Schon so lange
Jacqueline Keune ist Theologin und Autorin
Bild: © zVg

Schon so lange

Wie kann ich, die täglichen Bilder aus der Zeitung vor Augen, die Oster­freude predi­gen, ohne zu stot­tern? Wie, die täglichen Nachricht­en aus dem Radio im Ohr, das Allelu­ja mitsin­gen, ohne zu stam­meln? Vielle­icht indem ich mich erin­nere, wo und wie es zum ersten Mal Ostern gewor­den ist: auf einem Fried­hof, in Sichtweite eines Kreuzes. Kein­er weit und bre­it, der gefeiert hätte, erst recht keinen Sieg. Kein­er, der gejubelt, bloss Ein­er, der gefragt hat, warum jemand weint.

Einzig darum kann ich mich an ihr fes­thal­ten: Weil die Hoff­nung von Ostern keine Hors-sol-Hoff­nung ist, son­dern eine auf dem Grund des Kar­fre­itags gewach­sene. Weil sie nicht im Licht wurzelt, son­dern im Dunkel. Und weil im Gesicht des aufer­weck­ten Gekreuzigten die Gesichter aller Gequäl­ter durch­scheinen.

Ich glaube an die Aufer­ste­hung. Ich glaube an das Leben nach dem Tod, aber mehr noch an das vor dem Tod. Es keimt, wo wir uns auf die Bewe­gung des Aufer­stande­nen ein­lassen, wo wir nicht liegen bleiben, wo wir uns bewe­gen lassen, wo wir auf­ste­hen, wo wir hin­ste­hen. Es knospt, wo wir weniger gehorchen, wo wir weniger Angst haben, wo wir freier atmen, wo wir sagen, was wir denken, und zeigen, wer wir sind. Es blüht, wo wir uns nicht der Res­ig­na­tion und nicht der Hand­voll rach­süchtiger und machthun­griger Män­ner ergeben, son­dern über Erde und Him­mel hin­aushören in eine neue Welt und wahrma­chen, was schon so lange in uns träumt.

Jacqueline Keune
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