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Schon so lange
Wie kann ich, die täglichen Bilder aus der Zeitung vor Augen, die Osterfreude predigen, ohne zu stottern? Wie, die täglichen Nachrichten aus dem Radio im Ohr, das Alleluja mitsingen, ohne zu stammeln? Vielleicht indem ich mich erinnere, wo und wie es zum ersten Mal Ostern geworden ist: auf einem Friedhof, in Sichtweite eines Kreuzes. Keiner weit und breit, der gefeiert hätte, erst recht keinen Sieg. Keiner, der gejubelt, bloss Einer, der gefragt hat, warum jemand weint.
Einzig darum kann ich mich an ihr festhalten: Weil die Hoffnung von Ostern keine Hors-sol-Hoffnung ist, sondern eine auf dem Grund des Karfreitags gewachsene. Weil sie nicht im Licht wurzelt, sondern im Dunkel. Und weil im Gesicht des auferweckten Gekreuzigten die Gesichter aller Gequälter durchscheinen.
Ich glaube an die Auferstehung. Ich glaube an das Leben nach dem Tod, aber mehr noch an das vor dem Tod. Es keimt, wo wir uns auf die Bewegung des Auferstandenen einlassen, wo wir nicht liegen bleiben, wo wir uns bewegen lassen, wo wir aufstehen, wo wir hinstehen. Es knospt, wo wir weniger gehorchen, wo wir weniger Angst haben, wo wir freier atmen, wo wir sagen, was wir denken, und zeigen, wer wir sind. Es blüht, wo wir uns nicht der Resignation und nicht der Handvoll rachsüchtiger und machthungriger Männer ergeben, sondern über Erde und Himmel hinaushören in eine neue Welt und wahrmachen, was schon so lange in uns träumt.


