Dargebotene Hand: Mehrarbeit zum Jubiläum

Dargebotene Hand: Mehrarbeit zum Jubiläum

  • Das Coro­na-Virus verun­sichert die Men­schen. Die Anfra­gen bei Tele­fon- und Inter­net-Seel­sorgestellen steigen. So auch bei «Tel 143 – Die Darge­botene Hand»
  • Christi­na Hegi leit­et die Region­al­stelle Aar­gau-Solothurn von «Telefon143». Gegenüber Hor­i­zonte erk­lärt sie: «Es gibt kaum ein Tele­fonat, in dem es aktuell nicht um das Coro­na-Virus und seine Fol­gen geht».
 Welche Auswirkun­gen hat die Coro­na-Krise für die «Darge­botene Hand«? Christi­na Hegi: Wir verze­ich­nen deut­lich mehr Anrufe. Im Ver­gle­ich zum Vor­jahr sind es allein für die Region Aar­gau-Solothurn 100 Anrufe mehr auf zwei Wochen. Aktuell klin­gelt das Tele­fon non­stop. Und das heisst etwas für uns als kleinere der ins­ge­samt 12 Region­al­stellen. Bei uns ist zudem jew­eils nur eine Per­son pro Schicht im Ein­satz. Gesamtschweiz­erisch sind es gegen 2’000 Anrufe mehr auf diesen Zeitraum.Wie lange dauert ein Anruf? Das kommt darauf an: Von fünf bis fün­fzig Minuten – je nach Anliegen. Unsere Mitar­bei­t­en­den sind allerd­ings ange­hal­ten, die Gespräche nicht zu lange wer­den zu lassen– ein­fach auch, um die Leitung frei zu behal­ten.Und was beschäftigt die Leute? Es gibt kaum ein Tele­fonat, in dem es nicht um das Coro­na-Virus und seine Fol­gen für uns geht. Diese Pan­demie verun­sichert zutief­st. Dabei geht es weniger um medi­zinis­che Fra­gen und die kör­per­liche Gesund­heit. Seit Aus­bruch der Krise bekommt die Darge­botene Hand in Hun­derten von Gesprächen mit, wie stark das Virus und die damit ver­bun­de­nen Mass­nah­men in der Bevölkerung Sor­gen und Äng­ste aus­lösen. Viele lei­den unter der Iso­la­tion und Ein­samkeit — vor allem diejeni­gen, deren struk­turi­ert­er All­t­ag wegfällt.Wen bet­rifft das beson­ders? Alle­in­ste­hende, ältere Men­schen und Behin­derte, die nicht ver­ste­hen, was jet­zt los ist. Auch Beziehungs­the­men ste­hen Vorder­grund. Man ist ja mehr zusam­men, vielle­icht sog­ar auf wenig Raum. Und auch Exis­ten­zäng­ste wer­den immer wieder ange­sprochen.Was heisst das konkret? Ein Kell­ner ist völ­lig verzweifelt, weil ihm durch die Schlies­sung des Restau­rants von heute auf mor­gen nicht nur das Einkom­men, son­dern auch die Tagesstruk­tur wegge­brochen ist. Eine Pflege­fach­frau ist auss­er sich, weil sich die Bevölkerung nicht an die verord­neten Mass­nah­men hält und sie den zusät­zlichen Druck im Gesund­heitssys­tem haut­nah mit­bekommt. Da ist aber auch der Hochbe­tagte, dessen täglich­er Besuch ein­er 83-Jähri­gen im Alter­sheim nun nicht mehr möglich ist — sein regelmäs­siger Sozialkon­takt ist damit ver­loren gegan­gen.Und wom­it wer­den Ihre Leute gewöhn­lich kon­fron­tiert? Häu­fig sind es Gespräche rund um psy­chis­che Gesund­heit, Prob­leme bei der All­t­ags­be­wäl­ti­gung und psy­chis­che Nöte bis hin zu Suizidgedanken. Dann sehr häu­fig auch Beziehung­sprob­leme.Die Mitar­bei­t­en­den sind Frei­willige, richtig? Ja, Ehre­namtliche, die einen neun­monati­gen Aus­bil­dungskurs besuchen und her­nach vier Schicht­en pro Monat im Ein­satz sind.Gibt es Unter­stützung in Anbe­tra­cht der sicher­lich doch oft­mals belas­ten­den The­men? Abso­lut! Alle Weit­er­bil­dun­gen sind oblig­a­torisch, zudem wer­den unsere Mitar­bei­t­en­den mit­tels Super­vi­sion und auch per­sön­lich durch unsere Psy­cholo­gin begleit­et.Die Darge­botene Hand ist ja ursprünglich von den Kirchen ins Leben gerufen. Wie kam es dazu? Nicht von den Kirchen als Insti­tu­tio­nen – die haben zunächst sog­ar finanzielle Unter­stützung abgelehnt. Es waren einzelne Seel­sor­gende, die das Ange­bot region­al aufge­baut haben.Aber mit­tler­weile kön­nen Sie auf die finanzielle Unter­stützung der Kirchen zählen… Ja. Im Aar­gau wer­den wir von bei­den Lan­deskirchen mit jährlichen Beiträ­gen unter­stützt. Hinzu kom­men Gottes­di­en­stkollek­ten aus den Kirchge­mein­den. Wenn jet­zt aber die Gottes­di­en­ste über eine län­gere Zeit aus­fall­en, wer­den wir bes­timmt Ein­bussen zu verze­ich­nen haben.Die Geschäftsstelle Aar­gau-Solothurn von «Telefon143» feiert dieses Jahr sein 60-jahr-Jubiläum. Was ist geplant? Wir wollen ins­beson­dere unseren Frei­willi­gen ein gross­es Dankeschön aussprechen. Geplant ist zum Beispiel eine grosszügige Jahresweit­er­bil­dung und ein gross­es Fest im Juni. Ob die Anlässe nun aber stat­tfind­en kön­nen, ist lei­der unsich­er. Das hängt davon ab, wie wir die Coro­na-Krise in Griff bekom­men.
Andreas C. Müller
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