich für einen Ein­satz als Co-Pilot inter­essiert, find­et hier weit­ere Auskün­fte. Man kann sich auch jed­erzeit ausser­halb eines laufend­en Pro­jek­ts direkt bei Isabelle Oder­matt melden, unter der Tele­phon­num­mer 062 837 06 10 oder der E‑Mail .
Christian Breitschmid
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